Kurz und Knapp
Am 28. 5. 2022 treten eine Reihe von neuen Vorschriften in Kraft. Betroffen sind von den Novellierungen das BGB, EGBGB und UWG sowie die Preisangabenverordnung. Die Neuregelungen setzen die Vorgaben der Modernisierungsrichtlinie in deutsches Recht um und verfolgen insgesamt das Ziel, die verbraucherschützenden Vorschriften zu modernisieren und die Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts zu verbessern. Der Beitrag verschafft einen Überblick über die wesentlichen Änderungen im BGB und EGBGB und gibt einen kurzen Ausblick auf die weiteren Änderungen im UWG und in der PAngV.
I. Einführung und Hintergrund
Grund der Änderungen in den Normen des deutschen Rechts ist die RL (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. 11. 2019 zur Änderung der RL 93/13/EWG des Rates und der Richtlinien 98/6/EG, 2005/29/EG und 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (im Folgenden die „Modernisierungsrichtlinie“). Die Modernisierungsrichtlinie macht keine direkt umzusetzenden eigenen Vorgaben, sondern ändert bestehende Richtlinien, nämlich die RL 93/13/EWG (im Folgenden „Klausel-Richtlinie“), die RL 98/6/EG (im Folgenden „Preisangaben-Richtlinie“), die RL 2005/29/EG (im Folgenden „UGP-Richtlinie“) und die RL 2011/83/EU (im Folgenden „Verbraucherrechterichtlinie“). Der Regelungsgehalt dieser vier modernisierten Richtlinien bleibt damit grundsätzlich erhalten, sofern er nicht durch die Modernisierungsrichtlinie modifiziert wird. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Frage der (Voll-)Harmonisierung des Rechts. Bei der Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie ist daher stets genau zu beachten, welcher Gestaltungsspielraum dem deutschen Gesetzgeber tatsächlich eingeräumt wird.
Am 28. 5. 2022 treten das Gesetz zur Änderung des BGB und des EGBGB vom 10. 8. 2021,1 das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht vom 10. 8. 20212 und die neue Preisangabenverordnung3 in Kraft. Während das Gesetz zur Änderung des BGB und des EGBGB der Umsetzung der durch die Modernisierungsrichtlinie eingeführten Änderungen der Klausel-Richtlinie und der Verbraucherrechterichtlinie dient, hat der Gesetzgeber die Änderungen der UGP-Richtlinie mit dem Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht umgesetzt. Die Preisangabenverordnung wurde aufgrund der Änderungen der Preisangaben-Richtlinie insgesamt neu gefasst.
II. Umsetzung im BGB und EGBGB
Die Neuregelungen im BGB und im EGBGB betreffen insbesondere eine Veränderung im Anwendungsbereich der verbraucherschützenden Vorschriften sowie die allgemeinen und besonderen Informationspflichten bei Verbraucherverträgen, Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen. Anpassungen erfolgen beim Widerrufsrecht, neu eingeführt werden Regelungen für Betreiber von Online-Marktplätzen und Sanktionen bei Verstößen gegen verbraucherschützende Vorschriften. Die Auswirkungen auf die Praxis sind gravierend.
1. Anwendungsbereich der verbraucherschützenden Vorschriften
312 BGB, dessen Anwendungsbereich durch Aufnahme des „Bezahlens mit Daten“4 in Abs. 1a bereits im vorauseilenden Gehorsam5 mit der Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie6 geändert wurde, erfährt zum 28. 5. 2022 durch die Umsetzung der Modernisierungsrichtlinie weitere Änderungen. Die bislang in § 312 Abs. 2 Nr. 5 BGB normierten Verträge über die Beförderung von Personen haben im neuen § 312 Abs. 8 BGB einen eigenen Minimalanwendungsbereich erhalten, wonach auf diese Verträge nur § 312a Abs. 1 und die Abs. 3 bis 6 BGB anzuwenden sind. Folge ist, dass nunmehr auch § 312a Abs. 5 BGB Anwendung findet und damit Verbraucher kein Entgelt für telefonische Auskünfte zur Vertragsabwicklung im Rahmen solcher Verträge über die Beförderung von Personen zu bezahlen haben.
2. Allgemeine Informationspflichten
Die auch im stationären Handel geltenden Informationspflichten für Verbraucherverträge sind in Art. 246 § 1 EGBGB geregelt; sie wurden in Abs. 1 Nr. 5 um die Besonderheiten der digitalen Produkte7 erweitert. Nach Abs. 1 Nr. 7 müssen nunmehr Informationen über die Funktionalität der Sachen mit digitalen Elementen oder der digitalen Produkte, einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen vorgehalten werden. Abs. 1 Nr. 8 verlangt, soweit wesentlich, Informationen zur Kompatibilität und Interoperabilität der Sachen mit digitalen Elementen oder der digitalen Produkte, soweit diese Informationen dem Unternehmer bekannt sind oder ihm bekannt sein müssen. Die Begriffe der Funktionalität, Kompatibilität und der Interoperabilität sind jeweils in § 327 Abs. 2 S. 2 bis 4 BGB legaldefiniert. Funktionalität ist danach die Fähigkeit eines digitalen Produkts, seine Funktionen seinem Zweck entsprechend zu erfüllen; Kompatibilität ist die Fähigkeit eines digitalen Produkts, mit Hardware oder Software zu funktionieren, mit der digitale Produkte derselben Art in der Regel genutzt werden, ohne dass sie konvertiert werden müssen; Interoperabilität ist die Fähigkeit eines digitalen Produkts, mit anderer Hardware oder Software als derjenigen, mit der digitale Produkte derselben Art in der Regel genutzt werden, zu funktionieren.
