Kommunikation & Recht (K&R), 2022, 73: „Das neue Schuldrecht – Teil 1: Verbrauchervertrags- und Verbrauchsgüterkaufrecht bei digitalen Produkten – Zwei Regelungsregime im Vergleich“

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Verbrauchervertrags- und Verbrauchsgüterkaufrecht bei digitalen Produkten – Zwei Regelungsregime im Vergleich

Kurz und Knapp

Die Normgeber in Europa und Deutschland haben dem Rechtsanwender einiges beschert, insbesondere bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern. Der Beitrag hat zum Ziel, die wesentlichen Änderungen im Verbrauchervertragsrecht und im Verbrauchsgüterkauf bei digitalen Produkten systematisch so aufzubereiten, dass der geneigte Leser nach der Lektüre des Beitrags einen Überblick über die Unterschiede erhalten hat.

I. Einführung und Überblick

Um einen Überblick über das neue Recht zu erhalten, muss man sich zunächst die verschiedenen Gesetze vor Augen führen und welche Änderungen sie zu welchem Zeitpunkt mit sich bringen.

1. Gesetz für faire Verbraucherverträge

Das Gesetz für faire Verbraucherverträge1 vom 10. 8. 2021 dient ausnahmsweise nicht der Umsetzung einer Richtlinie und führt einen neuen § 308 Nr. 8 BGB (Abtretungsausschluss), einen neuen § 309 Nr. 9 BGB (Vertragslaufzeit; Kündigungsfrist), einen neuen § 312k BGB (Kündigungsbutton), einen neuen § 7a UWG (Einwilligung in Telefonwerbung) sowie einen neuen § 20 UWG (Bußgeldvorschriften) ein.

308 Nr. 8 BGB, § 7a und § 20 UWG sind bereits am 1. 10. 2021 in Kraft getreten. § 309 Nr. 9 BGB n. F. tritt am 1. 3. 2022 in Kraft, § 312k BGB n. F. am 1. 7. 2022. Gemäß der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 60 EGBGB sind § 308 Nr. 8 BGB und § 309 Nr. 9 BGB in der Fassung des Tages anzuwenden, an dem das Schuldverhältnis entstanden ist. § 312k BGB n. F. ist hingegen ab dem 1. 7. 2022 auch auf Schuldverhältnisse anzuwenden, die vor diesem Tag entstanden sind.

2. Gesetz zur Umsetzung der Digitale-Inhalte-Richtlinie

Das Gesetz2 vom 25. 6. 2021 dient der Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen (EU 2019/770 – Digitale-Inhalte-Richtlinie). Es führt Änderungen in § 312 Abs. 1 und Abs. 1a BGB (Anwendungsbereich) den §§ 327 - 327u (Verbraucherverträge über die Bereitstellung digitaler Produkte), § 445c (Rückgriff bei Verträgen über digitale Produkte), § 475a (Verbrauchsgüter Kaufvertrag über digitale Produkte), § 516a (Verbrauchervertrag über die Schenkung digitaler Produkte), § 548a (Miete digitaler Produkte), § 578b (Verträge über die Miete digitaler Produkte) und § 650 (Verbrauchervertrag über die Herstellung digitaler Produkte) ein.

Alle Vorschriften dieses Gesetzes treten am 1. 1. 2022 in Kraft. Gemäß der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 57 EGBGB gelten die Vorschriften auf Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung eines digitalen Produkts zum Gegenstand haben und ab dem 1. 1. 2022 abgeschlossen werden, aber nach dessen Abs. 2 auch, wenn der Vertrag vor dem 1. 1. 2022 abgeschlossen wurde und die Bereitstellung ab dem 1. 1. 2022 erfolgen soll. Lediglich die §§ 327r (Änderungen an digitalen Produkten), § 327t und 327u BGB n. F. (Unternehmerrückgriff bei der Lieferung von digitalen Produkten an Verbraucher) gelten nur für solche Verträge, die ab dem 1. 1. 2022 geschlossen werden.

3. Gesetz zur Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie

Das Gesetz3 vom 25. 6. 2021 dient der Umsetzung der Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs (EU 2019/771 – Warenkauf-Richtlinie). Es führt Änderungen in § 434 (Sachmangel), § 445a (Rückgriffsrecht des Unternehmers), § 474 Abs. 2 (Verbrauchsgüterkauf), § 475 (anwendbare Vorschriften beim Verbrauchsgüterkauf), § 475b - 475e (Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen, Rücktritt und Schadensersatz, Verjährung), § 476 (abweichende Vereinbarungen beim Verbrauchsgüterkauf), § 477 (Beweislastumkehr) und § 479 (Sonderbestimmungen für Garantien) ein.

Alle Vorschriften dieses Gesetzes treten am 1. 1. 2022 in Kraft. Gemäß der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 58 EGBGB sind die Vorschriften des alten Rechts für Kaufverträge anzuwenden, die vor dem 1. 1. 2022 geschlossen worden sind.

4. Gesetz zur Änderung des BGB und des EGBGB

Das Gesetz4 vom 10. 10. 2021 dient der Umsetzung der sogenannten Modernisierungsrichtlinie (EU 2019/2161). Es führt Änderungen im § 312 Abs. 8 BGB (Ausnahme für die Beförderung von Personen), § 312k (allgemeine Informationspflichten für Betreiber von online-Marktplätzen), 356 Abs. 4 und 5 (Erlöschen des Widerrufsrechts bei Dienstleistungen und digitalen Inhalten), § 357 Abs. 5 - 9 (Rücksendekosten, Rückholung der Ware, Rechtsfolgen bei Widerruf bei Bereitstellung digitaler Produkte) und § 357a (Wertersatz nach Widerruf) ein. Im EGBGB erfolgen Änderungen in Art. 246 und 246a (Informationspflichten) und es werden Art. 246d (allgemeine Informationspflichten für Betreiber von online-Marktplätzen) und Art. 246e EGBGB n. F. (Verbote und Bußgeldvorschriften) eingeführt. Alle Vorschriften treten am 28. 5. 2022 in Kraft.

5. Gesetz zur Änderung des UWG und der GewO

Das Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht5 vom 10. 10. 2021 führt erhebliche Änderungen im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sowie eine Änderung in der Gewerbeordnung ein. Neben dem Anwendungsbereich und den Begriffsbestimmungen werden die Vorschriften zur Irreführung und zur Irreführung durch Unterlassen (§ 5 und § 5a UWG) neu gefasst. Neu geregelt werden in § 5b wesentliche Informationen, die ein Unternehmer zur Verfügung stellen muss, ein Verbot der Verletzung von Verbraucherinteressen durch unlautere geschäftliche Handlungen, wenn es sich um einen weitverbreiteten Verstoß handelt, enthält der neue § 5c UWG, die Neueinführung des Verbraucherschadensersatzes in § 9 Abs. 2 UWG, eine Neufassung der Verjährungsregelungen in § 11, sowie eine Neufassung des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. In der Gewerbeordnung werden die Vorschriften zum Wanderlager in § 56a GewO n. F. neu gefasst.

Das Gesetz tritt insgesamt am 28. 5. 2022 in Kraft.

6. Preisangabenverordnung

Die Preisangabenverordnung6 musste ebenfalls aufgrund der Modernisierungsrichtlinie überarbeitet werden. Die Bundesregierung hat dies zum Anlass genommen, die Preisangabenverordnung insgesamt neu zu fassen. Es gibt nun neue Regelungen für die Bekanntmachung von Preisermäßigungen von Waren (§ 11), es gibt klarstellende Regelungen zur Angabe des Grundpreises (§§ 4 und 5) und zur Angabe des Gesamtpreises (§ 3). Die Verordnung tritt ebenfalls am 28. 5. 2022 in Kraft.

II. Das neue Verbrauchervertrags- und Verbrauchsgüterkaufrecht

Bei der Anwendung des neuen Rechts muss zunächst geklärt werden, welche Regelungen anzuwenden sind. Dabei muss danach unterschieden werden, ob es sich um einen Verbrauchervertrag handelt, denn für Verbraucherverträge gelten besondere Bestimmungen, sei es in den §§ 327 ff. BGB oder im besonderen Schuldrecht.

