Wettbewerb in Recht und Praxis (WRP), WRP 2022, 1479: „Die negative Feststellungsklage als Reaktion auf eine zu weitgehende Abmahnung (Teil 2)“

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Rechtsgebiet: Wettbewerbsrecht

 

 

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Inhalt

I. Einleitung

II. Überlegungen im Vorfeld der Klageerhebung

1. Klageandrohung („Gegenabmahnung“)

2. Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Rechtsberühmung

a) Anknüpfung an den Tatsachenvortrag

b) Anknüpfung an die vorformulierte Unterlassungserklärung

c) Stellungnahme

3. Verjährung des Unterlassungsanspruchs

a) Verjährungseintritt vor Klageerhebung

b) Verjährungseintritt im laufenden Prozess

4. Antragsfassung

a) Bestimmtheitsgrundsatz

b) Hinreichende Bestimmtheit des Feststellungsantrags auch bei unbestimmter Rechtsberühmung

4. Zuständigkeit

5. Streitwert

 

Teil 2

III. Reaktionen des Beklagten auf die negative Feststellungsklage

1. Bloßer Antrag auf Klageabweisung

a) Prüfungsumfang, 308 ZPO

b) Verbot einer aliud-Entscheidung

2. Antrag auf Klageabweisung bei gleichzeitiger Unterlassungswiderklage

a) Unterlassungswiderklage im Umfang der außergerichtlichen Rechtsberühmung

b) Eingeschränkte Unterlassungswiderklage

aa) Kein Verzicht auf „überschießenden“ Teil

bb) Keine „Berühmungsaufgabe“

cc) Keine Teilsubsidiarität

3. Weitere prozessuale Reaktionen des Beklagten

a) Verfügungsantrag

b)  Unterlassungsklage vor anderem Gericht

IV. Zusammenfassung

 

Der Beitrag ist eine Fortsetzung von WRP 2022, 1361 ff. Teil 1 findet sich dort.

Teil 2

III. Reaktionen des Beklagten auf die negative Feststellungsklage

Hat der Abgemahnte nach Prüfung der Voraussetzungen (s. dazu der erste Teil im letzten Heft WRP 2022, 1361 ff.) die negative Feststellungsklage erhoben, stehen dem Abmahner eine Fülle von Möglichkeiten offen, auf eine solche Klage zu reagieren. Neben der eher seltenen Konstellation, dass der Beklagte auf die negative Feststellungsklage überhaupt nicht eingeht und ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt oder gar den negativen Feststellungsanspruch anerkennt und den Rechtsstreit auf diese Weise vollständig erledigt, dominiert in der Praxis der Klageabweisungsantrag in Kombination mit der Erhebung einer Unterlassungswiderklage. Dabei übernimmt der Unterlassungswiderkläger entweder den in der Abmahnung vorformulierten Anspruch. Oder aber, und das geschieht in der Praxis sehr viel häufiger, er grenzt seinen Unterlassungsanspruch im Vergleich zur außergerichtlichen Rechtsberühmung ein. Vor allem diese eingeschränkte Anspruchsverfolgung wirft komplizierte zivilprozessuale Folgefragen auf.

1. Bloßer Antrag auf Klageabweisung

Bereits der auf Klageabweisung beschränkte Antrag des Feststellungsbeklagten ist jedenfalls im Wettbewerbsprozess durchaus nicht so trivial, wie das auf den ersten Blick erscheinen mag. Während sich etwa im Arbeitsrecht die Begründetheit einer Kündigungsschutzklage klar und eindeutig danach beantwortet, ob die vorausgegangene Kündigung entweder wirksam war oder eben nicht (eine „teilweise“ Wirksamkeit ist nicht denkbar), zeichnet sich die negative Feststellungsklage im Wettbewerbsprozess dadurch aus, dass dem Feststellungsbeklagten häufig zwar nicht der zu weit gehende Unterlassungsanspruch aus der vorgerichtlichen Rechtsberühmung zusteht, wohl aber ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch. Dieser Umstand darf jedoch nicht dazu verleiten, der negativen Feststellungsklage nur teilweise stattzugeben, und zwar selbst dann nicht, wenn nach dem eigenen Sachvortrag des Klägers bzw. nach dem unstreitigen Akteninhalt dem Beklagten zumindest ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch zuzusprechen wäre. Streitgegenstand der negativen Feststellungsklage ist allein der in der Abmahnung vorformulierte Unterlassungsanspruch.

a) Prüfungsumfang, 308 ZPO

Ausprägung des Prinzips der Parteiherrschaft und des Beibringungsgrundsatzes ist das nicht selten vernachlässigte Verbot aus 308 Abs. 1 S. 1 ZPO, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das zusprechende Urteil muss sich innerhalb des mit der Klage anhängig gemachten Streitgegenstands halten („ne ultra petita“),1) was von Amts wegen zu beachten ist.2)

Ausgehend vom zweigliedrigen Streitgegenstand liegt somit ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO nicht nur dann vor, wenn das Gericht seinem Urteilsspruch einen anderen Lebenssachverhalt (Klagegrund) zugrunde legt als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Antrag begründet hat,3) sondern erst recht dann, wenn es über einen (vermeintlichen) Antrag entscheidet, den der Kläger so von Anfang an nicht oder nicht mehr gestellt hat.4) Mit Blick auf die Dispositionsmaxime dürfen nicht vorgetragene Tatsachen selbst dann nicht in der Entscheidung berücksichtigt werden, wenn sie nicht einmal des Beweises bedürften, also offenkundig sind.5)

Die Einhaltung dieser Grundsätze bereitet bei Zahlungsklagen keine Schwierigkeiten, wohl aber bei Unterlassungsklagen und erst recht bei Feststellungsklagen, die auf das Nichtbestehen eines geltend gemachten Unterlassungsanspruchs gerichtet sind. Hier bedarf es stets der sorgfältigen Auslegung,6) was der Kläger überhaupt verlangt. Der Auslegungsgrundsatz, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht,7) rechtfertigt allerdings regelmäßig keine Auslegung gegen den Wortlaut eines Vorbringens.8) Der Kläger bestimmt den Streitgegenstand. Für eine Auslegung ist deshalb kein Raum, wenn er Gegenstand und Umfang seines Begehrens unmissverständlich eingegrenzt und dadurch gleichzeitig festgelegt hat, was er nicht zugesprochen haben will. Denn bei der Frage, ob ein Minus, und nicht etwa ein aliud zugesprochen wird, ist auf den Klägerwillen abzustellen, der in Antrag und Begründung zum Ausdruck gebracht worden sein muss.9)