Geändert wurden auch die Informationspflichten bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und Fernabsatzverträgen nach Art. 246a EGBGB. Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB enthält nur noch einen Hinweis auf die Angabe der Identität und Anschrift des Unternehmers, während die Kontaktmöglichkeiten nunmehr in der neuen Nr. 3 aufgeführt werden. Die Angabe einer Faxnummer ist nicht mehr erforderlich. Angegeben werden müssen nunmehr noch Telefonnummer, E-Mail-Adresse und ggf. andere zur Verfügung gestellte Online-Kommunikationsmittel, sofern gewährleistet ist, dass der Verbraucher seine Korrespondenz mit dem Unternehmer, einschließlich der Zeit und des Datums, auf einem dauerhaften Datenträger speichern kann. Erfasst sind z. B. Messenger-Dienste, sofern eben nach § 126b S. 2 BGB deren Inhalt auf einem dauerhaften Datenträger gespeichert werden kann. Die Speichermöglichkeit muss direkt im Programm enthalten sein; lediglich das Erstellen eines Bildschirm-Screenshots genügt dafür nicht. Entscheidend bleibt das Erfordernis, dass ein Verbraucher schnell Kontakt zum Unternehmer aufnehmen können muss.8
Auch die Bedeutung der Preisangaben wird gestärkt. Die vorherige Nr. 4 wird in drei neue Nummern übertragen: Nr. 5 enthält nunmehr den Gesamtpreis der Waren bzw. die Art der Preisberechnung, wenn der Preis vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann. Nr. 6 verlangt – sofern einschlägig – den Hinweis, dass der Preis auf der Grundlage einer automatisierten Entscheidungsfindung personalisiert wurde. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass im Rahmen des sogenannten Profilings9 erstellte Profile genaue Informationen über das Privatleben des Verbrauchers und sein Kaufverhalten enthalten.10 Unternehmer können hierdurch den Preis für einen konkreten Endkunden individualisieren. Dem Verbraucher sollen die Informationsasymmetrie und das Ausnutzen des präzisen Wissens des Unternehmers über den Verbraucher vor Augen geführt11 und ihm die Möglichkeit gegeben werden, den Vertragsschluss zu überdenken. Umfasst sind sowohl allgemeine Preisdarstellungen im Internet, innerhalb von bestehenden Geschäftsbeziehungen (z. B. Mitgliedschaften) und individuelle Preisvorschläge (z. B. per E-Mail). Ein Hinweis ist nicht erforderlich, wenn Preise dynamisch oder in Echtzeit verändert werden, um auf die Marktnachfrage zu reagieren, und keine Personalisierung erfolgt (z. B. bei Hotelbuchungsplattformen).12 Nr. 7 enthält schließlich die Liefer- und Versandkosten, die nach wie vor, wie alle weiteren Kosten auch, angegeben werden müssen.
Nr. 11 wurde hinsichtlich des Hinweises über das Bestehen eines gesetzlichen Mängelhaftungsrechts um die digitalen Produkte ergänzt, dies dient der Anpassung an die Anforderungen der Digitale-Inhalte-Richtlinie. Nr. 17 ist ebenfalls an die neuen Begrifflichkeiten im BGB angepasst worden. Angegeben werden müssen die Funktionalität der Waren mit digitalen Elementen oder der digitalen Produkte, einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen. Inhaltlich entspricht dies der ehemaligen Nr. 14. Gleiches gilt für Nr. 18 (die inhaltlich der bisherigen Nr. 15 entspricht), die die Angabe der Kompatibilität und der Interoperabilität der Waren mit digitalen Elementen oder der digitalen Produkte verlangt, wenn dies wesentlich ist und diese Informationen dem Unternehmer bekannt sind oder bekannt sein müssen.
Die neue Nr. 14 enthält die bisherige Nr. 11, also die Laufzeit des Vertrags und die Bedingungen der Kündigung unbefristeter oder sich automatisch verlängernder Verträge. Hier ist der mit dem Gesetz für faire Verbraucherverträge13 geänderte neue § 309 Nr. 9 BGB zu beachten, wonach die Vertragslaufzeit höchstens zwei Jahre betragen darf und der Vertrag nach Ablauf dieser Erstlaufzeit monatlich kündbar ist; die Kündigungsfrist ist bei Dauerschuldverhältnissen nunmehr ebenfalls auf höchstens einen Monat beschränkt.14
Im Übrigen haben die Informationspflichten in Art. 246a § 1 EGBGB lediglich redaktionelle Folgeänderungen erfahren.
3. Besondere Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen
Betreiber von Online-Marktplätzen unterlagen schon bisher besonderen Informationspflichten, allerdings lediglich im B2B-Verhältnis aufgrund der Verordnung zur Förderung von Fairness und Transparenz für gewerbliche Nutzer von Online-Vermittlungsdiensten.15 Ähnliche Pflichten werden durch die Modernisierungsrichtlinie nun auch für Plattformbetreiber gegenüber Verbrauchern eingeführt.16 Damit soll einerseits die Marktmacht von Plattformanbietern beschränkt,17 andererseits einem Verbraucher eine transparente Entscheidung ermöglicht werden.
a) Grundnorm: § 312k BGB
Neu eingefügt wurde § 312k BGB und damit neue besondere Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen, die sich in Art. 246d EGBGB finden. Ziel der Regelung ist die Erhöhung des Verbraucherschutzniveaus. Die Regelungs-Systematik entspricht der für die besonderen Vertriebsformen in § 312d BGB und den ergänzenden Vorschriften in Art. 246a EGBGB. Das BGB normiert die allgemeine Verpflichtung, dass bestimmte Informationen vorgehalten werden müssen, der Inhalt der Informationspflichten ist in Art. 246d EGBGB ausgelagert.