1. Einordnung als Verbrauchervertrag

Bei Verbraucherverträgen ist nunmehr zu differenzieren, ob die Vorschriften im allgemeinen Schuldrecht (§§ 327 ff.) oder im Besonderen Schuldrecht (§§ 474 ff. (Kaufvertrag), § 516a (Schenkung), §§ 548a, 578b (Miete), § 620 Abs. 4 (Dienstleistungen) oder § 650 (Werkliefervertrag) anzuwenden sind. Welche der Vorschriften Anwendung findet, hängt insbesondere von drei Tatbestandsvoraussetzungen ab: es muss sich zunächst zwingend um einen Verbrauchervertrag handeln, dann ist zu differenzieren, ob der Verbraucher als Gegenleistung einen Preis bezahlen oder personenbezogene Daten bereitstellen muss, und ob es sich bei der Leistung des Unternehmers um ein digitales Produkt handelt.

a) Verbrauchervertrag

Beim Verbrauchervertrag ergeben sich zur bisherigen Rechtslage keine Änderungen, auch wenn der Verweis auf § 310 Abs. 3 BGB aus § 312 Abs. 1 BGB gestrichen wurde und auch § 327 Abs. 1 einen Verweis auf die Legaldefinition nicht enthält.7 Es bleibt dabei, dass es sich um einen Vertrag zwischen einem Unternehmer (§ 14 BGB) und einem Verbraucher (§ 13 BGB) handeln muss.

Mit Blick auf die Bereitstellung personenbezogener Daten durch den Verbraucher als Gegenleistung (dazu sogleich) erlangt die Frage des Vertragsschlusses ganz erhebliche Bedeutung. Diesen regelt die Digitale-Inhalte-Richtlinie nicht; wann ein Vertrag zustande kommt, bleibt dem nationalen Gesetzgeber überlassen. Hier gelten weiter die §§ 145 ff. BGB. Entscheidend ist, ob ein Rechtsbindungswille vorliegt. Zieht man die Rechtsprechung des BGH8 heran, so kommt es entscheidend auf die Gesamtumstände an. Legt man diese wie in der Gesetzesbegründung9 aus, würde faktisch jeder Webseiten-Besuch eines Verbrauchers dazu führen, dass ein Vertrag zwischen dem Webseiten-Betreiber und dem Verbraucher geschlossen wird.10 Die Auswirkungen einer solchen Auslegung wäre massiv.

b) Gegenleistung

Von neuer Relevanz ist, ob und wenn ja in welcher Form der Verbraucher durch den Vertrag zu einer Gegenleistung verpflichtet wird. Hier zeigen sich besonders die Probleme, die dadurch entstanden sind, dass das neue Recht nicht mehr trennscharf zwischen allgemeinem und besonderem Schuldrecht unterscheidet.

327 Abs. 1 BGB eröffnet den Anwendungsbereich der folgenden neuen Vorschriften über digitale Produkte, wenn ein digitales Produkt gegen „Zahlung eines Preises“ Gegenstand des Vertrags ist. Gemeint ist hier im Sinne von Art. 2 Nr. 7 der Digitale-Inhalte-Richtlinie im wesentlichen Geld oder die digitale Darstellung eines Werts, dies können elektronische Gutscheine oder E-Coupons sein,11 aber auch Bitcoins und analoge Darstellungen eines Werts wie z. B. Geschenk-, Rabatt- oder Treuepunkte.12 Nicht hingegen fallen andere Leistungen darunter, wie beispielsweise die Werbung eines Neukunden. Sofern im Synallagma die Leistung des Unternehmers und die Zahlung eines Preises stehen, finden sowohl die §§ 327 ff. als auch die korrelierenden Vorschriften im besonderen Schuldrecht (insbesondere § 474 ff. BGB) Anwendung.

Neu ist die ausdrückliche Regelung in § 327 Abs. 3 BGB, wonach die Vorschriften über digitale Produkte auch dann anzuwenden sind, wenn der Verbraucher dem Unternehmer als Gegenleistung personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet. Eine vergleichbare Regelung ist nicht in die Vorschriften im besonderen Schuldrecht übernommen worden (vgl. z. B. den Wortlaut von § 433 Abs. 2 „vereinbarter Kaufpreis“). Auf eine rechtsdogmatische Einordnung des „Bezahlens mit Daten“ hat der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich verzichtet.13 Dies ist nicht unproblematisch.14 Es bleibt die grundsätzliche Frage, ob personenbezogene Daten ein handelbares Gut darstellen, über das der Einzelne wie eine Vermögensposition verfügen kann.15 Bei den personenbezogenen Daten ist auf die Definition in Art. 4 Nr. 1 der DSGVO zurückzugreifen. Unerheblich ist, ob es sich um eine rechtmäßige Verarbeitung handelt, sonst wäre der Verbraucher doppelt bestraft. Die Bereitstellung erfordert keine aktive Übermittlung, es genügt, wenn der Verbraucher die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten zulässt.16 Dazu gehört auch, wenn auf eine Website vom Unternehmer Cookies gesetzt oder Metadaten des Verbrauchers erhoben werden.17 Wie oben dargelegt, würde dies bereits beim Besuch einer Website zu einem Vertragsschluss führen.

Eine Ausnahme sieht § 312 Abs. 1a S. 2 BGB vor, auf den § 327 Abs. 3 verweist. Die Vorschriften der §§ 312 ff. und §§ 327 ff. sind nicht auf solche Verträge anzuwenden, bei denen der Unternehmer die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten ausschließlich zur Erfüllung seiner Leistungspflicht oder an ihn gestellte rechtliche Anforderungen verarbeitet und nicht zu einem anderen Zweck. Erfasst sind hier insbesondere die Fälle, in denen der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt, damit dieser überhaupt seine Leistungspflicht erfüllen kann, z. B. Adressdaten beim Einkauf in einem Onlineshop. Auch hier sind in der Praxis erhebliche Probleme zu erwarten. Onlineshops verwenden in der Regel Cookies. Es muss daher hinsichtlich der anzuwendenden Regelungen unterschieden werden, welche personenbezogenen Daten exakt bereitgestellt werden und wie und zu welchem Zweck diese erhoben wurden.

c) Digitale Produkte und Waren mit digitalen Elementen

Entscheidend für die Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB ist, dass es sich um ein digitales Produkt handelt und nicht um eine Ware mit digitalen Elementen. Der Begriff des digitalen Produkts ist vom deutschen Gesetzgeber in § 327 Abs. 1 S. 1 BGB als Oberbegriff für digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen eingeführt worden. Die Ware mit digitalen Elementen wird in § 327a Abs. 3 S. 1 BGB legaldefiniert, für sie gelten die §§ 327 ff. BGB nicht.

aa) Digitale Produkte, § 327 Abs. 1 S. 1 BGB

Gemäß § 327 Abs. 2 S. 1 BGB sind digitale Inhalte Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden; dies können z. B. Software; Apps, Audio- oder Videodateien, E-Books, digitale Spiele sein, die heruntergeladen werden können.18 Erforderlich sind zwei Kriterien: Die Daten müssen digital erstellt und digital bereitgestellt worden sein. Das digitale Erstellen umfasst auch die Digitalisierung eines ursprünglich analogen Werks.19 Das digitale Bereitstellen bedeutet insbesondere die Möglichkeit des Herunterladens. Typisch für digitale Inhalte ist, dass ein Verbraucher diese auf einem eigenen Endgerät speichern kann und in seiner eigenen Umgebung nutzt.