Ein derart unzweideutig erklärter Wille ist uneingeschränkt zu beachten.10) Die gegenteilige Meinung, wonach die Beschränkung der Prüfungskompetenz des Gerichts auf die Berechtigung des Klagebegehrens als Ganzes unter generellem Ausschluss eines Teilobsiegens ohne ein sachlich anerkennenswertes Interesse des Klägers unbeachtlich sei,11) ist jedenfalls in der hier behandelten Konstellation abzulehnen. Zur Begründung dieser Auffassung wird angeführt, dass die Ablehnung eines teilweisen Zusprechens in aller Regel zu einer nur unvollständigen und nicht hinnehmbaren Beseitigung des Streits führe, weil im Falle einer Klageabweisung offen bliebe, ob überhaupt nichts oder zumindest ein Minus geschuldet sei.12) Dieses Argument greift bei der negativen Feststellungsklage jedoch nicht. Zwar bliebe im Falle der auf die konkrete Rechtsberühmung beschränkten Prüfungskompetenz des Gerichts ebenfalls offen, ob überhaupt nichts oder eine Unterlassung anderen Inhalts geschuldet ist. Allerdings kann der Abmahner diese Unsicherheit problemlos durch einen Gegenangriff, z. B. in Form einer Unterlassungswiderklage, selbst beseitigen, wenn er meint, zumindest einen eingeschränkten Unterlassungsanspruch zu haben.

Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht der im Zivilprozess geltende Grundsatz des Gebotes der Prozessökonomie, mit dem die willkürliche Führung mehrerer Prozesse über denselben Lebenssachverhalt in mehreren Einzelverfahren verhindert werden soll.13) Über das Institut der Unterlassungswiderklage kann sich der Feststellungsbeklagte, der glaubt, zumindest einen eingeschränkten Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzen zu können, auf prozessökonomische Weise (§ 45 Abs. 1 GKG) an den Feststellungsprozess anhängen. Entscheidet er sich jedoch dagegen, ist das vom Gericht zu akzeptieren; für gleichsam „von Amts wegen“ anzustellende Überlegungen außerhalb des Streitgegenstands, ob dem Feststellungsbeklagten nach dem Akteninhalt zumindest ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch zuzusprechen wäre, bleibt dann kein Raum.

b) Verbot einer aliud-Entscheidung

Die eben dargestellten Grundsätze führen im Kontext der negativen Feststellungsklage wegen einer zu weit gehenden Rechtsberühmung, zu dem Ergebnis, dass das Gericht ausschließlich zur Prüfung der Frage befugt ist, ob dem Feststellungsbeklagten exakt derjenige (weite) Unterlassungsanspruch zusteht, wie er unter Bezugnahme auf die vorgerichtliche Rechtsberühmung im Feststellungsantrag formuliert ist – nicht mehr und nicht weniger. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Feststellungskläger unzweideutig klargestellt hat, über keinen anderen (vermeintlichen) Unterlassungsanspruch eine negative Feststellung zu begehren. Jede Äußerung des Gerichts dazu, dass dem Feststellungsbeklagten zwar nicht der „überschießende“ Unterlassungsanspruch zustehen mag, dass aber zumindest ein eingeschränktes Verbot ausgesprochen werden könnte, wäre dann nicht nur überflüssig, sondern wegen Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO rechtswidrig.

Das hat etwa das OLG München in seinem Urteil vom 06.04. 200614) übersehen, als es einer negativen Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung, dass der Beklagten die generelle Unterlassung der Verwendung einer Bildmarke nicht zustehe, nur teilweise mit der Erwägung stattgegeben hat, der dortigen Beklagten stehe zumindest ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch zu. Zuvor hatte das LG München I die auf diesen eingeschränkten Unterlassungsanspruch bezogene Widerklage abgetrennt und Anerkenntnisurteil erlassen. Der negativen Feststellungsklage hatte es in vollem Umfang stattgegeben. Das OLG München hat auf die Berufung der dortigen Beklagten das erstinstanzliche Urteil teilweise aufgehoben und zwar bestätigt, dass der Beklagten ein genereller Unterlassungsanspruch nicht zustehe.

Das teilweise Unterliegen bei entsprechender Kostenquotelung hat es allerdings im zwischenzeitlich ergangenen (rechtskräftigen) Anerkenntnisurteil in Bezug auf den eingeschränkten Unterlassungsanspruch gesehen und das erstinstanzliche Urteil wie folgt abgeändert:

„I. Es wird festgestellt, dass der Beklagten gegen die Klägerin ein Unterlassungsanspruch dahingehend, dass die Klägerin die Verwendung der nachfolgend wiedergegebenen BMW-Bildmarke im Geschäftsverkehr generell zu unterlassen hat, nicht zusteht: [es folgt die Abbildung der streitgegenständlichen Bildmarke].

Die vorstehende Feststellung umfasst nicht Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin, die dahin gehen, dass die Klägerin es zu unterlassen hat, im geschäftlichen Verkehr (...) [es folgt die Verurteilung gemäß Anerkenntnisurteil].

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin ¼ und die Beklagte ¾ zu tragen.“

In dieser Teilklageabweisung liegt ein Verstoß gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO. Denn mit der Feststellung, welches Rechtsverhältnis (konkreter Unterlassungsanspruch) nicht von der Feststellungsklage umfasst sei, hat das OLG München eine Feststellung getroffen, die von der Klägerin weder beantragt noch gewollt war.15) Es hat somit über ein aliud entschieden.