aa) Online-Marktplatz
Der Begriff des Online-Marktplatzes ist in Abs. 3 definiert und umfasst Dienste, die es Verbrauchern ermöglichen, durch die Verwendung von Software, die vom Unternehmer oder im Namen des Unternehmers betrieben wird, einschließlich einer Webseite, eines Teils einer Webseite oder einer Anwendung, Fernabsatzverträge mit anderen Unternehmern oder Verbrauchern abzuschließen.18 Die Gesetzesbegründung nennt den Online-Marktplatz einen „virtuellen Marktraum“.19 Die Begriffe des Online-Marktplatzes und der Software sollen insgesamt weit verstanden und auch neue Technologien erfasst werden.20 Unschädlich ist, wenn der Betreiber auf dem Online-Marktplatz auch eigene Produkte anbietet.21 Ein Online-Marktplatz ist auch dann gegeben, wenn eine Vermittlungs- oder Vergleichswebseite vorliegt, sofern der Fernabsatzvertrag mit der Software des Betreibers des Online-Marktplatzes geschlossen werden kann. Die Art des Vertrags selbst, der zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen wird, ist dabei irrelevant.22 Voraussetzung ist lediglich ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c Abs. 1 BGB. Umfasst sind damit Plattformen wie Amazon, eBay, Reisebuchungsportale sowie Vergleichsportale (sofern sie einen direkten Vertragsabschluss anbieten). Reine Anzeigenportale (z. B. eBay-Kleinanzeigen23) bieten zwar rechtstechnisch die Möglichkeit an, über den integrierten Messenger-Dienst Verträge zu schließen, dies ist allerdings mit „Software“ im Sinne der Vorschrift nicht gemeint, da dies kein programmiertes Buchungssystem ist, sondern auch dem Austausch allgemeiner Nachrichten dient.
bb) Betreiber
Betreiber des Online-Marktplatzes ist gemäß § 312k Abs. 4 BGB, wer den Online-Marktplatz für Verbraucher zur Verfügung stellt, also zum Abruf bereithält. Dies dürfte regelmäßig derjenige sein, der gemäß § 5 Abs. 1 TMG im Impressum der Website steht.
cc) Ausnahmetatbestände
312k Abs. 2 BGB enthält eine Ausnahme für Finanzdienstleistungen im Sinne des § 312 Abs. 5 S. 1 BGB. Da auch die Verbraucherrechterichtlinie nach dem unverändert gebliebenen Art. 3 Abs. 3 lit. d nicht auf Finanzdienstleistungen anwendbar ist und für Finanzdienstleistungen besondere, in Art. 246b EGBGB geregelte Informationspflichten gelten, mussten diese aus den Informationspflichten für Betreiber von Online-Marktplätzen herausgenommen werden.
b) Besondere Informationspflichten, Art. 246d EGBGB
Die besonderen Informationspflichten für Betreiber eines Online-Marktplatzes finden sich in Art. 246d § 1 Nrn. 1 - 7 EGBGB; sie gelten neben sonstigen anwendbaren Informationspflichten.24 Anders als vom Gesetzgeber in der Begründung angegeben,25 handelt es sich mithin nicht um allgemeine, sondern um besondere Informationspflichten.
aa) Nr. 1: Ranking der Suchergebnisse
Art. 246d § 1 Nr. 1 EGBGB setzt Art. 6a Abs. 1a) Verbraucherrechterichtlinie um. Danach sind Betreiber eines Online-Marktplatzes verpflichtet, Verbrauchern Informationen zum Ranking der angezeigten Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalte zur Verfügung zu stellen. Eine Definition des Begriffs „Ranking“ gibt es im BGB nicht, findet sich aber auf europäischer Ebene in Art. 2 lit. m der UGP-Richtlinie, auf den auch die Verbraucherrechterichtlinie verweist. Ranking ist danach die relative Hervorhebung von Produkten, wie sie vom Gewerbetreibenden dargestellt, organisiert oder kommuniziert wird, unabhängig von den technischen Mitteln, die für die Darlegung, Organisation oder Kommunikation verwendet werden. Da das Ranking erhebliche Auswirkungen auf die Verbraucherentscheidung haben kann,26 sollen Verbraucher über die Zusammensetzung der ihnen auf einer Plattform präsentierten Angebote informiert werden, indem sie Informationen über die Hauptparameter zur Festlegung des Rankings (lit. a) und der relativen Gewichtung im Vergleich zu anderen Parametern (lit. b) erhalten.
Hauptparameter sind alle allgemeinen Kriterien, Prozesse und spezifischen Signale, die in die Algorithmen eingebunden sind, oder sonstige Anpassungs- oder Rückstufungsmechanismen, die im Zusammenhang mit dem Ranking eingesetzt werden.27 Der Gesetzgeber erwähnt beispielhaft die Anzahl der Aufrufe des Angebots, das Datum der Einstellung des Angebots, die Bewertung des Angebots oder des Anbieters sowie die Anzahl der Verkäufe eines Produkts.28 Zudem muss die Gewichtung, d. h. das Verhältnis der einzelnen Hauptparameter zueinander, angegeben werden. Dargelegt werden soll, welche Hauptparameter im Verhältnis zu anderen Hauptparametern einen größeren Einfluss auf die Darstellung in der Ergebnisliste haben. Diese Informationen gelten künftig als wesentlich im Sinne des § 5b Abs. 2 UWG. Der Plattformbetreiber soll dabei aber nicht verpflichtet sein, die Funktionsweise seines Rankingsystems im Detail offenzulegen oder den zugrundeliegenden Algorithmus zur Verfügung zu stellen.29
Aus Erwägungsgrund 20 der Modernisierungsrichtlinie ergibt sich, dass zudem eine Offenlegung erfolgen soll, welche der angezeigten Ergebnisse aufgrund einer Bezahlung des Anbieters erfolgt ist oder deswegen angezeigt werden, weil der Unternehmer eine (höhere) Provision pro Transaktion erhält. Wenn ein Plattformbetreiber Suchergebnisse anzeigt, muss er § 3 Abs. 3 Anhang Nr. 11a UWG bezahlte Suchergebnisse (aufgrund bezahlter Werbung oder spezieller Zahlungen, die einem höheren Ranking im Rahmen der Suchergebnisse dienen), eindeutig offenlegen, ansonsten gilt ein solches Verhalten als unwiderleglich unlauter. Nicht davon betroffen sind Zahlungen wie z. B. die Gebühren für die Listung auf einer Plattform oder Mitgliedsbeiträge, die eine breite Palette an Funktionen abdecken.