Digitale Dienstleistungen sind gemäß § 327 Abs. 2 S. 2 BGB solche, die (Nr. 1) die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Daten ermöglichen oder (Nr. 2) die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder von anderen Nutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktion mit diesen Daten ermöglichen. Erfasst werden davon insbesondere Dienste in einer Cloud-Computing-Umgebung, z. B. Plattformen, Streaming-Dienste oder soziale Netzwerke.20 Typisch für digitale Dienstleistungen ist, dass der Verbraucher sich bei dem Diensteanbieter einloggt und diese Dienste in einer fremden Umgebung nutzt.21

Eine Unterscheidung zwischen diesen beiden Formen digitaler Produkte regelt das Gesetz nur bei der Bereitstellung (§ 327b Abs. 3 und Abs. 4 BGB). Wenn auch juristisch ungenau, kann im Wesentlichen daher auf eine trennscharfe Abgrenzung verzichtet werden.

bb) Waren mit digitalen Elementen, § 327a Abs. 3 S. 1 BGB

Die Vorschriften der §§ 327 ff. sind wegen § 327a Abs. 3 S. 1 BGB nicht anzuwenden auf Kaufverträge über Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können. Dies definiert der Gesetzgeber als „Waren mit digitalen Elementen“. Es handelt sich also um einen einheitlichen Vertrag über eine Ware, die ein digitales Produkt enthält (vertragliches Kriterium) und diese Ware kann ihre Grundfunktionen nur i. V. m. dem digitalen Produkt erbringen (funktionales Kriterium).22 Auf diese Verträge finden die Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf (§§ 475a ff. BGB) Anwendung.

cc) Paketverträge und verbundene Verträge

Bei einem Paketvertrags gemäß § 327a Abs. 1 BGB wird ein digitales Produkt gemeinsam mit anderen Sachen bereitgestellt, ohne dass es zu einer inhaltlichen Verbundenheit oder wirtschaftlichen Abhängigkeit kommt.23 Voraussetzung ist lediglich, dass ein Vertrag über verschiedene Leistungen vorliegt. Auf der Rechtsfolgenseite wird so getan, als ob es sich um zwei Verträge handelt. Das digitale Produkt folgt den Vorgaben der §§ 327 ff., die andere Sache den Vorgaben des besonderen Schuldrechts.24

Gleiches gilt gemäß § 327a Abs. 2 BGB für verbundene Verträge. Bei diesen Verträgen enthalten die Sachen digitale Produkte oder sind unmittelbar mit ihnen verbunden. Auch hier sind die §§ 327 ff. BGB auf die Bestandteile des Vertrags anzuwenden, die die digitalen Produkte betreffen. Es soll sichergestellt werden, dass dem Verbraucher bei einem digitalen Produkt immer die Rechte aus den §§ 327 ff. BGB zur Verfügung stehen, ganz gleich, wie der Vertrag vom Unternehmer strukturiert ist; nur so kann eine Umgehung durch den Unternehmer verhindert werden.25

dd) Körperlichen Datenträger, § 327 Abs. 5 BGB

Gemäß § 327 Abs. 5 BGB sind die Vorschriften der §§ 327 ff. BGB auch auf solche Verbraucherverträge anzuwenden, die die Bereitstellung von körperlichen Datenträgern, die ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dienen, zum Gegenstand haben. Ausgenommen davon sind lediglich § 327b (Bereitstellung) und § 327c (Rechte bei unterbliebener Bereitstellung), weil körperliche Sachen nicht bereitgestellt werden; stattdessen gelten hier § 475 Abs. 1 und 2 BGB (Übergabe). Die körperlichen Datenträger müssen digitale Inhalte enthalten, leere Datenträger unterfallen nicht der Regelung. Gemeint sind bespielte DVDs, CDs, USB-Stick und Speicherkarten.26

d) Konsequenzen der Einordnung

Erst die genaue Prüfung der vorstehenden Kriterien führt zur richtigen Einordnung eines Sachverhalts unter das im Einzelfall anzuwendende Recht. Dabei ist zu beachten, dass die §§ 327 ff. BGB keinen neuen Vertragstyp definieren. Dies entspricht dem Ziel27 der Digitalen-Inhalte-Richtlinie, wonach die Einordnung unter einen Vertragstyp dem nationalen Gesetzgeber überlassen werden sollte.28 Die §§ 327 ff. BGB enthalten typenübergreifende Bestimmungen und gelten daher für jede Art von Vertrag.29

Um eine Kollision der Vorschriften aus dem besonderen Schuldrecht mit den neuen Vorgaben in den §§ 327 ff. BGB zu vermeiden, enthalten die jeweiligen Bestimmungen im Besonderen Schuldrecht nun kollisionsähnliche Vorschriften (z. B. § 453, § 475a, § 516a, § 578b, § 650 BGB).

Verträge über digitale Produkte unterliegen künftig ausschließlich den Regelungen der §§ 327 ff. BGB; es spielt weder eine Rolle, unter welchen Vertragstyp sie einzuordnen sind, noch ob es sich um verbundene Verträge oder um Paketverträge handelt oder ob sie auf einem körperlichen Datenträger übergeben oder sonst bereitgestellt oder zugänglich gemacht wurden.

Es kann also sein, dass künftig im Rahmen eines einheitlichen Vertrags verschiedene Rechtsregime (§§ 227 ff. BGB einerseits und die Regelungen aus dem besonderen Schuldrecht und ggf. daran anknüpfend die bisherigen Regelungen im allgemeinen Schuldrecht andererseits) anzuwenden sind.

2. Die unterschiedlichen Regelungen in den §§ 327 ff. und §§ 474 ff. BGB

Der folgende Abschnitt gibt eine Übersicht über die unterschiedlichen Regelungen in den neuen §§ 327 ff. BGB im Vergleich zu den Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs in den §§ 474 ff. BGB.

a) Bereitstellung/Übergabe und Rechtsfolgen bei Unterbleiben

Zunächst werden die Vorschriften zur vollständig unterbliebenen oder zu spät erbrachten Leistung durch den Unternehmer verglichen.

aa) Bereitstellung, §§ 327b; 327c BGB

Handelt es sich um ein digitales Produkt, so ist dieses gemäß § 327b Abs. 1 BGB „bereitzustellen“. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich um einen digitalen Inhalt oder um eine digitale Dienstleistung handelt. Ein digitaler Inhalt ist gemäß § 327b Abs. 3 bereitgestellt, „sobald der digitale Inhalt oder die geeigneten Mittel für den Zugang zu diesem oder das Herunterladen des digitalen Inhalts dem Verbraucher unmittelbar oder mittels einer von ihm hierzu bestimmten Einrichtung zur Verfügung gestellt oder zugänglich gemacht worden ist“. Gemeint ist hier das Verschaffen einer eigenständigen Zugriffsmöglichkeit des Verbrauchers30 in dem Sinne, dass der Verbraucher den digitalen Inhalt in eine von ihm ausgewählte und kontrollierte Umgebung herunterladen kann; stellt der Unternehmer lediglich eine einzige Option zur Verfügung, handelt es sich nicht um eine Auswahl des Verbrauchers. Es dürfen zudem keine weiteren Handlungen des Unternehmers erforderlich sein, damit der Verbraucher den digitalen Inhalt vertragsgemäß nutzen kann.31 Ein Beispiel ist der Download eines digitalen Inhalts auf ein Endgerät des Verbrauchers seiner Wahl.32

Im Gegensatz dazu werden digitale Dienstleistungen gemäß § 327b Abs. 4 BGB bereitgestellt, indem sie „zugänglich“ gemacht werden; dies bedeutet die Nutzungsmöglichkeit der digitalen Dienstleistung durch den Verbraucher in einer fremden Umgebung.33 Der Verbraucher erhält beispielsweise Zugangsdaten, um sich in einem sozialen Netzwerk einzuloggen.

In zeitlicher Hinsicht kann der Verbraucher die Bereitstellung gemäß § 327b Abs. 2 BGB mangels abweichender Vereinbarung „unverzüglich“ verlangen, der Unternehmer sie „sofort“ bewirken. Die vom deutschen Gesetzgeber unterschiedlichen Begriffe sind unglücklich gewählt und irreführend. Der Begriff „unverzüglich“ ist nicht im Sinne von § 121 Abs. 1 S. 1 BGB als „ohne schuldhaftes Zögern“ zu verstehen, sondern muss europarechtlich ausgelegt werden und bedeutet „sofort“.34 Ein Verschuldenselement ist bei der Frage der Bereitstellung folglich nicht enthalten.35

Unterbleibt die vertraglich vereinbarte Bereitstellung, werden die Rechtsfolgen in § 327c BGB geregelt. Kommt der Unternehmer seiner Verpflichtung zur Bereitstellung des digitalen Produkts nicht sofort nach, so muss der Verbraucher ihn zunächst zur Bereitstellung auffordern; eine Fristsetzung ist ausdrücklich nicht erforderlich, da die Leistung ohnehin sofort erfolgen muss. Einer Aufforderung bedarf es dann nicht, wenn diese nach § 327c Abs. 3 BGB entbehrlich ist.

