Kommunikation & Recht (K&R) 2014, 621: „Das neue Fernabsatzrecht 2014 – Teil 6: Besonderheiten bei digitalen Inhalten“

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Besonderheiten bei digitalen Inhalten

Am 13. 6. 2014 hat sich im Verbraucherrecht vieles geändert.[1] Neben neuen Begriffen und Definitionen werden Verbraucherverträge neuen Bedingungen unterworfen.[2] Besondere neue Regelungen hat der Gesetzgeber für Dienstleistungen (vgl. dazu Teil 5 in K&R 2014, 562 ff.) und digitale Inhalte eingeführt, die hier behandelt werden.

I. Die Neuerungen beim Fernabsatz-Handel mit digitalen Inhalten

Schnellere Netze und technisch verbesserte Endgeräte machen den Handel mit digitalen Inhalten im Wege eines Fernabsatzgeschäfts immer effizienter. Der deutsche Gesetzgeber hat in Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie3 darauf reagiert und in den §§ 312 f Abs. 3, 356 Abs. 5, 357 Abs. 9 BGB und Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 14 und 15 EGBGB besondere Bedingungen für digitale Inhalte eingeführt.

1. Anwendungsbereich und Begriffsbestimmung

„Digitale Inhalte“ werden in § 312 f Abs. 3 BGB legaldefiniert als „(nicht auf einem körperlichen Datenträger befindliche) Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden“. Art. 2 Nr. 11 der Verbraucherrechterichtlinie versteht unter „digitalen Inhalten“ dagegen uneingeschränkt alle Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, unabhängig davon, ob dies auf einem körperlichen Datenträger geschieht oder nicht. Erwägungsgrund 19 stellt klar, dass diese Formulierung bewusst gewählt wurde, denn dort führt der europäische Normgeber aus, dass „digitale Inhalte“ Daten unabhängig davon umfassen soll, ob auf sie „durch Herunterladen oder Herunterladen in Echtzeit (Streaming), von einem körperlichen Datenträger oder in sonstiger Weise“4 zugegriffen wird. Es ist daher davon auszugehen, dass der Zusatz „nicht auf einem körperlichen Datenträger befindliche“ nicht Teil der Legaldefinition sein soll; dies lässt die Gesetzesbegründung5 zumindest vermuten.6 Ansonsten müsste die Norm europarechtskonform ausgelegt werden.

Die Lieferung digitaler Inhalte folgt im Rahmen des Widerrufsrechts verschiedenen Regelungen, je nachdem, ob die digitalen Inhalte auf einem dauerhaften Datenträger (CD-ROM, DVD, USB-Stick) geliefert wurden – dann gilt das Widerrufsrecht für körperliche Waren mit der Besonderheit des § 312 g Abs. 2 Nr. 6 BGB – oder ob die digitalen Inhalte auch digital zum Download oder Streaming7 bereitgestellt werden (z. B. Apps, Spiele, Musik, Videos, Texte),8 dann gilt der besondere Tatbestand des § 356 Abs. 5 BGB. Hinsichtlich der Informationspflichten bleiben die Anforderungen an einen Unternehmer in beiden Fällen gleich.

2. Informationspflichten

Gemäß § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 14 und 15 EGBGB ist ein Unternehmer nach der neuen Rechtslage verpflichtet, über die Funktionsweise digitaler Inhalte, einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen solcher Inhalte und, soweit wesentlich, über Beschränkungen der Interoperabilität und der Kompatibilität digitaler Inhalte mit Hard- und Software zu informieren. Diese Informationspflicht besteht – wie bei den übrigen Informationspflichten auch – sowohl vorvertraglich als auch nachvertraglich. Nachvertraglich muss zudem die Sondervorschrift des § 312 f Abs. 3 BGB beachtet werden.

a) Vorvertragliche Informationspflicht

Vorvertraglich müssen dem Verbraucher die Pflichtinformationen gemäß Art. 246 a § 4 Abs. 3 EGBGB in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zur Verfügung gestellt werden.9

aa) Funktionsweise

Nach den Vorgaben der Verbraucherrechterichtlinie soll der Begriff der Funktionsweise sich darauf beziehen, wie digitale Inhalte verwendet werden können. Als einziges Beispiel wird dann „die Nachverfolgung des Verhaltens des Verbrauchers“10 genannt. Dies irritiert, weil der europäische Normgeber ausschließlich auf die Verwendung der Software durch den Unternehmer abstellt, nachdem diese beim Verbraucher installiert wurde. Denn das Verhalten des Verbrauchers nachzuverfolgen ist keine typische Funktionsweise, die ein Verbraucher nutzt, sondern ausschließlich dem Unternehmer dient, Daten zu sammeln und Nutzungsprofile zu erstellen.