bb) Nr. 2: Informationen über den Anbieter
Gemäß Art. 246d § 1 Nr. 2 EGBGB muss der Verbraucher über die Anbieter, die bei der Erstellung des Vergleichs einbezogen wurden, informiert werden, wenn ihm auf dem Online-Marktplatz das Ergebnis eines Vergleichs von Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalten präsentiert wird. Hier hat der deutsche Gesetzgeber von der Öffnungsklausel in Art. 6a Abs. 2 der Verbraucherrechterichtlinie Gebrauch gemacht; eine entsprechend zwingende Vorgabe auf europäischer Ebene fehlt. Ziel dieser sogenannten „Positivliste der Anbieter“30 ist es, den Verbraucher auf die zugrunde liegende Marktabdeckung hinzuweisen, damit ihm vor Augen geführt wird, welche Anbieter vom Betreiber des Vergleichsportals beim Vergleich von Angeboten berücksichtigt wurden.31 Für eine informierte Entscheidung sollen die Namen oder Handelsnamen der in den Vergleich einbezogenen Anbieter, zu denen im Übrigen auch der Plattformbetreiber gehören kann, genügen, die Angabe einer ladungsfähigen Anschrift ist nicht erforderlich. Vergleichsportale, auf denen ein Vertragsabschluss nicht möglich ist oder Online-Marktplätze, die Angebote nicht vergleichen, unterfallen nicht der besonderen Informationspflicht der Nr. 2.32
cc) Nr. 3: Hinweis auf verbundene Unternehmen
Gemäß Art. 246d § 1 Nr. 3 EGBGB muss der Plattformbetreiber den Verbraucher darüber informieren, wenn es sich bei dem Anbieter der Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalte um ein mit ihm verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 AktG handelt; auch diese Pflicht findet sich nicht in der (modernisierten) Verbraucherrechterichtlinie und beruht auf deren Öffnungsklausel in Art. 6a Abs. 2. Dahinter steht der Gedanke des deutschen Gesetzgebers, dass der Marktplatzbetreiber seine eigenen Angebote bevorzugt präsentiert und damit seine Marktmacht missbrauchen könnte; die Begründung33 weist explizit auf die Sektoruntersuchung Vergleichsportale des Bundeskartellamts34 hin. Auf dieses Ranking müsste der Betreiber dann allerdings im Rahmen der Angabe der Hauptparameter zu den Suchergebnissen hinweisen, denn dies wäre ein ganz wesentliches Kriterium für die Darstellung der Ergebnisse.35 Ob diese zusätzliche Pflicht daher tatsächlich notwendig ist, ist zweifelhaft; sie schadet aber auch nicht.
dd) Nr. 4: Hinweis auf Unternehmereigenschaft
Art. 246d § 1 Nr. 4 EGBGB fordert in Umsetzung von Art. 6a Abs. 1 lit. b Verbraucherrechterichtlinie, dass der Betreiber des Online-Marktplatzes darauf hinweisen muss, ob es sich beim Anbieter der Waren, Dienstleistungen oder digitalen Inhalte nach dessen eigener Erklärung gegenüber dem Betreiber um einen Unternehmer i. S. d. § 14 BGB handelt. Die Verbraucherrechterichtlinie ergänzt dies um die Worte „oder nicht“, die im deutschen Recht fehlen. Richtlinienkonform muss daher angegeben werden, ob es sich beim Anbieter um einen Unternehmer oder um keinen Unternehmer handelt. Der deutsche Wortlaut suggeriert, es könnte genügen, einfach keine Information anzugeben, wenn es sich nicht um einen Unternehmer handelt. Dies ist nicht der Fall und im Übrigen vor dem Hintergrund der aus Nr. 5 folgenden Information über die dann fehlenden Verbraucherrechte auch nicht sinnvoll. Die Information gilt wegen § 5b Abs. 1 Nr. 6 UWG als wesentlich und bei deren Fehlen folglich unwiderlegbar als Lauterkeitsverstoß. Eine eigene Prüfpflicht des Plattformbetreibers besteht nicht, es genügt lediglich, wenn dieser von dem Anbieter die Angabe seines Status als Unternehmer oder Verbraucher verlangt.36
ee) Nr. 5: Hinweis auf Verbraucherschutzvorschriften
Art. 246d § 1 Nr. 5 EGBGB knüpft unmittelbar an die Informationspflicht aus Nr. 4 an und setzt Art. 6a Abs. 1 lit. c der Verbraucherrechterichtlinie um. Handelt es sich beim Anbieter nach dessen eigener Erklärung gegenüber dem Online-Marktplatz-Betreiber nicht um einen Unternehmer i. S. d. § 14 BGB, muss der Plattformbetreiber einen Verbraucher darüber informieren, dass die besonderen Vorschriften für Verbraucherverträge auf einen Vertrag mit diesem Anbieter nicht anzuwenden sind. Eine Aufzählung der dem Verbraucher nicht zur Verfügung stehenden Rechte ist nicht erforderlich.37
ff) Nr. 6: Drop-Shipping und andere Dienstleistungen
Art. 246d § 1 Nr. 6 EGBGB soll Art. 6a Abs. 1 lit. d der Verbraucherrechterichtlinie umsetzen.38 Der europäische Normgeber sah eine Notwendigkeit der Information darüber, wie die sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen zwischen dem Anbieter und dem Online-Marktplatzbetreiber aufgeteilt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat dies in Art. 246d § 1 Nr. 6 EGBGB dahingehend geregelt, dass der Plattformbetreiber darüber informieren muss, in welchem Umfang der Anbieter sich des Betreibers des Online-Marktplatzes bei der Erfüllung von Verbindlichkeiten aus dem Vertrag mit dem Verbraucher bedient, und dass der Verbraucher in diesem Fall keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegenüber dem Plattformbetreiber hat. Inhaltlich ist dies nicht ganz dasselbe; die deutsche Formulierung lehnt sich eher an Erwägungsgrund 27 an, der inhaltlich ähnlich ist. Gemeint sind Fälle, in denen der Betreiber gegenüber dem Verbraucher auftritt, und ein Verbraucher somit den Eindruck erhalten könnte, dass der Betreiber sein Vertragspartner ist, nicht der Anbieter, mit dem der Verbraucher tatsächlich einen Vertrag geschlossen hat. Diese Konstellationen sind insbesondere beim Drop-Shipping (z. B. Fulfillment by Amazon) relevant. Einem Verbraucher soll sich hier nicht der Eindruck aufdrängen, dass er sich an den Betreiber des Online-Marktplatzes wenden kann, wenn es zu Problemen beim Kauf kommt.39
gg) Nr. 7: Weiterverkauf von Eintrittskarten
Auch beim Weiterverkauf von Eintrittskarten bestehen nach Art. 246d § 1 Nr. 7 EGBGB besondere Informationspflichten, ohne dass dies in der modernisierten Verbraucherrechterichtlinie gefordert wird; die Regelung beruht auf deren Öffnungsklausel in Art. 6a Abs. 2. Sie hängt inhaltlich mit der neuen Regelung in Nr. 23a des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG zusammen, wonach der Weiterverkauf von Eintrittsberechtigungen als unlauter anzusehen ist, wenn ein Gewerbetreibender diese unter Verwendung automatisierter Verfahren erworben hat, die dazu dienen, für den Verkauf der Eintrittskarten geltende Regelungen zu umgehen. Der Gedanke dahinter ist, dass das für eine bestimmte Veranstaltung stets endliche Angebot nicht künstlich verknappt werden soll, um so Verbraucher dazu zu zwingen, bei Zweitanbietern zum Teil deutlich höhere Preise zu bezahlen.