Kommt der Unternehmer der Aufforderung zur Bereitstellung auch nach einer Aufforderung durch den Verbraucher nicht nach, hat der Verbraucher das Recht, den Vertrag zu beenden; dies gilt natürlich auch für den Fall, dass eine Aufforderung entbehrlich ist. Dabei handelt es sich um ein neues Gestaltungsrecht, das das BGB zuvor nicht kannte. Die Folgen der Beendigung regelt § 327c Abs. 3 BGB. Der Verbraucher kann Schadensersatz sowie Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen verlangen; da die europäischen Richtlinien keine Vorgaben zum Schadensersatz gemacht haben, konnte hier auf die bekannten Regelungen in den §§ 280 ff. verwiesen werden.

bb) § 474 ff. BGB

Das Verbrauchsgüterkaufrecht gilt künftig nicht mehr für bewegliche Sachen, sondern ausweislich § 474 Abs. 1 BGB nur noch für Waren im Sinne des §§ 241 Abs. 1 BGB.

Handelt es sich um eine Ware mit digitalen Elementen oder um digitale Inhalte auf einem körperlichen Datenträger, finden die §§ 474 ff. Anwendung. Gemäß § 475a Abs. 1 S. 1 BGB bleibt § 433 Abs. 1 S. 1 BGB für digitale Inhalte auf einem körperlichen Datenträger anwendbar. Für die Waren mit digitalen Inhalten ergibt sich dies aus § 474 Abs. 2 S. 1 BGB. Bei diesen Waren bleibt es also bei der bekannten Übergabe im Sinne des § 446 BGB. Gemäß § 475 Abs. 1 S. 1 hat der Unternehmer mangels anderweitiger ausdrücklicher Vereinbarung seine Leistung lediglich „unverzüglich“ zu erbringen, also abweichend von § 271 Abs. 1 BGB nicht sofort, sondern lediglich ohne schuldhaftes Zögern. Anders als bei § 327b Abs. 2 BGB kennt das Verbrauchsgüterkaufrecht folglich ein Verschuldenselement bei der Leistungserbringung.

Wird die Ware mit digitalen Elementen vom Unternehmer überhaupt nicht übergeben, gelten die Regelungen im allgemeinen Schuldrecht. Der Verbraucher muss gemäß § 323 Abs. 1 BGB eine Frist setzen, sofern nicht gemäß § 323 Abs. 2 BGB eine solche Fristsetzung entbehrlich ist. Richtlinienkonform müsste man wohl auch in diesen Fällen eine Fristsetzung verneinen, weil die Nichtlieferung die schlimmste Form des Mangels ist.

cc) Zwischenergebnis

Stellt ein Unternehmer ein digitales Produkt nicht bereit, so unterscheiden sich die Rechtsfolgen zu einer Ware mit digitalen Elementen insbesondere in der Frage der angemessenen Frist zur Nacherfüllung. Die Rechtsfolgen bei endgültig unterbliebener Leistung sind im Wesentlichen identisch.

b) Mängel und Rechtsfolgen

Andere Regelungen gelten, wenn der Unternehmer die von ihm versprochene Leistung zwar erbringt, allerdings nicht mangelfrei.

aa) Produktmangel, § 327e und Rechtsfolgen, § 327i BGB

Bei den digitalen Produkten wird im neuen Recht zwischen der Nichtbereitstellung (§ 327c BGB) und Produktmängeln (§ 327e BGB) streng unterschieden. Ein digitales Produkt ist frei von Produktmängeln, wenn es zum maßgeblichen Zeitpunkt oder bei einer dauerhaften Bereitstellung im maßgeblichen Zeitraum den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Anforderungen an die Integration entspricht. Die Anforderungen stehen dabei auf einer Stufe. Die subjektiven Anforderungen setzen eine Vereinbarung der Parteien voraus. Diese können über die in § 327 Abs. 2 BGB genannten Merkmale getroffen werden; erforderlich ist dies allerdings nicht. Vereinbaren die Parteien nichts, gelten stets die objektiven Anforderungen, die in § 327 Abs. 3 BGB genannt sind. Der Katalog ist umfangreich. Das digitale Produkt muss sich für die gewöhnliche Verwendung eignen (Nr. 1), eine Beschaffenheit aufweisen, die bei digitalen Produkten derselben Art üblich ist und vom Verbraucher unter Berücksichtigung der Art des digitalen Produkts erwartet werden kann (Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 S. 2: Menge, Funktionalität, Kompatibilität, Zugänglichkeit, Kontinuität und Sicherheit, einschließlich Werbeaussagen in der Vertriebskette), Testversionen oder vor Anzeigen entsprechen (Nr. 3), Zubehör und Anleitungen enthalten, die erwartet werden können (Nr. 4), Aktualisierungen müssen bereitgestellt und Verbraucher darüber informiert werden (Nr. 5), und schließlich muss mangels anderweitiger Vereinbarung stets die neueste verfügbare Version bereitgestellt werden (Nr. 6). Diese objektiven Anforderungen sind zwingender Vertragsbestandteil, sofern nicht die Parteien ausdrücklich eine negative Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, die allerdings wegen § 327h BGB weiteren Anforderungen unterliegt. Schließlich müssen die Anforderungen an die Integration gemäß § 327e Abs. 4 BGB erfüllt sein. Integration bedeutet die Verbindung und Einbindung des digitalen Produkts in die digitale Umgebung des Verbrauchers, damit dieser das digitale Produkt nutzen kann.

Ist das digitale Produkt mangelhaft, kann der Verbraucher gemäß § 327i BGB zunächst nur Nacherfüllung verlangen. Eine Fristsetzung ist dafür nicht erforderlich, gemäß § 327l Abs. 1 S. 2 BGB hat der Unternehmer die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab Kenntnissetzung und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen.36 Eine Besonderheit findet sich in § 327m Abs. 1 Nr. 3 BGB. Ausweislich des Wortlauts der Norm hat der Unternehmer nur eine Möglichkeit, die Sache insgesamt in einen mangelfreien Zustand zu versetzen.37 Zeigt sich folglich nach der Nacherfüllung der gleiche oder auch ein anderer Mangel, berechtigt dies den Verbraucher zur sofortigen Vertragsbeendigung einschließlich der weiteren Sekundärrechte.38 Das Vertrauen des Verbrauchers in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens ist nach Ansicht des Gesetzgebers dann bereits endgültig erschüttert.39 Ist die Nacherfüllung unmöglich oder scheitert diese, stehen dem Verbraucher auf der zweiten Stufe ein Beendigungsrecht (§ 327m Abs. 1 und 2), ein Minderungsrecht (§ 327n BGB) und ein Anspruch auf Schadensersatz oder Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen (§ 327m Abs. 3 BGB) zu.

Ab Erklärung der Vertragsbeendigung ergeben sich für die Parteien besondere Verpflichtungen aus § 327o und § 327p BGB. Sie betreffen die Frage der Gegenleistung und die Rückgabeverpflichtung bereitgestellter körperlicher Datenträger auf entsprechendes Verlangen des Unternehmers. Zudem wird ein Verbot der weiteren Nutzung des digitalen Produkts durch den Verbraucher und der nicht-personenbezogenen Daten des Verbrauchers durch den Unternehmer nach Vertragsbeendigung geregelt. Regelungen zu den personenbezogenen Daten des Verbrauchers enthält das neue Recht nicht, hier gilt ausschließlich die DSGVO.

bb) Sachmangel, § 475b, 475c und Rechtsfolgen, 475d BGB

Die verbraucherkaufrechtlichen Regelungen haben für Waren mit digitalen Elementen in § 475b Abs. 2 BGB eine eigene Definition für den Begriff des Sachmangels erhalten. Danach ist eine Ware mit digitalen Elementen frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang und in Bezug auf eine Aktualisierungspflicht auch während des dafür maßgeblichen Zeitraums den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen, den Montageanforderungen und den Installationsanforderungen entspricht. Hinsichtlich der subjektiven Anforderungen verweist § 475b Abs. 3 Nr. 1 BGB auf § 434 Abs. 2 BGB, wonach es insbesondere auf die vereinbarte Beschaffenheit ankommt, und ergänzt dies durch mögliche Vereinbarungen über Aktualisierungen. Die gleiche Systematik weist § 475b Abs. 4 BGB für die objektiven Anforderungen auf, die Regelungen in § 434 Abs. 3 BGB sind im Wesentlichen aus dem bisherigen Recht, bekannt. Gleiches gilt für § 475b Abs. 6 Nr. 1 BGB und die dort geregelten Montageanforderungen, die sich in § 434 Abs. 4 BGB finden. Den Installationsanforderungen wird gemäß § 475b Abs. 6 Nr. 2 BGB entsprochen, wenn die Installation der digitalen Elemente sachgemäß durchgeführt wurde oder unsachgemäß durchgeführt wurde, dies jedoch nicht im Einflussbereich des Unternehmers lag.