Dem lässt sich insbesondere nicht entgegenhalten, dass die Feststellung des Bestehens eines eingeschränkten Unterlassungsanspruchs als eine Art Minus stets im Feststellungsantrag über das Nichtbestehen eines generellen Unterlassungsanspruchs enthalten sei. Bei der gegenläufigen Leistungsklage ist dieser Gedanke mit Sicherheit richtig und entspricht in ständiger Rechtsprechung des BGH der wohlverstandenen Interessenlage des Klägers: Enthält der Unterlassungsantrag eine Verallgemeinerung, kann er anhand des Klagevorbringens dahin auszulegen sein, dass der Kläger zumindest die von ihm beanstandete konkrete Verletzungsform verboten haben will, wenn er mit seinem umfassenden Verbotsantrag nicht vollumfänglich durchdringen sollte.16) In einem derart verallgemeinernden Unterlassungsantrag ist regelmäßig als Minus auch die konkrete Verletzungsform enthalten.17)

Im Rahmen der leugnenden Feststellungsklage ist die Interessenlage indes gegenläufig: Der Kläger möchte allein geklärt wissen, ob dem Beklagten ein Unterlassungsanspruch im Umfang der außergerichtlichen Rechtsberühmung zusteht oder nicht. Die Klärung der hypothetischen Frage, ob der Beklagte zumindest einen anderen (auf die konkrete Verletzungsform beschränkten) Unterlassungsanspruch durchsetzen könnte, kann der Kläger regelmäßig schon deshalb nicht verlangen, weil es insoweit an einer konkreten Rechtsberühmung fehlt – und damit an einem Feststellungsinteresse. Bei der negativen Feststellungsklage kommt es entscheidend darauf an, welches Unterlassungsanspruchs sich der Beklagte zuvor berühmt hat. Nur insoweit gibt es als Folge der Berühmung des Unterlassungsanspruchs ein klärungsbedürftiges Rechtsverhältnis der Parteien. Auf die abstrakte Klärung anderer Rechtsverhältnisse, z. B. ob dem Beklagten zumindest ein Unterlassungsanspruch geringeren Umfangs zustehe, kommt es dem Kläger nicht an.18)

Die im Prozessverlauf – in der Regel ohnehin vom Beklagten – angestoßene Diskussion darüber, inwieweit zumindest ein eingeschränkter Unterlassungsanspruch bestehen könnte, würde ebenfalls nicht dazu führen, dass diese Frage nunmehr streitgegenständlich würde.19) Denn den Streitgegenstand bestimmt allein der Kläger, nicht der Beklagte.

Zutreffend geht deshalb das LG Hamburg20) davon aus, dass sich das Bestehen eines Unterlassungsanspruchs in Bezug auf die konkrete Verletzungsform im Rahmen der negativen Feststellungsklage nicht als Minus zugunsten des Beklagten auswirken könne; denn das Gericht dürfe kein aliud aussprechen, und dem Beklagten stehe es schließlich frei, sich im Rahmen einer Unterlassungswiderklage gegen die konkrete Verletzungsform zu wehren, um auf diese Weise auch möglicherweise eine anderweitige Verteilung der Kosten zu erwirken.

Die Richtigkeit dieses Ergebnisses bestätigt die folgende Kontrollüberlegung: Berühmt sich der Gläubiger eines Anspruchs gegen den Schuldner auf Zahlung von 10.000,00 € aus einer unbestrittenen Vertragsverletzung, darf der Schuldner zur Klärung dieses Rechtsverhältnisses zweifellos eine entsprechende negative Feststellungsklage erheben. Diese auf die Feststellung gerichtete Klage, dass dem Beklagten kein Zahlungsanspruch im Umfang von 10.000,00 € zustehe, wäre auch dann noch – besser gesagt: erst recht – begründet, wenn sich im Laufe des Prozesses herausstellen würde, dass dem Beklagten lediglich ein Schadensersatzanspruch i. H. v. 5.000,00 € zustünde. Der Beklagte hat es nämlich mit dieser Erkenntnis in der Hand, seinen eingeschränkten Zahlungsanspruch im Wege der Leistungswiderklage durchzusetzen und im Übrigen den auf die weiter gehende Rechtsberühmung gerichteten Feststellungsanspruch anzuerkennen. Beantragt er stattdessen die Abweisung der Klage als unbegründet, bringt er auf diese Weise unzweideutig zum Ausdruck, dass er am überschießenden Zahlungsanspruch i. H. v. 10.000,00 € festhalten will. Denn ein solcher Klageabweisungsantrag hat dieselbe Rechtskraftwirkung wie ein Urteil, das das Gegenteil dessen, was mit der negativen Feststellungsklage begehrt wird, positiv feststellt.21) Dann wiederum hat der Feststellungskläger ein nachvollziehbares und schützenswertes Interesse daran, (nur) zum Nichtbestehen dieses weit gehenden Zahlungsanspruchs eine rechtskräftige Entscheidung herbeizuführen – völlig unabhängig davon, ob dem Beklagten möglicherweise ein Zahlungsanspruch in geringerer Höhe zusteht oder nicht.

Weshalb diese Überlegungen für die negative Feststellungsklage als Reaktion auf eine zu weitgehende Rechtsberühmung nicht gelten sollen, erschließt sich nicht. Lässt der Unterlassungsgläubiger über seinen Klageabweisungsantrag keinen Zweifel daran, das „kontradiktorische Gegenteil“ zu begehren, also genau den weit gehenden Unterlassungsanspruch, dessen er sich vorgerichtlich berühmt hat, ist nicht einzusehen, weshalb sich der Feststellungskläger zur Vermeidung einer Teilklageabweisung Gedanken darüber machen müsste, ob der Beklagte möglicherweise einen anderen Unterlassungsanspruch mit geringerer Verbotswirkung erfolgreich durchsetzen könnte.

Darüber hinaus wäre es dem Feststellungskläger ohnehin nicht möglich und damit unzumutbar, vorsorglich alle denkbaren Unterlassungsansprüche des Beklagten zu prüfen und im Feststellungsantrag explizit als Ausnahmen aufzulisten, um allein auf diese Weise eine Teilklageabweisung und eine damit verbundene Kostenquote zu vermeiden. Nicht zuletzt deshalb entspricht es der wohlverstandenen Interessenlage des Feststellungsklägers, die gerichtliche Überprüfung auf die konkrete Rechtsberühmung zu beschränken.

Um Zweifel an einer Genehmigung eines Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO22) bzw. an einem Zu-Eigen-Machen des zusätzlichen Feststellungsbegehrens erst gar nicht aufkommen zu lassen, sollte der Feststellungskläger im Prozess frühzeitig klarstellen, dass sich sein Feststellungsbegehren auf die vorgerichtliche Rechtsberühmung beschränkt.