Erforderlich ist daher eine Information des Verbrauchers darüber, wie hoch der Veranstalter selbst den konkreten Preis für genau diese Eintrittsberechtigung40 festgelegt hat. Der Verbraucher soll auf diese Weise erkennen können, welche Aufschläge der Weiterverkäufer auf diesen ursprünglichen Preis gemacht hat.41 Wurde kein Preis festgelegt, weil es sich um ein Ticket aus einem Abonnement oder eine Freikarte handelt, ist auch darauf hinzuweisen. Der Betreiber des Online-Marktplatzes hat diese Informationen so anzugeben, wie sie der Weiterverkäufer ihm zur Verfügung gestellt hat. Auch hier besteht für den Plattformbetreiber – wie auch bei der Unternehmereigenschaft – keine Verpflichtung zur Überprüfung der Angaben des Anbieters. Gleichzeitig ist der Betreiber allerdings verpflichtet, zu prüfen, ob überhaupt eine Information dazu vorliegt, andernfalls soll der Anbieter sein Angebot gar nicht erst auf der Plattform veröffentlichen dürfen.42 Die Verpflichtungen gelten für einen eigenen Verkauf von Eintrittsberechtigungen des Online-Marktplatzinhabers selbst entsprechend.
c) Formale Anforderungen an die Informationspflichten
Die formalen Anforderungen an die vorgenannten Informationspflichten sind in Art. 246d § 2 EGBGB geregelt. Die Informationen müssen vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers in klarer und verständlicher und in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zur Verfügung gestellt werden. Insoweit kann wohl auf die Rechtsprechung zu Art. 246a § 4 EGBGB zurückgegriffen werden.43 Nicht ausreichend ist eine Angabe der Informationen in AGB oder ähnlichen Vertragsdokumenten.44 Das Transparenzgebot und das Gebot der mediengerechten Kommunikation verlangen viel mehr, dass die Informationen ohne Weiteres für den Verbraucher auffindbar sein müssen, etwa über einen „sprechenden Link“.45
Abs. 2 verlangt zudem, dass die Ranking- und Anbieterinformationen nach § 1 Nr. 1 und 2 in einem bestimmten Bereich der Online-Benutzeroberfläche zur Verfügung gestellt werden, der von der Webseite, auf der die Angebote angezeigt werden, unmittelbar und leicht zugänglich ist. Gemeint ist damit ein sprechender Link, der von jeder Unterseite des Online-Marktplatzes über maximal zwei Klicks46 erreichbar ist.
4. Verbotstatbestände, Art. 246e EGBGB
Der Gesetzgeber hat in Art. 246e § 1 EGBGB insgesamt 15 Verbotstatbestände eingeführt, die, sofern diese vorsätzlich oder fahrlässig verletzt werden, gemäß § 2 mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 4 % des Jahresumsatzes geahndet werden können. Sachlich zuständig für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit ist gem. § 2 Abs. 4 das Bundesamt für Justiz.
Hintergrund für die Einführung dieser Vorschrift ist das Bestreben des Europäischen Gesetzgebers, verstärkt auf ein öffentlich-rechtliches Kooperationsnetz bei der Durchsetzung von Verbraucherrechten zu setzen.47 Aus diesem Grund wurde die Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden48 eingeführt (im Folgenden „CPC-VO“), während mit der Modernisierungsrichtlinie Bußgeldvorschriften i. S. d. Art. 9 Abs. 5 CPC-VO u. a. in die Klausel-Richtlinie und die Verbraucherrechterichtlinie eingeführt wurden.
a) Verletzung von Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit Verbraucherverträgen
Voraussetzung des Art. 246e EGBGB ist die Verletzung von Verbraucherinteressen im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag i. S. d. § 310 Abs. 3 BGB. Nicht erforderlich ist, dass der Verbrauchervertrag wirksam ist.49 Wann eine solche Verletzung vorliegt, regelt Abs. 2 in den Nummern 1 bis 15, die die im BGB verankerten verbraucherschützenden Vorschriften abschließend aufzählen, deren Verletzung ein Bußgeld zur Folge haben kann. Speziell für die Klausel-Richtlinie hat der deutsche Gesetzgeber dabei in Art. 246e § 1 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB von der in Art. 8b Abs. 2 der Klausel-Richtlinie vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sanktionierung auf die Fälle zu beschränken, in denen die Verwendung oder Empfehlung von AGB nach § 309 BGB unwirksam ist oder durch rechtskräftiges Urteil aufgrund einer Verbandsklage untersagt wurde.50
b) Weitverbreiteter Verstoß oder weitverbreiteter Verstoß mit Unions-Dimension
Erforderlich ist zudem ein weitverbreiteter Verstoß oder ein weitverbreiteter Verstoß mit Unions-Dimension gemäß Art. 3 Nr. 3 und Nr. 4 der CPC-VO. Die Handlung oder Unterlassung, die gegen unionsrechtliche Verbraucherschutzvorschriften verstößt, muss sich daher grundsätzlich in mindestens drei Mitgliedstaaten nachteilig auf die Kollektivinteressen von Verbrauchern auswirken bzw. in mindestens zwei Dritteln der Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens zwei Drittel der Bevölkerung der Union ausmachen. Bußgeldbewehrt sind, so Art. 246e § 1 Abs. 3 EGBGB, auch in sonstiger Weise grenzüberschreitende Verstöße. Nicht erfasst sind rein inländische Verstöße.