Eine Neuerung enthält § 475c BGB, der den Sachmangel bei Waren mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente regelt. Das Kaufrecht ist eigentlich auf einen einmaligen Leistungsaustausch ausgelegt. Die Warenkauf-Richtlinie ordnet allerdings auch solche Verträge ausdrücklich dem Kaufrecht zu, sodass dem deutschen Gesetzgeber insoweit kein Spielraum verblieb.40 In diesen Fällen müssen die digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für einen Zeitraum von zwei Jahren ab der Ablieferung der Ware frei von Sachmängeln (§ 475b Abs. 2 BGB) sein.

Auch im Verbrauchsgüterkaufrecht bedarf es künftig keiner Fristsetzung mehr, wenn die Ware mangelhaft ist. Ein Verbraucher muss den Unternehmer lediglich über den Mangel unterrichten. Ab diesem Zeitpunkt hat der Unternehmer innerhalb einer angemessenen Frist nach zu erfüllen, § 475d Abs. 1 Nr. 1 BGB. Auch im Verbrauchsgüterkaufrecht soll wegen § 475d Abs. 1 Nr. 2 BGB der Verbraucher vom Vertrag zurücktreten dürfen, wenn sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein – gegebenenfalls auch ihr weiterer – Mangel zeigt. Anders als in der Digitale-Inhalte-Richtlinie findet sich in Erwägungsgrund 52 der Warenkauf-Richtlinie allerdings eine Einschränkung, wonach in bestimmten Fällen durchaus ein Recht des Unternehmers bestehen soll, auch mehrfach nachbessern zu können.41 Es bestehen erhebliche Bedenken, ob die Regelung richtlinienkonform ist.

c) Die Pflicht zur Aktualisierung

Vollständig neu ist die Verpflichtung des Unternehmers, digitale Produkte auf dem aktuellen Stand zu halten.42 Diese Aktualisierungspflicht ist nicht nur Gegenstand der subjektiven Anforderungen (also einer möglichen Vereinbarung zwischen den Parteien), sondern insbesondere auch Gegenstand der objektiven Anforderungen (§ 327 Abs. 3 Nr. 5; § 475b Abs. 4 Nr. 2 BGB). Bei einem digitalen Produkt oder einer Ware mit digitalen Elementen besteht daher zwingend immer eine Aktualisierungspflicht, wenn die Parteien nicht ausdrücklich und wirksam eine abweichende Vereinbarung getroffen haben.43

Die Regelungen in § 327f BGB für digitale Produkte und in § 475b Abs. 4 Nr. 2 und Abs. 5 BGB für Waren mit digitalen Elementen sind inhaltlich im Wesentlichen identisch. Ziel der Regelungen ist es, dass dem Verbraucher während des maßgeblichen Zeitraums ein digitales Produkt zur Verfügung steht, dass er gemäß seinen Funktionalitäten nutzen kann. Dafür muss der Unternehmer Aktualisierungen bereitstellen, um den Erhalt der Vertragsmäßigkeit des digitalen Produkts sicherzustellen und den Verbraucher über diese Aktualisierungen informieren.

Der maßgebliche Zeitraum, innerhalb dessen der Unternehmer die Aktualisierungen zur Verfügung stellen muss, ergibt sich entweder aus dem Bereitstellungszeitraum (§ 327f Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB) oder – und das ist nicht unproblematisch – bestimmt sich nach der Erwartungshaltung des Verbrauchers aufgrund der Art und des Zwecks des digitalen Produkts/der Ware mit digitalen Inhalten und unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags. Hier ist zwar ein objektiver Maßstab anzusetzen,44 dies führt gleichwohl nicht dazu, dass man den maßgeblichen Zeitraum allgemeingültig bestimmen kann. Relevanter Maßstab wird hier der typische life cycle eines Produkts sein.

Unterlässt es der Verbraucher, innerhalb einer angemessenen Frist die ihm bereitgestellte Aktualisierung zu installieren, haftet der Unternehmer nicht für einen Sachmangel, der auf die fehlende Aktualisierung zurückzuführen ist (§ 327f Abs. 2; § 475b Abs. 5 BGB). Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht nur über die Aktualisierung selbst, sondern auch über die Folgen einer unterlassenen Installation informiert hat und die Installationsanleitung nicht mangelhaft ist bzw. eine unsachgemäße oder fehlende Installation nicht auf eine mangelhafte Installationsanleitung zurückzuführen ist.

d) Abweichende Vereinbarungen

Ebenfalls im Wesentlichen identisch sind die Regelungen zu abweichenden Vereinbarungen zu bestimmten Merkmalen eines Produkts. Sie finden sich in § 327h und § 476 Abs. 1 S. 2 BGB. Die besondere Bedeutung dieser Vorschriften liegt darin, dass das ursprüngliche Stufenverhältnis zwischen subjektiven und objektiven Anforderungen im neuen Recht aufgehoben worden ist. Treffen die Parteien folglich keine konkreten Vereinbarungen zum Vertragsgegenstand, gelten immer zwingend die objektiven Anforderungen. Folglich muss künftig im Wege einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung eine von einer objektiven Anforderung abweichende Vereinbarung getroffen werden.

Abweichende Vereinbarungen unterliegen bestimmten Anforderungen. Vor Mitteilung eines Mangels durch den Verbraucher an den Unternehmer kann von einer objektiven Anforderung nur abgewichen werden, wenn der Unternehmer den Verbraucher eigens davon in Kenntnis gesetzt hat, dass ein bestimmtes Merkmal von einer objektiven Anforderung abweicht und diese Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Pauschale Hinweise in einem Angebot werden dem künftig nicht mehr genügen. Der Verbraucher wird seine Zustimmung zu der Abweichung ausdrücklich und gesondert von seiner übrigen Vertragserklärung dartun müssen.

e) Verjährung

Die Verjährungsfristen für digitale Produkte sind in § 327j BGB geregelt. Demzufolge gilt für die Gewährleistungsrechte des Verbrauchers grundsätzlich eine zweijährige Verjährungsfrist ab Bereitstellung (§ 327j Abs. 1 BGB), und zwar sowohl im Falle einer einmaligen als auch einer dauerhaften Bereitstellung.45 Hat der Vertrag eine dauerhafte Bereitstellung zum Gegenstand, verjähren gemäß § 327i Abs. 2 BGB die Ansprüche jedoch nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums. Kommt der Unternehmer seiner Aktualisierungspflicht nach § 327f BGB nicht nach, gilt nach § 327j Abs. 3 BGB eine einjährige Ablaufhemmung, die an das Ende des für die Aktualisierungspflicht maßgeblichen Zeitraums anknüpft.

Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt nach § 327j Abs. 4 die Verjährung nicht früher als vier Monate nach dem Zeitpunkt ein, zu dem der Mangel erstmals aufgetreten ist. Die Ablaufhemmung stellt sicher, dass der Verbraucher seine Gewährleistungsrechte bezüglich eines Mangels, der sich erst kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist offenbart, trotz Ablaufs der Verjährungsfrist in Anspruch nehmen kann.46 Für die in § 327i Nr. 2 BGB geregelten Gestaltungsrechte verweist § 327j Abs. 5 – wie dies bereits aus § 438 Abs. 4 S. 1 bekannt ist47 – auf § 218 BGB. Damit werden die gewährleistungsrechtlichen Verjährungsregelungen auf das Gestaltungsrecht des Rücktritts und der Minderung übertragen.48

Auch das Verbrauchsgüterkaufrecht enthält Sonderbestimmungen zur Verjährung. Die Regelungen in § 438 BGB werden im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs von Sachen mit digitalen Elementen durch § 475e BGB ergänzt. Ähnlich wie § 327j Abs. 2 BGB, sieht auch § 475e Abs. 1 BGB eine an das Ende des Bereitstellungszeitraums anknüpfende einjährige Ablaufhemmung vor, sofern der Vertrag die dauerhafte Bereitstellung digitaler Elemente im Sinne des § 475c Abs. 1 S. 1 BGB vorsieht und die digitalen Elemente einen Mangel aufweisen. Gemäß § 475e Abs. 2 BGB verjähren Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht. § 475e Abs. 3 BGB und die darin verankerte viermonatige Ablaufhemmung stellen ebenfalls sicher, dass der Verbraucher auch gegen Ende der Verjährungsfrist offenbar gewordene Mängel noch effektiv geltend machen kann.49

475e Abs. 4 BGB sieht eine Sonderregelung für den Fall vor, dass der Verbraucher zur Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie die Ware dem Unternehmer oder auf Veranlassung des Unternehmers einem Dritten übergeben hat. Hat der Unternehmer den Nacherfüllungsanspruch des Verbrauchers bzw. dessen Anspruch aus einer Garantie erfüllt, hat der Verbraucher hiernach zwei Monate Zeit, um zu überprüfen, ob der Mangel auch tatsächlich beseitigt wurde.50 Die Vorschrift verhindert, dass die Verjährungsfrist abläuft, während sich die Kaufsache zur Nacherfüllung beim Unternehmer befindet.51 Zu beachten ist aber insoweit, dass die in § 475e Abs. 4 BGB vorgesehene Ablaufhemmung nicht greift, wenn sich während der Ablaufhemmung ein anderer als der geltend gemachte Mangel zeigt.52

f) Beweislastumkehr

327k und § 477 BGB enthalten Regelungen zur Beweislast im Falle eines Mangels.

Der bei Verbraucherverträgen über digitale Produkte anwendbare § 327k BGB unterscheidet in dessen Abs. 1 und Abs. 2 danach, ob es sich um eine dauerhafte Bereitstellung handelt oder nicht.53 Hat der Vertrag eine einmalige Bereitstellung oder eine Reihe einzelner Bereitstellungen zum Gegenstand und zeigt sich innerhalb eines Jahres seit der Bereitstellung ein Sach- oder Rechtsmangel, so wird gemäß § 327k Abs. 1 BGB vermutet, dass das digitale Produkt bereits bei Bereitstellung mangelhaft war. Im Falle einer dauerhaften Bereitstellung greift gemäß § 327k Abs. 2 BGB die Beweislastumkehr hingegen mit der Maßgabe, dass vermutet wird, dass das digitale Produkt während der bisherigen Dauer der der Bereitstellung mangelhaft war. Dies hat zur Folge, dass bei einer dauerhaften Bereitstellung die Beweislastumkehr u. U. für einen Zeitraum gelten kann, der wesentlich länger als ein Jahr ist.54

Die vorgenannten Vermutungen gelten gemäß § 327k Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht, wenn die digitale Umgebung des Verbrauchers im Sinne von § 327e Abs. 4 S. 3 BGB mit den technischen Anforderungen des digitalen Produkts zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht kompatibel war. Die Inkompatibilität hat hierbei der Unternehmer zu beweisen.55 Nicht anwendbar ist die Beweislastumkehr des Weiteren gemäß § 327k Abs. 3 Nr. 2 BGB, wenn dem Unternehmer die Beweisführung im Sinne des § 327k Abs. 3 Nr. 1 BGB nicht gelingt, weil der Verbraucher eine ihm zumutbare Mitwirkungshandlung bei der Fehlersuche unterlassen hat. Voraussetzung ist jedoch, dass der Unternehmer zur Fehlersuche ein technisches Mittel einsetzen wollte, das für den Verbraucher den geringsten Eingriff bedeutete – nur in diesem Fall ist ihm die Mitwirkung zumutbar.56 Die Rechtsfolgen des § 327k Abs. 3 BGB greifen ferner gemäß § 327k Abs. 4 BGB nur, wenn der Unternehmer bereits vor Vertragsschluss den Verbraucher klar und verständlich über die technischen Anforderungen an die digitale Umgebung des digitalen Produkts sowie über dessen Mitwirkungsobliegenheit informiert hat, wobei für die Auslegung der Begriffe „klar“ und „verständlich“ die Rechtsprechung zu § 307 Abs. 1 S. 2 BGB herangezogen werden kann.57

Gemäß § 477 Abs. 1 S. 1 BGB gilt im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs zugunsten des Verbrauchers eine Beweislastumkehr, wenn sich ein von den vertraglichen Anforderungen abweichender Zustand58 innerhalb eines Jahres seit Gefahrenübergang zeigt. Der Zeitraum der Beweislastumkehr wurde folglich von sechs Monaten auf ein Jahr ausgedehnt. Die Verlängerung des Zeitraums auf ein Jahr soll zum einen die effektive Durchsetzung der Gewährleistungsrechte sicherstellen, zum anderen aber auch einen Anreiz zur Herstellung langlebigerer Produkte setzen.59 Der kürzere Zeitraum von sechs Monaten gilt gemäß § 477 Abs. 1 S. 2 BGB weiterhin, sofern der Verbrauchsgüterkauf ein lebendes Tier zum Gegenstand hat.

Betrifft der Verbrauchsgüterkauf Waren mit digitalen Elementen und wurde eine dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente vereinbart, so gilt im Hinblick auf einen abweichenden Zustand dieser digitalen Elemente, der sich während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrenübergang zeigt, ebenfalls nach § 477 Abs. 2 BGB eine Beweislastumkehr.

Für Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit digitalen Elementen, die keine dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente zum Gegenstand haben, verbleibt es bei der in § 477 Abs. 1 S. 1 BGB vorgesehenen Beweislastumkehr, jedoch mit der Maßgabe, dass nach § 475b BGB an die letzte Aktualisierung der digitalen Elemente anzuknüpfen ist oder, in Ermangelung einer solchen, an deren Bereitstellung.60

g) weitere Regelungen in den §§ 327 ff. BGB ohne korrespondierende Regelung im besonderen Schuldrecht

Die Regelungen des § 327q BGB betreffen die vertragsrechtlichen Folgen datenschutzrechtlicher Erklärungen des Verbrauchers auf Verträge über digitale Produkte. Denn wie bereits festgestellt, gelten nach § 327 Abs. 3 BGB die Vorschriften über digitale Produkte auch dann, wenn der Verbraucher dem Unternehmer als Gegenleistung personenbezogene Daten bereitstellt oder sich zu deren Bereitstellung verpflichtet. Durch die Geltendmachung von Betroffenenrechten oder die Abgabe von datenschutzrechtlichen Erklärungen hat der Verbraucher die Möglichkeit, nach Vertragsschluss auf das Schicksal dieser Gegenleistung einzuwirken und eine nachhaltige Nutzung seiner personenbezogenen Daten zu verhindern.61 Die Digitale-Inhalte-Richtlinie stellt jedoch insoweit klar, dass die Wahrnehmung datenschutzrechtlicher Befugnisse und Rechte sich nicht zu Lasten des Verbrauchers auswirken darf.62

Vor diesem Hintergrund ist in § 327q Abs. 1 BGB der Grundsatz verankert, dass die Ausübung der datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte sowie die Abgabe von datenschutzrechtlichen Erklärungen (etwa der Widerruf einer Einwilligung nach Art. 7 Abs. 3 DSGVO oder ein Widerspruch nach Art. 21 DSGVO63) seitens des Verbrauchers nach Vertragsschluss keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit des Vertrags hat. Zugleich regelt § 327q Abs. 3 BGB, dass in den vorgenannten Fällen dem Unternehmer keine Ersatzansprüche (etwa Nutzungs- und Schadensersatzansprüche sowie auch Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus GoA64) gegen den Verbraucher zustehen.