2. Antrag auf Klageabweisung bei gleichzeitiger Unterlassungswiderklage

In der Regel beschränkt sich der Feststellungsbeklagte nicht auf den Antrag auf Klageabweisung, sondern kombiniert diesen mit einer Unterlassungswiderklage, und zwar schon deshalb, weil ungeachtet der materiellen Rechtskraftwirkung in Bezug auf das „kontradiktorische Gegenteil“23) andernfalls die Verjährung24) des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs drohen würde. Welche prozessualen Gegenreaktionen seitens des Feststellungsklägers auf eine solche Unterlassungswiderklage veranlasst sind, hängt wiederum vom Umfang des eingeklagten Unterlassungsanspruchs ab, ob also der Widerkläger den weiten Unterlassungsanspruch aus der Rechtsberühmung weiterverfolgt oder sein Petitum einschränkt.

a) Unterlassungswiderklage im Umfang der außergerichtlichen Rechtsberühmung

Ist die Unterlassungswiderklage das Spiegelbild zur negativen Feststellungsklage, ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass das Feststellungsinteresse des Klägers in dem Zeitpunkt entfällt, in dem die Unterlassungswiderklage durch den Widerkläger nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann.25) Dieser Vorrang der Leistungsklage Gegenüber der negativen Feststellungsklage dient zum einen der Vermeidung widerstreitender Entscheidungen. Zum anderen sollen unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie nicht über denselben Streitgegenstand mehrere Verfahren parallel geführt werden.26) Eine Ausnahme erfährt dieses Vorrangverhältnis folgerichtig dann, wenn die negative Feststellungsklage bereits entscheidungsreif ist, oder wenn die Unterlassungswiderklage ihrerseits als unzulässig abzuweisen ist.27)

Der Zeitpunkt, ab dem die Widerklage nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann, entspricht in der Regel dem Beginn der mündlichen Verhandlung durch Stellen des Widerklagantrags. Die Rücknahme der Unterlassungswiderklage ist dann nur noch mit Zustimmung des Widerbeklagten möglich (§ 269 Abs. 1 ZPO). Vor diesem Zeitpunkt entfällt das Feststellungsinteresse nur, wenn der Widerkläger auf die Möglichkeit der Rücknahme seiner Widerklage dauerhaft und endgültig verzichtet.28)

Mit Wegfall des Feststellungsinteresses wird die negative Feststellungsklage unzulässig. Der Feststellungskläger muss daher zur Vermeidung einer Klageabweisung seine Feststellungsklage in der Hauptsache für erledigt erklären.29) Einen Nachteil erfährt er dadurch nicht. Denn über das (Nicht-)Bestehen des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs wird nun gleichwohl rechtskräftig entschieden, nur eben allein im Rahmen der Unterlassungswiderklage.

b) Eingeschränkte Unterlassungswiderklage

In der Wettbewerbspraxis am häufigsten ist der Fall, dass der Abmahner auf die negative Feststellungsklage mit einer Unterlassungswiderklage reagiert, die sich nur noch an der konkreten Verletzungshandlung orientiert, und zwar typischerweise in Form eines Konditionalsatzes („.. ., wenn dies geschieht wie...“).30) In diesem Fall ist die Unterlassungswiderklage nicht mehr das Spiegelbild zur weiter gehenden negativen Feststellungsklage. Hieran schließen sich zahlreiche prozessuale Folgefragen an, die weitgehend höchstrichterlich ungeklärt sind.

aa) Kein Verzicht auf überschießendenTeil

In Rechtsprechung und Literatur wird vertreten, dass das Feststellungsinteresse entfalle, wenn der Feststellungsbeklagte endgültig und vor allem bindend auf den Anspruch, dessen er sich berühmt hat, verzichtet.31) Erhebt der Feststellungsbeklagte eine im Vergleich zur außergerichtlichen Rechtsberühmung eingeschränkte Unterlassungswiderklage, könnte man darin auf den ersten Blick eine solche (konkludente) Verzichtserklärung in Bezug auf das „überschießende“ Petitum sehen.

Dieser Rückschluss verbietet sich jedoch schon aus dogmatischen Gründen. Ein lediglich einseitiger Verzicht auf einen Anspruch mit materiell-rechtlicher Wirkung ist dem deutschen Schuldrecht fremd.32) Zwar liegt in der Verzichtserklärung des Abgemahnten unbestreitbar ein Angebot auf Abschluss eines Erlassvertrags i. S. d. § 397 Abs. 1 BGB,33) und ein solcher Verzichtsvertrag hätte in der Tat zur Folge, dass das Feststellungsinteresse erlöschen würde.34) Allerdings besteht zum einen unter dem Gesichtspunkt der Privatautonomie keine Verpflichtung des Feststellungsklägers, ein solches Verzichtsvertragsangebot anzunehmen. Zum anderen hat der Abgemahnte grundsätzlich einen zivilprozessualen Anspruch darauf, eine der Rechtskraft fähige Entscheidung zu erwirken, mit der das Nichtbestehen des Anspruchs aus der Rechtsberühmung festgestellt wird.35) Dies gilt nicht nur dann, wenn der Beklagte auf die Rechtsberühmung insgesamt (einseitig) verzichtet. Der BGH erkennt ein entsprechendes Feststellungsinteresse vielmehr auch bei einer erklärten Beschränkung des Anspruchs an; dann habe der Kläger ebenfalls einen Anspruch darauf, dass über die weiter gehende Forderung eine rechtskräftige Entscheidung getroffen wird, die es von vornherein ausschließe, sie zum Gegenstand eines späteren Rechtsstreits zu machen.36)

Dieses Ergebnis überzeugt auch wertungsmäßig. Bei strenger Betrachtung kommt es auf die Frage nach einer den Kläger bindenden einseitigen Verzichtserklärung des Beklagten noch nicht einmal an. Dieser hat es schließlich in der Hand, bereits durch seine Prozesserklärung in Reaktion auf die zugestellte negative Feststellungklage die Weichen zu stellen: Möchte er an seiner außergerichtlichen Rechtsberühmung nicht länger festhalten, steht es ihm frei, den eingeschränkten Unterlassungsanspruch im Wege der Unterlassungswiderklage gerichtlich durchzusetzen und im Übrigen die „überschießende“ Rechtsberühmung durch Anerkenntnis des Feststellungsanspruchs aus der Welt zu schaffen. Flankiert er hingegen, wie das in der Praxis die Regel ist, seinen eigenen Unterlassungswiderklageantrag mit dem gegen die Feststellungsklage gerichteten Antrag auf Klageabweisung, kann von einem zweifelsfreien Abrücken von der weiter gehenden Rechtsberühmung keine Rede sein.