5. Änderungen beim Widerrufsrecht
a) Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen
356 Abs. 4 BGB, der das vorzeitige Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen regelt, wurde vollständig neu gefasst. Der Gesetzgeber macht dabei von einer Öffnungsklausel in der geänderten Verbraucherrechterichtlinie Gebrauch.
Nach der Neuregelung in § 356 Abs. 4 Nr. 1 BGB erlischt das Widerrufsrecht bei Verträgen über die Erbringung von Dienstleistungen, die den Verbraucher nicht zur Zahlung eines Preises verpflichten (bei denen der Verbraucher also z. B. i. S. d. § 312 Abs. 1a BGB mit Daten bezahlt), wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat. Folge ist, dass ein Verbraucher in diesem Fall eine weitere Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten nicht mehr mithilfe des Widerrufsrechts untersagen kann. Die datenschutzrechtlichen Rechte (Widerruf, Widerspruch) bleiben davon unberührt. Von der Vorschrift nicht umfasst sind Dauerschuldverhältnisse (bspw. zur Nutzung einer Social-Media-Plattform), welche niemals vollständig erbracht sind,51 mit der Folge, dass insoweit ein zeitlich unbeschränktes Widerrufsrecht besteht.52
Hat sich der Verbraucher hingegen zur Zahlung eines Preises verpflichtet, erlischt gemäß § 356 Abs. 4 Nr. 2 lit. a bis c BGB das Widerrufsrecht unter den gleichen, bislang in § 356 Abs. 4 BGB geregelten Bedingungen. Insoweit ergeben sich keine Änderungen zur bisherigen Rechtslage.
356 Abs. 4 Nr. 3 BGB regelt das vorzeitige Erlöschen des Widerrufsrechts bei einem Vertrag, bei dem der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um Reparaturarbeiten auszuführen. Die Neuregelung umfasst auch Folgearbeiten, die der Unternehmer anlässlich eines solchen Besuchs aufgrund neuer vertraglicher Vereinbarungen vornimmt und damit auch Leistungen nach § 312g Abs. 2 Nr. 11 Hs. 2 BGB.53 Das Widerrufsrecht des Verbrauchers erlischt mit der vollständigen Erbringung der Dienstleistung, wenn der Verbraucher die in Nr. 2 lit. a (ausdrückliche Zustimmung, dass der Unternehmer mit der Erbringung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt) und b (Übermittlung der Zustimmung auf einem dauerhaften Datenträger bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag) genannten Voraussetzungen erfüllt. Nr. 3 verweist auf die vollständige Nr. 2 lit. b, sodass die Bestätigung auf einem dauerhaften Datenträger nur bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen notwendig ist und nicht etwa, wenn der Vertrag bereits vorab telefonisch geschlossen wurde. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass sein Widerrufsrecht mit vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer erlischt, denn Nr. 3 verweist ausdrücklich nicht auf Nr. 2 lit. c.
Ungeklärt ist das Verhältnis zu § 312g Abs. 2 Nr. 11 Hs. 1 BGB. Danach sind Verträge, bei denen der Verbraucher den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert hat, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen, vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Die einzige Unterscheidung zwischen dem Ausschluss des Widerrufsrechts in 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB und den besonderen Regelungen in § 356 Abs. 4 Nr. 3 BGB ist folglich das Wort „dringend“.
Keine Änderungen gibt es bei Verträgen über Finanzdienstleistungen. § 356 Abs. 4 Nr. 4 BGB entspricht § 356 Abs. 4 S. 3 BGB in der bisherigen Fassung.
b) Erlöschen des Widerrufsrechts bei nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten
356 Abs. 5 BGB regelt das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger bereitgestellt werden und unterscheidet nunmehr danach, ob sich der Verbraucher zur Zahlung eines Preises verpflichtet hat. Hat sich der Verbraucher für die Bereitstellung des digitalen Inhalts nicht zur Zahlung eines Preises verpflichtet, erlischt gemäß Nr. 1 das Widerrufsrecht bereits dann, wenn der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat. Die weiteren datenschutzrechtlichen Rechte des Verbrauchers bleiben auch hier unberührt.
Hat sich der Verbraucher hingegen zu einer Preiszahlung verpflichtet, erlischt gemäß Nr. 2 das Widerrufsrecht, wenn der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Vertragserfüllung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt (lit. a), der Verbraucher seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass durch seine Zustimmung mit Beginn der Vertragserfüllung sein Widerrufsrecht erlischt (lit. b), und der Unternehmer dem Verbraucher eine Bestätigung gemäß § 312f BGB zur Verfügung gestellt hat (lit. c). Im Unterschied zu den Dienstleistungen kommen bei den digitalen Inhalten folglich noch die Verpflichtung aus § 312f BGB hinzu.
Sofern digitale Inhalte auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, gilt das Widerrufsrecht für Waren wie bisher.
c) Rechtsfolgen des Widerrufs
Die Rechtsfolgen des Widerrufs bei der Lieferung von Waren und der Erbringung von Dienstleistungen befinden sich nach wie vor in § 357 BGB, jedoch mit einigen wesentlichen Änderungen. Der bisherige Abs. 5 ist nunmehr in Abs. 6 enthalten. Die bislang in Abs. 6 enthaltenen Regelungen zu den Rückversandkosten wurden ebenfalls überarbeitet.