Der in § 327q Abs. 1 BGB festgelegte Grundsatz wird durch § 327q Abs. 2 BGB wieder eingeschränkt, der dem Unternehmer ein Sonderrecht zur fristlosen Kündigung für den Fall einräumt, dass der Verbraucher eine von ihm erteilte datenschutzrechtliche Einwilligung widerruft oder einer weiteren Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten widerspricht. Voraussetzung für das Sonderkündigungsrecht ist zum einen, dass der Vertrag den Unternehmer zu einer Reihe einzelner Bereitstellungen digitaler Produkte oder zur dauerhaften Bereitstellung eines digitalen Produkts verpflichtet, sodass eine fristlose Kündigung bei einer einmaligen Bereitstellung ausscheidet.65 Zum anderen ist das Sonderkündigungsrecht des Unternehmers von einer Abwägung der beiderseitigen Interessen unter Berücksichtigung des weiterhin zulässigen Umfangs der Datenverarbeitung abhängig. Das Sonderkündigungsrecht gilt des Weiteren nicht, wenn der Verbraucher seine Betroffenenrechte, etwa sein Recht auf Löschung aus Art. 17 DSGVO, ausübt.66

Eine dem § 327q BGB vergleichbare Regelung ist in den Vorschriften zum besonderen Schuldrecht nicht vorgesehen, weil es dort kein Bezahlen mit Daten gibt.

Eine weitere Vorschrift ohne korrespondierende Regelung im besonderen Schuldrecht ist in § 327r BGB enthalten, der einseitige, durch den Unternehmer vorgenommene Änderungen („Upgrades“) an digitalen Produkten regelt. Betroffen sind digitale Produkte, die von dem Unternehmer dauerhaft bereitgestellt werden, bei denen sich mit der Zeit das Bedürfnis zur Anpassung des digitalen Produkts ergeben kann.67 Die Norm adressiert den Interessenkonflikt, der dadurch entstehen kann, dass der Unternehmer in der Regel nur eine Version eines digitalen Produkts für alle Nutzer anbieten will, der Verbraucher andererseits womöglich gewohnte Funktionalitäten eines digitalen Produkts beibehalten möchte.68 Als Ausnahme zum Grundsatz pacta sunt servanda ist hierbei § 327r BGB eng auszulegen.69 Abzugrenzen ist die Vorschrift ferner von § 327f BGB, welcher den Unternehmer (auch im Falle einer einmaligen Bereitstellung) lediglich zur Bereitstellung von Aktualisierungen und damit von „Updates“ verpflichtet, wobei im Falle von Überschneidungen die engeren Voraussetzungen des § 327r BGB Vorrang haben.70

Gemäß § 327r Abs. 1 BGB sind nachträgliche Änderungen des digitalen Produkts, die das zur Aufrechterhaltung der Vertragsmäßigkeit nach § 327e Abs. 2 und 3 und § 327f erforderliche Maß überschreiten, nur zulässig, wenn dies im Vertrag so vorgesehen ist und die Änderung an einen triftigen Grund anknüpft, dem Verbraucher durch die Änderung keine zusätzlichen Kosten entstehen und der Verbraucher klar und verständlich über die Änderungen informiert wird. Das Änderungsrecht muss folglich vertraglich vereinbart worden sein und die Änderung durch einen triftigen Grund bedingt sein. Als Beispiele für Letzteren nennt die Digitale-Inhalte-Richtlinie Änderungen, welche nötig sind, um das digitale Produkt an eine neue technische Umgebung oder an erhöhte Nutzerzahlen anzupassen sowie auch betriebstechnische Gründe.71 Die Formulierung „klar und verständlich“ entspricht den Anforderungen des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB, wobei eine zeitliche Information des Verbrauchers diesen Anforderungen entspricht.72

Beabsichtigt der Unternehmer die Umsetzung von für den Verbraucher nachteiligen Änderungen, die die Zugriffsmöglichkeit oder Nutzbarkeit des digitalen Produkts nicht nur unerheblich beeinträchtigen (§ 327 Abs. 2 S. 2 BGB), so ist die Änderung zusätzlich an die weiteren, strengeren Voraussetzungen des § 327r Abs. 2 BGB gebunden. Nach § 327r Abs. 2 BGB muss der Verbraucher über die voranstehende Änderung mit einer angemessenen Frist vor dem Zeitpunkt der Umsetzung mittels eines dauerhaften Datenträgers (im Sinne des § 126b S. 2 BGB) informiert werden, wobei die Information Angaben über Merkmale und Zeitpunkt der Änderung (Nr. 1) sowie die Rechte des Verbrauchers nach § 327r Abs. 3 und Abs. 4 BGB (Nr. 2) enthalten muss. Die „angemessene“ Frist ist hierbei einzelfallabhängig und unabhängig von der dreißigtägigen Frist nach § 327r Abs. 3 BGB festzulegen.73 Ob es sich bei der Änderung um eine neutrale bzw. günstige Änderung für den Verbraucher handelt, für die nur § 327r Abs. 1 BGB gilt,74 oder um eine für den Verbraucher nachteilige Änderung, die die Anwendbarkeit (auch) von § 327r Abs. 2 BGB zur Folge hat, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen, wobei nach Erwägungsgrund 75 der Digitale-Inhalte-Richtlinie insoweit auf Art und Zweck des digitalen Produkts sowie dessen wesentliche Merkmale einschließlich Qualität, Funktionalität und Kompatibilität abzustellen ist.75

Liegt eine nachträgliche Änderung vor, so hat der Verbraucher nach § 327r Abs. 3 BGB das Recht, den Vertrag innerhalb von 30 Tagen ab dem Zugang der Information nach § 327r Abs. 2 BGB, bzw. – sofern die Änderung bereits umgesetzt wurde – ab dem späteren Zeitpunkt der Änderung unentgeltlich zu beenden. Das Recht zur Vertragsbeendigung besteht auch dann, wenn der Verbraucher nicht bzw. nicht vollständig informiert wurde.76 Macht der Verbraucher von seinem Recht zur Vertragsbeendigung Gebrauch, so gelten gemäß § 327r Abs. 5 BGB die §§ 327o und 327p BGB entsprechend.

Das Recht zur Vertragsbeendigung ist jedoch nach § 327r Abs. 4 BGB ausgeschlossen, wenn die Beeinträchtigung nur unerheblich ist oder der Verbraucher weiterhin die Möglichkeit hat, ohne zusätzliche Kosten das digitale Produkt unverändert, mithin in seiner bisherigen Version, zu nutzen. Unerheblich ist eine Beeinträchtigung bspw. im Falle einer graphischen Neugestaltung einer Anwendung, die keinen Einfluss auf die Funktionalitäten des digitalen Produkts hat.77

Gemäß § 327r Abs. 6 BGB sind die Abs. 1 bis 5 auf Paketverträge im Sinne des § 327a Abs. 1 BGB, welche u. a. die Bereitstellung eines Internetzugangsdienstes oder eines nummerngebundenen interpersonellen Kommunikationsdienstes im Sinne des § 66 Abs. 1 TKG betreffen (bspw. eine Kombination aus einem Internetzugangsvertrag mit einem Videokonferenzdienst78), nicht anwendbar.

3. Sonderbestimmungen für Garantien

Anders als § 443 BGB, der anlässlich der Umsetzung der Warenkauf-Richtlinie keine Änderungen erfahren hat, wurde der (nur) auf den Verbrauchsgüterkauf anwendbare § 479 BGB zwecks Umsetzung der Vorgaben der Richtlinie zu den Garantien angepasst.79

Neu ist, dass nunmehr gemäß § 479 Abs. 2 BGB die einfach und verständlich abzufassende Garantieerklärung zwingend dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger im Sinne des § 126b S. 2 BGB zur Verfügung zu stellen ist. Dem Unternehmer steht es frei, die Garantieerklärung bereits gemeinsam mit den vorvertraglichen Informationen, bei Vertragsschluss oder erst gemeinsam mit der Kaufsache zur Verfügung zu stellen.80

Inhaltlich muss die Garantieerklärung einen Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln enthalten, auf die Unentgeltlichkeit von deren Inanspruchnahme sowie darauf, dass die Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden. Anzugeben sind auch Name und Anschrift des Garantiegebers, das Verfahren für die Geltendmachung der Garantie, die konkrete Ware, die Gegenstand der Garantie sein soll, und die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und der räumliche Geltungsbereich des Garantieschutzes.