bb) Keine Berühmungsaufgabe

Noch weniger überzeugt die in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene These, das bloße Abrücken von einer Rechtsberühmung i. S. e. actus contrarius lasse das Feststellungsinteresse entfallen, soweit diese Berühmungsaufgabe jedenfalls eindeutig, ernsthaft und endgültig sei.37) Wenn der BGH nämlich nach den eben gemachten Ausführungen das Interesse des Feststellungsklägers an einer rechtskräftigen Entscheidung selbst dann anerkennt, wenn der Feststellungsbeklagte den Abschluss eines materiell-rechtlich wirksamen Verzichtsantrags anbietet, muss dieser Gedanke im Falle einer bloßen Berühmungsaufgabe erst recht gelten. Der Beklagte wäre schließlich nicht gehindert, sich des Unterlassungsanspruchs, dessen er sich „derzeit“38) nicht mehr berühmen mag, nach Beendigung des Prozesses erneut zu berühmen. Genau diese Gefahr möchte der Feststellungskläger durch seine Klage aber gerade beseitigen. Somit ist der Auffassung des OLG Köln39) uneingeschränkt zuzustimmen, dass sich die Frage, unter welchen Umständen das Rechtsschutzbedürfnis für eine negative Feststellungsklage wegfällt, nicht nach den Grundsätzen über die Beseitigung einer Erstbegehungsgefahr durch bloßen actus contrarius beantworten lässt. Damit lässt sich zusammenfassen, dass lediglich einseitige Erklärungen des Abmahners nie geeignet sind, das Feststellungsinteresse des Feststellungsklägers zu beseitigen.40)

cc) Keine Teilsubsidiarität

Wegen des Vorrangs der Leistungsklage vor der negativen Feststellungsklage41) stellt sich weiter die Frage, ob die Erhebung einer eingeschränkten Unterlassungswiderklage, die nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann, zumindest teilweise das Feststellungsinteresse beseitigt und damit den Kläger zur Teilerledigungserklärung zwingt.

Das OLG Düsseldorf42) geht von einer solchen teilweisen Unzulässigkeit aus, soweit sich die Streitgegenstände decken. Seine Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH43) beruht allerdings auf einem Missverständnis, weil diesen Entscheidungen andere Sachverhaltskonstellationen mit nicht vergleichbaren Interessenlagen zugrunde lagen:

Wenn der Kläger zunächst im Wege der positiven Feststellungsklage beantragt, festzustellen, dass der Beklagte dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet sei, und im weiteren Verlauf mit gleichem Rubrum Teilzahlungsklage erhebt,44) steht ihm offensichtlich in diesem Umfang ein effektiverer Weg zur Erreichung des Rechtsschutzziels zur Verfügung.45) Zweifellos muss er dann mangels Feststellungsinteresses die parallel geführte Feststellungsklage im gleichen Umfang für erledigt erklären. Hiervon unterscheidet sich jedoch die in diesem Beitrag erörterte Konstellation grundlegend: Zum einen sind Feststellungsund Leistungskläger nicht personenidentisch, sodass von Anfang an zwei unterschiedliche Interessenlagen existieren, denen in gleicher Weise Rechnung zu tragen ist. Zum anderen geht es nicht um den Vorrang der Leistungsklage vor der zuvor selbst erhobenen positiven Feststellungsklage, sondern um die Frage, ob das Bestehen eines eingeschränkten Unterlassungsanspruchs als Minus im Feststellungsbegehren über das Nichtbestehen eines weitergehenden Unterlassungsanspruch enthalten ist. Das ist, wie oben dargelegt wurde,46) zu verneinen. Der Kläger begehrt mit seiner negativen Feststellungsklage ausschließlich die gerichtliche Bestätigung, dass dem Abmahner nicht der weit reichende Unterlassungsanspruch aus der Rechtsberühmung zusteht – nicht mehr und nicht weniger. An der Klärung abstrakter Fragen in Bezug auf andere Rechtsverhältnisse ist einerseits der Kläger überhaupt nicht interessiert und andererseits das Gericht wegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO gehindert.

Die zur Begründung des Subsidiaritätsverhältnisses herangezogene Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bzw. einer unnötigen Anhäufung von Parallelverfahren47) existiert in der hier zu beurteilenden Konstellation ebenfalls nicht: Mit seiner Unterlassungswiderklage erhält der Feststellungsbeklagte das beantragte eingeschränkte Verbot, während der Feststellungskläger – in ein und demselben Verfahren – die Bestätigung erhält, über die Verurteilung hinaus keine Unterlassung zu schulden.

Die vom OLG Düsseldorf herangezogene Entscheidung „REHAB“48) betrifft den Fall, dass die Unterlassungswiderklage in ihrer Verbotswirkung weiter geht als die Rechtsberühmung, die Gegenstand der negativen Feststellungsklage ist. Unter diesen Umständen kann an der Subsidiaritätswirkung kein Zweifel bestehen. Bei der hier erörterten negativen Feststellungsklage als Reaktion auf die zu weit gehende Abmahnung handelt es sich indes um die gegenteilige Konstellation.

Schließlich geht es hier weder um die Frage, ob der Feststellungskläger ein Rechtsverhältnis des Feststellungsbeklagten zu Dritten klären lassen will,49) noch um (spiegelbildlich) identische Streitgegenstände,50) noch um das Aufeinandertreffen von negativer Feststellungsklage und unbezifferter Leistungsklage, bei der gerade nicht nur ein eingeklagter Mindestbetrag rechtshängig wird, sondern der unbezifferte Anspruch insgesamt.51)

Als Zwischenergebnis lässt sich deshalb festhalten, dass die hier behandelte Sonderkonstellation, in der eine eingeschränkte Unterlassungswiderklage auf eine Feststellungsklage mit „überschießender“ Feststellungswirkung trifft, höchstrichterlich ungeklärt ist. Die besseren Argumente sprechen nicht zuletzt mit Blick auf § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO dafür, dem Feststellungskläger, dem es allein um die Klärung des weiten Unterlassungsanspruchs aus der Rechtsberühmung geht, kein weiteres Feststellungsbegehren in Gestalt eines dogmatisch nicht begründbaren Minus, „unterzuschieben“. Er ist als Widerbeklagter weder gehalten, seine negative Feststellungsklage teilweise zurücknehmen, noch muss er diese zur Kostenvermeidung für teilweise erledigt erklären. Ein erledigendes Ereignis gibt es nicht; sein Feststellungsinteresse in Bezug auf das konkrete Rechtsverhältnis zum Beklagten besteht unverändert fort.