Nach dem neuen Abs. 5 trägt der Verbraucher die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren, wenn der Unternehmer den Verbraucher zuvor von dieser Pflicht unterrichtet hat (vgl. Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EGBGB) und der Unternehmer nicht erklärt hat, die Rückversandkosten selbst zu tragen. Insoweit gibt es keine Änderung zu § 357 Abs. 6 S. 1 und 2 BGB a. F. Gleiches gilt für den neuen Abs. 7, der inhaltlich identisch mit § 357 Abs. 6 S. 3 BGB ist. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen, bei denen die Waren zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zur Wohnung des Verbrauchers gebracht worden sind, ist der Unternehmer verpflichtet, die Waren auf eigene Kosten abzuholen, wenn die Waren so beschaffen sind, dass sie nicht per Post zurückgesandt werden können.
Neu ist hingegen Abs. 8, wonach für die Rechtsfolgen des Widerrufs von Verträgen über die Bereitstellung digitaler Produkte § 327p BGB entsprechend gilt, der das Weiterbenutzungsrecht nach Vertragsbeendigung regelt. Hiervon unberührt bleibt eine etwaige Pflicht zur Rücksendung digitaler Inhalte auf körperlichen Datenträgern nach § 357 Abs. 1 BGB.54
d) Wertersatz
Die Regelungen zum Wertersatz wurden aus § 357 Abs. 7 bis 9 BGB a. F. herausgenommen und in einen neuen § 357a BGB überführt.
357a Abs. 1 entspricht dem bisherigen § 357 Abs. 7 BGB. Wertersatz ist daher nur dann zu leisten, wenn der Wertverlust auf einen Umgang mit der Ware zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendig war und der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB über dessen Widerrufsrecht unterrichtet hat. Die bisherige Rechtslage bleibt damit unverändert, sodass das „Prüfen“ auch ein „Ausprobieren“ umfasst, wenn dies im stationären Handel – auf den Erwägungsgrund 47 der Verbraucherrechte-Richtlinie ausdrücklich Bezug nimmt – üblich ist.55 Dazu gehört auch der Aufbau des Produkts, wenn es anders nicht getestet werden kann.56
Sprachlich neu gefasst wurde der Wertersatz für Dienstleistungen (§ 357 Abs. 8 BGB a. F.) im neuen § 357a Abs. 2 BGB. Inhaltlich wurde der Anwendungsbereich auf solche Verträge beschränkt, für die eine Zahlung des Verbrauchers vorgesehen ist. Für Verträge, die der Verbraucher gar nicht oder mit seinen personenbezogenen Daten bezahlt, scheidet eine Wertersatzpflicht für die bis zum Widerruf erbrachten Dienstleistungen grundsätzlich aus.
Der neue § 357a Abs. 3 BGB entspricht dem bisherigen § 357 Abs. 9 BGB. Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Bereitstellung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, so hat er keinen Wertersatz zu leisten.
e) Muster-Widerrufsbelehrung und Muster-Widerrufsformular
Geändert wurde auch die Muster-Widerrufsbelehrung in Anlage 1 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB. Diese enthält nicht mehr den Hinweis auf die Nutzung von Telefaxgeräten. Dementsprechend wurde auch der Gestaltungshinweis 2 geändert, wonach die Telefaxnummer nicht mehr anzugeben ist. Telefonnummer und E-Mail-Adresse sind hingegen immer anzugeben.
Im Muster-Widerrufsformular gemäß Anlage 2 zu Art. 246a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB ist im Gleichlauf mit der Musterwiderrufsbelehrung ebenfalls der Hinweis auf die Telefaxnummer entfallen.
III. Ausblick auf die Umsetzung im UWG und in der PAngV
Auch die PAngV und das UWG haben durch die Modernisierungsrichtlinie zahlreiche praxisrelevante Änderungen erfahren.
Der nunmehr in § 4 PAngV geregelte Grundpreis ist nicht mehr „in unmittelbarer Nähe des Gesamtpreises“ anzugeben, sondern (nur noch) „unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar“. Eine gute Erkennbarkeit soll nach dem Willen des Verordnungsgebers aber nach wie vor nur gegeben sein, wenn Gesamtpreis und Grundpreis auch weiterhin auf einen Blick wahrnehmbar sind.57 Die in § 5 Abs. 1 PAngV geregelten Mengenangaben betragen 1 kg, 1 l, 1 m, 1 m2 oder 1 m3. Nur bei loser Ware darf gemäß Abs. 2 der Grundpreis pro 100 g bzw. ml angezeigt werden, soweit dies der allgemeinen Verkehrsauffassung entspricht. Neu ist schließlich § 11 PAngV, wonach bei jeder Bekanntgabe von Preisermäßigungen für Waren auch der niedrigste Gesamtpreis angegeben werden muss, den der Unternehmer innerhalb der vorangegangenen 30 Tage gegenüber Verbrauchern angewendet hat.58
Das UWG wurde in § 2 UWG um die neuen Begriffsbestimmungen des „Online-Markplatzes“ und des „Rankings“ erweitert, § 5 und § 5a UWG wurden sowohl redaktionell als auch inhaltlich überarbeitet. § 5 Abs. 3 Nr. 2 UWG enthält eine Neuregelung zur sog. Doppelqualität von Waren („Dual Quality“), wonach die Vermarktung einer Ware in einem Mitgliedstaat als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Ware irreführend ist, obwohl sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht durch legitime und objektive Faktoren gerechtfertigt ist. § 5a Abs. 4 S. 2 UWG regelt das sogenannte Influencer-Marketing. Ein kommerzieller Zweck liegt danach bei einer Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens nicht vor, wenn der Handelnde kein Entgelt oder keine ähnliche Gegenleistung für die Handlung von dem fremden Unternehmen erhält oder sich versprechen lässt, wobei aber Gegenteiliges gemäß § 5a Abs. 4 S. 3 UWG vermutet wird.59 Hervorzuheben ist § 9 Abs. 2 UWG, der einen unmittelbaren Anspruch auf Schadensersatz eines Verbrauchers gegen einen unlauter handelnden Unternehmer in das UWG einführt. Dies stellt zwar keinen Paradigmenwechsel60 im Lauterkeitsrecht dar, das erst seit 2004 nur dem Schutz von kollektiven Verbraucherinteressen dient; ob der neue § 9 Abs. 2 UWG europarechtskonform umgesetzt wurde, ist allerdings zweifelhaft.61
IV. Fazit
Die neuen Vorschriften bringen aus verbraucherschutzrechtlicher Sicht mehr Transparenz, lösen aber für Unternehmer einen nicht zu unterschätzenden Handlungsbedarf aus. Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten besteht aufgrund der neuen Bußgeldregelungen auch ein erhöhtes Sanktionsrisiko. Insbesondere die Informationspflichten für Online-Marktplätze sind grundsätzlich zu begrüßen und stellen eine sinnvolle und notwendige Reaktion auf die Herausforderungen des heutzutage unverzichtbaren Online-Handels dar, der in den letzten Jahren speziell durch die Corona-Krise einen kräftigen Wachstumsschub erfahren hat. Bedauerlich ist, dass notwendige Anpassungen im Widerrufsrecht nicht den Weg aus dem Vorschlag zum „New Deal for Consumers“ in die Modernisierungsrichtlinie geschafft haben. Sie wären dringend notwendig gewesen, um einen sorglosen Umgang mit Waren durch Verbraucher zu verhindern und um so das Thema Nachhaltigkeit im E-Commerce zu stärken.