479 Abs. 3 BGB setzt den Mindestinhalt von Haltbarkeitsgarantien fest. Hiernach muss der Verbraucher gegen den Hersteller während der Geltungsdauer der Garantie mindestens einen Anspruch auf Nacherfüllung nach § 439 Abs. 2, 3, 5 und 6 S. 2 sowie nach § 475 Abs. 3 S. 1 und Abs. 5 BGB haben. Nicht von der Normenkette und damit vom zwingenden Mindestinhalt umfasst ist § 439 Abs. 1 BGB (und der damit in Verbindung stehende § 439 Abs. 4 BGB), der dem Käufer ein Wahlrecht hinsichtlich der Art der Nacherfüllung einräumt. Der Begriff des Herstellers, der im Lichte von Art. 2 Nr. 4 der Warenkauf-Richtlinie auszulegen ist, umfasst auch den Importeur von Waren in die Union und sonstige Personen, die sich durch Anbringung ihres Namens, ihrer Marke oder eines anderen Kennzeichens an den Waren als Hersteller bezeichnen.81

Weiterhin gilt, dass die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung nicht dadurch berührt wird, dass eine der Anforderungen aus § 479 BGB nicht erfüllt wurde (§ 479 Abs. 4 BGB).82

III. Fazit

Der Vergleich der Regelungsregime in den §§ 327 ff. BGB und § 474 ff. BGB zeigt, dass die Einordnung als digitales Produkt, als körperlicher Datenträger, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient oder als Ware mit digitalen Elementen durchaus erheblich ist. Eine fehlerhafte Einordnung führt insbesondere bei einer unterbliebenen Bereitstellung bzw. Übergabe, im Falle von datenschutzrechtlichen Erklärungen des Verbrauchers sowie von sog. Upgrades zu unterschiedlichen Ergebnissen und Rechtsfolgen. Insbesondere die neu eingeführte Aktualisierungspflicht und die damit einhergehenden, noch ungeklärten Fragen zur deren Dauer werfen für die betroffenen Unternehmer große Probleme auf. Feststehen dürfte, dass die Klärung dieser Fragen in der nächsten Zeit Praxis und Rechtsprechung vor große Herausforderungen stellen wird.

 

* Mehr über die Autoren erfahren Sie am Ende des Beitrags.

1    BGBl. I S. 3433 ff.

2    BGBl. I S. 2123 ff.

3    BGBl. I S. 2133 ff.

4    BGBl. I S. 3483 ff.

5    BGBl. I S. 3504 ff.

6    BGBl. I S. 4921 ff.

7    BT-Drs. 19/27653, S. 35.

8    BGH, 22. 6. 1956 – I ZR 198/54.

9    BT-Drs. 19/27653, S. 40.

10  Vertiefend Kreutz, ZUM 2018, 162 ff.

11  BT-Drs. 19/27653, S. 38.

12  BT-Drs. 19/27653, S. 35.

13  BT-Drs. 19/27653, S. 35, mit Verweis auf die Stellungnahme des European Data Protection Supervisor zu dem Vorschlag für eine Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte, vom 14. 3. 2017.

14  Vertiefend Klink-Straub, NJW 2021, 3217, 3219.

15  Vertiefend Kreutz, ZUM 2018, 162, 164 f.; vgl. hierzu auch Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner, Das neue Schuldrecht 2022, S. 42, Rn. 38.

16  BT-Drs. 19/27653, S. 36.

17  BT-Drs. 19/27653, S. 36.

18  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 37, Rn. 21.

19  BT-Drs. 19/27653, S. 38.

20  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 40, Rn. 31.

21  BT-Drs. 19/27653, S. 37 ff.

22  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 50, Rn. 65.

23  BT-Drs. 19/27653, S. 45.

24  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 49, Rn. 60.

25  BT-Drs. 19/27653, S. 46.

26  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 45, Rn. 48.

27  Vgl. Erwägungsgrund 12, (EU) 2019/770.

28  Vgl. Erwägungsgrund 12, (EU) 2019/770; Vertiefend Pech, GRUR-Prax 2021, 509, 510.

29  Vertiefend Pech, GRUR-Prax 2021, 509, 510.

30  BT-Drs. 19/27653, S. 48.

31  Vgl. Erwägungsgrund 41, (EU) 2019/770.

32  Vgl. zur Bereitstellung digitaler Inhalte ausführlich Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 53, Rn. 73 ff.

33  Vgl. hierzu auch Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 54, Rn. 79.

34  Vgl. Erwägungsgrund 61, (EU) 2019/770.

35  Mit anderer Herleitung im Ergebnis ebenso Fervers, NJW 2021, 3681 ff.

36  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 82, Rn. 169.

37  BT-Drs. 19/27653, S. 68.

38  Art. 14 Abs. 4c) der RL (EU) 2019/770 spricht insoweit ausdrücklich von „eine Vertragswidrigkeit“ und nicht etwa von „der“ Vertragswidrigkeit; vgl. auch Erwägungsgrund 65.

39  BT-Drs. 19/27653, S. 68.

40  BT-Drs. 19/27424, S. 34 f.

41  Erwägungsgrund 52, Warenkauf-RL (EU) 2019/771.

42  Vgl. hierzu ausführlich Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 67, Rn. 123 ff. sowie Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 158, Rn. 53 ff.

43  Dazu sogleich unter Ziffer d.

44  BT-Drs. 19/27653, S. 59.

45  BT-Drs. 19/27653, S. 62.

46  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 79 Rn. 157; BT-Drs. 19/27653, S. 63.

47  BT-Drs. 19/27653, S. 64.

48  BT-Drs. 19/27653, S. 63.

49  BT-Drs. 19/27424, S. 39; Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 169 Rn. 85.

50  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 168 Rn. 86.

51  BT-Drs. 19/27424, S. 41.

52  BT-Drs. 19/27424, S. 42.

53  BT-Drs. 19/27653, S. 64; Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 80 Rn. 160.

54  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 80 Rn. 161.

55  BT-Drs. 19/27653, S. 64.

56  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 81 Rn. 163.

57  BT-Drs. 19/27653, S. 66.

58  Vgl. zur Ersetzung des Begriffs „Sachmangel“ durch die Wörter „von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand“ BT-Drs. 19/27424, S. 44.

59  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 154 Rn. 41.

60  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 164 Rn. 69.

61  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 213 Rn. 66.

62  Vgl. Erwägungsgründe 38 - 40 der Digitale-Inhalte-Richtlinie.

63  BT-Drs. 19/27653, S. 76.

64  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 217, Rn. 76.

65  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 215, Rn. 70.

66  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 215, Rn. 70.

67  BT-Drs. 19/27653, S. 77.

68  BT-Drs. 19/27653, S. 77.

69  BT-Drs. 19/27653, S. 77.

70  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 95, Rn. 216 und S. 96, Rn. 220.

71  BT-Drs. 19/27653, S. 77 mit Hinweis auf EG 75 der Digitale-Inhalte-Richtlinie.

72  BT-Drs. 19/27653, S. 78, insoweit kritisch Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 97, Rn. 223.

73  BT-Drs. 19/27653, S. 78.

74  BT-Drs. 19/27 653, S. 77.

75  BT-Drs. 19/27653, S. 78.

76  BT-Drs. 19/27653, S. 78; Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 98 Rn. 227.

77  Tamm/Tonner, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 98 Rn. 228.

78  BT-Drs. 19/27653, S. 79.

79  BT-Drs. 19/27424, S. 44.

80  BT-Drs. 19/27424, S. 45.

81  Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 172 f., Rn. 96.

82  Die Nichteinhaltung von Informationspflichten kann aber Schadensersatzansprüche zur Folge haben, vgl. Brönneke/Schmitt/Willburger, in: Brönneke/Föhlisch/Tonner (Fn. 15), S. 173, Rn. 98.

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