3. Weitere prozessuale Reaktionen des Beklagten

Der Abmahner ist nicht gezwungen, sich mit seinem Unterlassungsanspruch in Form einer Widerklage an das Feststellungsverfahren anzuhängen. Mit Ausnahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bietet eine gesonderte Verfahrenseinleitung jedoch keine nennenswerten Vorteile, sondern im Gegenteil vor allem Kostennachteile.

a) Verfügungsantrag

Keine prozessualen Besonderheiten ergeben sich für den Feststellungskläger, wenn der Feststellungsbeklagte seinen Unterlassungsanspruch (gleich welchen Inhalts) parallel zum negativen Feststellungsklageverfahren im Wege einer einstweiligen Verfügung durchzusetzen versucht. Unabhängig davon, ob der Verfügungsantrag der vorgerichtlichen Rechtsberühmung entspricht oder im Vergleich dazu eingeschränkt ist, und in welchem Umfang das Gericht dem Antrag stattgibt, erhält der Feststellungsbeklagte in diesem Parallelverfahren zwar einen vollstreckbaren Unterlassungstitel. Aufgrund seines vorläufigen Charakters berührt dieser Titel allerdings nicht das Feststellungsinteresse im negativen Feststellungsklageverfahren,52) nachdem eine der Rechtskraft fähige Hauptsacheentscheidung gerade fehlt.53) Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn der Unterlassungsschuldner die einstweilige Verfügung als eine einer Hauptsacheentscheidung gleichwertige, endgültige Regelung anerkennt, indem er eine Abschlusserklärung abgibt. In diesem Fall entfällt das Rechtsschutzbedürfnis mit Abgabe dieser Abschlusserklärung.54)

Bleibt der im Eilverfahren erstrittene Unterlassungsanspruch hinter der vorgerichtlichen Rechtsberühmung zurück, kann der Feststellungskläger entweder eine Hauptsacheentscheidung durch einen entsprechenden Antrag gemäß § 926 ZPO erzwingen. Oder er kann eine zweite negative Feststellungsklage erheben, die diesen Unterlassungsanspruchs im eingeschränkten Umfang erfassen würde, nachdem § 926 ZPO nicht abschließend ist und der Erhebung einer negativen Feststellungsklage zur endgültigen Klärung der Rechtslage nicht entgegensteht.55) Die beiden leugnenden Feststellungsklagen würden unterschiedliche Feststellungsbegehren und damit unterschiedliche Streitgegenstände betreffen, ohne dass das eine Feststellungsbegehren im anderen (als Minus) enthalten wäre.56)

b) Unterlassungsklage vor anderem Gericht

Zwar ist der Abmahner nicht gehalten, seinen Unterlassungsanspruch in Gestalt der Widerklage beim Gericht der bereits anhängigen negativen Feststellungsklage geltend zu machen.57) Allerdings sprechen vor allem Kostengesichtspunkte dagegen, zwei gesonderte Verfahren zu führen, noch dazu bei unterschiedlichen Gerichten. 45 Abs. 1 GKG ermöglicht die Addition der Streitwerte von Klage und Widerklage, wobei im Falle wirtschaftlicher Identität allein der Wert des „höheren“ Anspruchs maßgebend ist (§ 45 Abs. 1 S. 1 GKG). Dies gilt allerdings nur dann, wenn über Klage und Widerklage nicht getrennt verhandelt wird. Die Erhebung der Unterlassungsklage bei einem anderen Gericht steht einer Prozessverbindung (§ 147 ZPO) und damit einer einheitlichen Verhandlung entgegen, sie führt zu einer Verdopplung der Gebühren aus den vollen Streitwerten beider Klagen.58) Schon aus prozessökonomischen Gründen sollte der Abmahner daher seinen eingeschränkten Unterlassungsanspruch in Form der Widerklage beim Gericht der bereits anhängigen negativen Feststellungsklage geltend machen. Dies gilt insbesondere dann, wenn er zwischenzeitlich erkannt hat, lediglich einen eingeschränkten Unterlassungsanspruch gerichtlich durchsetzen zu können, so dass er am „überschießenden“ Umfang ohnehin nicht mehr festhalten will.

IV. Zusammenfassung

Das Wettbewerbsrecht ist ein scharfes Schwert. Schneiden kann sich daran aber auch derjenige, der es sich nutzbar machen möchte. Die Befugnis des Abgemahnten, auf die Abmahnung in Form einer negativen Feststellungsklage zu reagieren, zeigt, dass der einer Abmahnung beigefügte Entwurf einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sorgfältig formuliert werden sollte. Der Abgemahnte ist weder gehalten, den Abmahner in Gestalt einer „Gegenabmahnung“ vor der Erhebung einer negativen Feststellungsklage zu warnen, noch muss er auf eine im Prozess eintretende Verjährung des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs oder gar auf den Gerichtsstand des Abmahners Rücksicht nehmen. Er ist vielmehr berechtigt, im Interesse an einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung exakt die Rechtsberühmung zum Gegenstand seiner negativen Feststellungsklage zu machen, wie sie ihm zuvor im übersandten Entwurf einer strafbewehrten Unterlassungserklärung übermittelt worden ist.