1 BGBl. I 2021, S. 3483 ff.
2 BGBl. I 2021, S. 3504 ff.
3 BGBl. I 2021, S. 4921 ff.
4 Dazu ausführlich Schneider/Conrad, K&R 2022, 225 ff.; Buchmann/Panfili, K&R 2022, 232 ff.
5 Vgl. Begründung, BT-Drs. 19/27653, S. 34 f.
6 RL (EU) 2018/770 v. 20. 5. 2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen.
7 Dazu ausführlich Buchmann/Panfili, K&R 2022, 159 ff.
8 BT-Drs. 19/27655, S. 33.
9 BT-Drs. 19/27655, S. 33.
10 BT-Drs. 19/27655, S. 33.
11 BT-Drs. 19/27655, S. 33.
12 BT-Drs. 19/27655, S. 33.
13 BGBl. I 2021, S. 3433.
14 Ausführlich Buchmann/Panfili, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner, Das neue Schuldrecht, 2022, S. 227 ff.
15 VO (EU) 2019/1150 v. 20. 6. 2019.
16 Omsels, WRP 2022, 275, 275; Europäische Kommission, Leitlinien zur Transparenz des Rankings gemäß der VO (EU) 2019/1150, ABl. 2020/C/424/1.
17 Alexander, MMR 2021, 690, 691; Omsels, WRP 2022, 275, 277.
18 Vgl. dazu auch Schmidt, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 15.
19 BT-Drs. 19/27655, S. 28.
20 BT-Drs. 19/27655, S. 28.
21 BT-Drs. 19/27655, S. 28.
22 BT-Drs. 19/27655, S. 28.
23 Zum Unterschied zu einem Online-Vermittlungsdienst i. S. d. Art. 2 Nr. 2 VO (EU) 2019/1150: Omsels, WRP 2022, 275, 276.
24 Diese ergeben sich aus der Art des Vertrags (z. B. Fernabsatzvertrag) oder dem Vertragstyp (z. B. Vertrag über eine Finanzdienstleistung).
25 BT-Drs. 19/27655, S. 35.
26 BT-Drs. 19/27655, S. 35.
27 BT-Drs. 19/27655, S. 35.
28 BT-Drs. 19/27655, S. 35.
29 BT-Drs. 19/27655, S. 36.
30 BT-Drs. 19/27655, S. 36.
31 Vgl. dazu auch Schmidt, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 20.
32 BT-Drs. 19/27655, S. 36.
33 BT-Drs. 19/27655, S. 36.
34 BKartA, V-21/17, April 2019: Sektorenuntersuchung Vergleichsportale.
35 Ähnlich Schmidt, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 20.
36 BT-Drs. 19/27655, S. 36; daran wir der Plattformbetreiber selbst ein Interesse haben, vgl. Schmidt, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 21.
37 ErwG 27 der Modernisierungsrichtlinie spricht ausdrücklich von einem „kurzen Hinweis“.
38 BT-Drs. 19/27655, S. 37.
39 BT-Drs. 19/27655, S. 37.
40 Schmidt, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 22.
41 BT-Drs. 19/27655, S. 37.
42 BT-Drs. 19/27655, S. 37.
43 BT-Drs. 19/27655, S. 37.
44 ErwG 27 der Modernisierungsrichtlinie.
45 Föhlisch, in: Borges/Hilber, BeckOK IT-Recht, 5. Ed. 1.1.2022, EGBGB Art. 246a § 4 Rn. 9.
46 Schmidt, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 23.
47 Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 251.
48 VO (EU) 2017/2394.
49 Schubert/Schmitt/Jacobs, BKR 2021, 689, 681.
50 BT-Drs. 19/27655, S. 38.
51 BT-Drs. 19/27655, S. 29.
52 Föhlisch, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 108.
53 BT-Drs. 19/27655, S. 30.
54 Föhlisch, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 118.
55 Föhlisch, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 14), S. 119.
56 BGH, 3. 11. 2010 – VIII ZR 337/09, K&R 2011, 38 ff., m. Anm. Buchmann.
57 BR-Drs. 669/21, S. 30.
58 Ausführlich zur neuen PAngV Buchmann/Sauer, WRP 2022, Heft 5 (erscheint zeitlich mit diesem Heft).
59 Siehe dazu auch die jüngsten Urteile des BGH: BGH, 9. 9. 2021 – I ZR 90/20, K&R 2021, 797 ff. – Influencer I, BGH, 9. 9. 2021 – I ZR 125/20, K&R 2021, 806 ff. – Influencer II und vom BGH, 13. 1. 2022 – I ZR 35/21, K&R 2022, ■ ff. – Influencer III.
60 Buchmann, WRP 2021, Editorial Heft 9.
61 Die Neuerungen im UWG sind Gegenstand von Teil 5 der Beitragsserie (geplant für das folgende Heft 6).