In der Sache ist das richtig. Wer zu viel verlangt, muss eben damit rechnen, dass sein konkretes Begehren gerichtlich überprüft wird. Der Abmahner hat es selbst in der Hand, in Reaktion auf die negative Feststellungsklage sein Unterlassungsverlangen auf das Maß zu beschränken, das ihm tatsächlich zusteht, und wegen des „überschießenden“ Teils die negative Feststellungsklage anzuerkennen. Demgegenüber kann allein in der eingeschränkten Anspruchsverfolgung kein die Feststellung hindernder Anspruchsverzicht gesehen werden, erst recht keine „Berühmungsaufgabe“, die den Feststellungskläger zur teilweisen Erledigungserklärung zwingen würde. Dies gilt selbst dann, wenn der Unterlassungskläger auf eine Klagerücknahme dauerhaft und endgültig verzichten würde. Denn eine Teilsubsidiarität der negativen Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn zum einen der Unterlassungswiderkläger mit seinem Unterlassungsanspruch hinter der vorgerichtlichen Rechtsberühmung zurückbleibt, und wenn zum anderen der Feststellungskläger mit seinem Feststellungsbegehren allein an den zu weit gehenden Unterlassungsanspruch anknüpft (§ 308 Abs. 1 S. 1 ZPO). Sollte der Abmahner unter diesen Umständen mit seiner eingeschränkten Unterlassungswiderklage voll obsiegen, träfe ihn gleichwohl die anteilige Kostenlast im Umfang der begründeten negativen Feststellungsklage. Um dieses Risiko zu vermeiden, ist er gut beraten, von Anfang an seinen vorformulierten Entwurf einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf dasjenige zu beschränken, was er im Zweifel auch tatsächlich gerichtlich durchsetzen will und durchsetzen könnte.

Anm. der Redaktion: Der Beitrag ist eine Fortsetzung von WRP 2022, 1361 ff. Teil 1 findet sich dort.

Mehr über die Autoren erfahren Sie auf S. 1586. Die Autoren danken Frau mag. Iur. Victoria Socha und Herrn cand. Iur. Jonas Kurz für ihre tatkräftige Unterstützung.

 

1) BGH, 11.2017 – I ZR 161/16, WRP 2018, 424, 428, Rn. 44 – Knochenzement I; BGH, 11.10.2017 – I ZR 78/16, WRP 2018, 413, 415, Rn. 11 – Tiegelgröße.

2) BGH, 06.2015 – I ZR 26/14, WRP 2016, 193, 194, Rn. 15 – Zuweisung von Verschreibungen.

3) BGH, 04.2003 – I ZR 1/01, WRP 2003, 896, 898 – Reinigungsarbeiten; BGH, 05.10.2017 – I ZR 184/16, WRP 2018, 190, 191, Rn. 15 – Betriebspsychologe; BGH, 11.10.2017 – I ZR 78/16, WRP 2018, 413, 415, Rn. 11 – Tiegelgröße.

4) OLG München, 07.2021 – 27 U 1929 /21, juris, Rn. 36; BGH, 29.11.1990 – I ZR 45/89, NJW 1991, 1683, 1684.

5) OLG Frankfurt M., 04.04.2013 – 6 W 85/12, WRP 2013, 1072, Rn. 5 – Zählrate.

6) OLG Köln, 12.2021 – 6 U 62/21, WRP 2022, 364, 365, Rn. 14 – Cookie-gesteuerte Rabattwerbung.

7) BGH, 03.1994 – IX ZR 152/93, NJW 1994, 1537, 1538; BGH, 27.06.1996 – IX ZR 324/95, NJW 1996, 2799.

8) BGH, 11.2001 – II ZB 13/01, NJW-RR 2002, 646.

9) OLG Saarbrücken, 23.12.2009 – 5 U 173/09, MDR 2010, 636; Musielak, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 308 Rn.

10) Musielak, in: Münchener Kommentar zur ZPO (Fn. 9), 308 Rn. 9 m. w. N.

11) OLG Düsseldorf, 09.10.2014 – I‑15 U 27/14, GRUR 2015, 299, 302 – Kupplungsvorrichtung

12) OLG Düsseldorf, 09.10.2014 – I‑15 U 27/14, GRUR 2015, 299, 302 – Kupplungsvorrichtung

13) OLG Düsseldorf, 09.10.2014 – I‑15 U 27/14, GRUR 2015, 299, 302 – Kupplungsvor-

14) OLG München, 04.2006 – 29 U 5193/05, GRUR-RR 2006, 363, 367 – BMW-Bildmarke.

15) vgl. dazu auch OLG Hamm, 24.09.2009 – 4 U 104/09, BeckRS 2009, 28630.

16) BGH, 11.2014 – I ZR 26/13, WRP 2015, 565, 569 – Kostenlose Zweitbrille, w. N.

17) BGH, 09.2013 – I ZR 208/12, WRP 2013, 1578, 1579, Rn. 14 – Empfehlungs-E-Mail; einschränkend BGH, 16.03.2000 – I ZR 229/97, WRP 2000, 1131, 1132 – Lieferstörung: Aus § 139 ZPO kann nicht die Verpflichtung des Richters abgeleitet werden, einem zu weit gefassten Klageantrag einen zulässigen Wortlaut und Inhalt zu geben.

18) OLG Hamm, 9.2009 – 4 U 104/09, BeckRS 2009, 28630.

19) OLG Düsseldorf, 09.2013 – I‑2 U 64/12, BeckRS 2014, 1193; so auch BGH, 23.07.2008 – XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922, Rn. 20.

20) LG Hamburg, 03.2014 – 315 O 10/12, BeckRS 2014, 11084.

21) BGH, 03.1995 – V ZR 178/93, NJW 1995, 1757 m. w. N.

22) Zu dieser Gefahr OLG Rostock, 28.01.2020 – 2 U 12/19, MDR 2020, 691: Heilung eines Verstoßes gegen § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO durch vorbehaltlosen Antrag des Klägers auf Zurückweisung der gesamten Berufung des Beklagten.

23) BGH, 03.1995 – V ZR 178/93, NJW 1995, 1757.

24) Die Verjährung eines Anspruchs wird weder durch eine vom Schuldner erhobene negative Feststellungsklage noch durch die Verteidigung des Gläubigers hiergegen gehemmt, vgl. BGH, 15.08.2012 – XII ZR 86/11, NJW 2012, 3633, 3634; OLG Köln, 18.03.2022 – I‑11 W 54/21, juris, Rn. 10; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 81. Aufl. 2022, § 204 Rn. 3.

25) BGH, 01.1987 – I ZR 230/85, NJW 1987, 2680. 2681 – Parallelverfahren I; BGH, 21.12.2005 – X ZR 17/03, WRP 2006, 366, 368 – Detektionseinrichtung I; Köhler/ Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, Kommentar zum UWG. 40. Aufl. 2022,12 Rn. 1.20a.

26) BGH, 12.2005 – X ZR 17/03, WRP 2006, 366, 368 – Detektionseinrichtung I.

27) Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, Kommentar zum UWG (Fn. 25), 12 Rn. 1.20a; BGH, 22.01.1987 – I ZR 230/85, NJW 1987, 2680. 2681 – Parallelverfahren I.

28) BGH, 07.2010 – I ZR 168/09, WRP 2014, 1330, 1331 – Verzicht auf Klagerücknahme; Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, Kommentar zum UWG (Fn. 25), § 12 Rn. 1.20a; Zapfe, WRP 2011, 1122, 1123.

29) Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG, Aufl. 2016, § 12 Rn. 86.

30) BGH, 04.2011 – I ZR 34/09, WRP 2011, 873, 875 – Leistungspakete im Preisvergleich.

31) OLG Düsseldorf, 05.2014 – 24 U 180/13, BeckRS 2014, 23101; OLG Hamburg, 25.07.2002 – 3 U 322/01, BeckRS 2002, 8846; Bacher, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 12. Aufl. 2019, Kap. 41 Rn. 68; Foerste, in: Mu-sielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 256 Rn. 10.

32) BGH, 12.2015 – V ZR 142/14, MDR 2016, 315, 316, Rn. 24; OLG Düsseldorf,13.05. 2014 – 24 U 180/13, BeckRS 2014, 23101.

33) OLG Düsseldorf, 05.2014 – 24 U 180/13, BeckRS 2014, 23101.

34) Sosnitza, in: Ohly/Sosnitza, UWG (Fn. 29), 12 Rn. 86.

35) BGH, 02.1988 – II ZR 152/87, NJW-RR 1988, 749, 750; OLG Düsseldorf, 13.5.2014 – 24 U 180/13, BeckRS 2014, 23101.

36) BGH, 07.1993 – II ZR 114/92, NJW 1993, 2609, 2610.

37) OLG Hamburg, 04.2002 – 3 U 360/01, NJW-RR 2003, 411, 412 f.; OLG München, 06.04.2006 – 29 U 5193 /05, GRUR-RR 2006, 363, 365; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO (Fn.         31), § 256 Rn. 10. OLG Köln, 07.02.2011 – 6 W 22/11, BeckRS 2011, 5073.

38) So im Fall des OLG Hamburg, 04.2002 – 3 U 360/01, NJW-RR 2003, 411, 412.

39) OLG Köln, 02.2011 – 6 W 22/11, NJOZ 2012, 1879.

40) nur BGH, 03.06.2008 – XI ZR 353/07, NJW 2008, 2842, 2844; so auch Bacher, in: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren (Fn. 31), Kap. 41 Rn. 68; Greger, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 256 Rn. 7c.

41) BGH, 01.1987 – I ZR 230/85, WRP 1987, 459 ff. – Parallelverfahren I; hiergegen ausdrücklich OLG Stuttgart, 24.01.1992 – 2 U 191/91: Grundsätzliche Priorität der negativen Feststellungsklage vor der später erhobenen Leistungsklage.

42) OLG Düsseldorf, 05.2019 – I‑2 U 50/18, juris, Rn. 36.

43) BGH, 04.1984 – VII ZR 129/83, NJW 1984, 1754 f.; BGH, 20.06.1984 – I ZR 61/82, GRUR 1985, 41, 44 – REHAB; BGH, 22.01.1987 – I ZR 230/85, WRP 1987, 459 – Parallelverfahren I; BGH, 13.05.1987 – I ZR 75/85, GRUR 1987, 938 – Videorechte; BGH, 21.12.2005 – X ZR 17/03, WRP 2006, 366 – Detektionseinrichtung I; BGH, 04.07.2013 – VII ZR 52/12, NJW-RR 2013, 1105.

44) So die Ausgangslage bei BGH, 21.12.1989 – IX ZR 234/88, NJW-RR 1990, 1532, sowie ähnlich BGH, 04.07.2013 – VII ZR 52/12, NJW-RR 2013, 1105.

45) OLG Karlsruhe, 07.2022 – 17 U 1348/19, juris, Rn. 36.

46) oben unter Ziffer III. 1. b).

47) BGH, 12.1989 – IX ZR 234/88, NJW-RR 1990, 1532.

48) BGH, 06.1984 – I ZR 61/82, GRUR 1985, 41 – REHAB.

49) So in der Entscheidung BGH, 05.1987 – I ZR 75/85, GRUR 1987, 938 – Videorechte.

50) So aber in den Entscheidungen BGH, 04.1984 – VII ZR 129/83, NJW 1984, 1754 f.; BGH, 22.01.1987 – I ZR 230/85, WRP 1987, 459 – Parallelverfahren I.

51) BGH, 12.2005 – X ZR 17/03, WRP 2006, 366, 369 – Detektionseinrichtung I.

52) OLG Hamm, 03.2007 – 4 U 142/06, GRUR-RR 2007, 282, 283.

53) Tavanti/Scholz, in: Fritzsche/Münker/Stollwerck, BeckOK UWG, Edition 2022,12 Rn. 3.

54) Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, Kommentar zum UWG (Fn. 25), 12 Rn. 2.77.

55) OLG Jena, 06.2016 – 2 U 868/15, ZUM 2017, 166, 168 – Wahlkampfmusik; BGH, 13.10.1984 – I ZR 107/82, WRP, 1985, 212, 212 f. – Feststellungsinteresse.

56) oben unter Ziff. III. 1. b) und 2. b) cc).

57) BGH, 01.1987 – I ZR 230/85, WRP 1987, 459, 460; a. A. OLG Stuttgart, 24.01.1992 – 2 U 191/91, WRP 1992, 513, 516: Rechtsmissbrauch der Erhebung der Unterlassungsklage während der Anhängigkeit der negativen Feststellungsklage bei einem anderen Gericht.

58) Zum Streitwert der negativen Feststellungsklage s. Stillner/Herwig, Teil 1, WRP 2022,1361, 1367, Rn. 41.

 

Autoren

Dr. Benjamin Stillner

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Christopher Herwig

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