Nach Sinn und Zweck ist die Vorschrift allerdings dahin auszulegen, dass sämtliche Funktionsweisen einer Software beschrieben werden müssen, folglich diejenigen, die ein Verbraucher selbst nutzen kann (dies entspricht inhaltlich dem, was im Rahmen einer Bedienungsanleitung beigefügt wird11) einschließlich der Hinweise darauf, was die Software bei deren Nutzung (für den Verbraucher unfreiwillig) an weiteren Informationen sammelt und an Dritte weitergeben kann.

Hinsichtlich des Umfangs dieser Informationen sieht das Gesetz keine Einschränkung vor (z. B. wie in Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB für die Beschränkungen der Interoperabilität, die nur angegeben werden müssen „soweit wesentlich“. Auch Art. 246 a § 3 EGBGB enthält für solche Informationen keine Ausnahme. Wenn ein Unternehmer folglich bei einer Software nicht das gesamte Handbuch beim Produkt zum Download anbieten möchte, muss er einem Verbraucher eine recht genaue Beschreibung der Software zur Verfügung stellen und alle Funktionsweisen aufzählen. Dies stellt in der Praxis einen nicht zu unterschätzenden Aufwand dar. Fehlende Funktionsweisen werden allerdings nur dann einen erheblichen Lauterkeitsverstoß darstellen, wenn es sich um solche Funktionsweisen handelt, mit denen ein Verbraucher nicht rechnet und die für ihn nachteilig sind bzw. nicht von ihm, sondern vom Unternehmer genutzt werden (z. B. das bereits erwähnte Tracking).

bb) Anwendbare technische Schutzmaßnahmen

Zudem soll ein Unternehmer auch über das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein von technischen Beschränkungen informieren, wie den „Schutz mittels digitaler Rechteverwaltung oder Regionalcodierung“.12 Der deutsche Gesetzgeber hat in Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 14 EGBGB völlig zu Recht auf die Pflicht zur Belehrung über das „Nichtvorhandensein“ von technischen Schutzmaßnahmen verzichtet. Es besteht kein Mehrwert darin, zunächst über die vorhandenen technischen Schutzmaßnahme zu unterrichten und im nächsten Satz darauf hinzuweisen, dass andere Beschränkungen nicht bestehen; das ist bei einer vollständigen Aufzählung der vorhandenen Schutzmaßnahmen selbstverständlich.13 Richtigerweise muss eine Überfrachtung der Pflichtinformationen mit inhaltlich nutzlosen Hinweisen verhindert werden; dies führt zur Intransparenz und damit eher zur Verwirrung eines Verbrauchers.

Hingewiesen werden muss folglich darauf, ob die Nutzung der digitalen Inhalte durch technische Maßnahmen beschränkt ist. Dazu gehören z. B. das digital rights management (DRM) oder die Regionalcodierung, die die Nutzung digitaler Inhalte kontrollierbar machen sollen.14 Die Folgen einer solchen Beschränkung werden weder in der Richtlinie noch in deren Umsetzung ins deutsche Recht behandelt; sie müssen folglich nicht angegeben werden.15

cc) Beschränkungen der Interoperabilität und der Kompatibilität

Die Informationspflichten des Unternehmers zur Beschränkung der Interoperabilität und der Kompatibilität digitaler Inhalte mit Hard- und Software sind in Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 15 EGBGB mit zwei Vorbehalten versehen. Einmal müssen diese Informationen „wesentlich“ sein, zum anderen müssen sie dem Unternehmer „bekannt“ sein oder „bekannt sein müssen“.

Dem Wortlaut nach entspricht dies nicht dem, was heute im Rahmen der Systemvoraussetzungen (z. B. Betriebssystem, Version, benötigter Speicherplatz, Arbeitsspeicher, Prozessor) genannt wird,16 sondern geht weit darüber hinaus, weil das deutsche Gesetz explizit die „Beschränkungen der Interoperabilität und der Kompatibilität“ nennt und damit insoweit eine Negativliste verlangt. Wie schon bei den technischen Schutzmaßnahmen ist allerdings fraglich, ob es für einen Verbraucher wirklich relevant ist, wie und wo er eine Software nicht einsetzen kann. Art. 5 Abs. 1 h) Verbraucherrechterichtlinie verlangt lediglich die Information über die „Interoperabilität digitaler Inhalte mit Hard- und Software“. Auch Erwägungsgrund 19 der Verbraucherrechterichtlinie lässt nicht erkennen, dass der europäische Normgeber einen Negativkatalog wollte. Dort heißt es: „Der Begriff der wesentlichen Interoperabilität beschreibt die Information in Bezug auf die standardmäßige Umgebung an Hard- und Software, mit der die digitalen Inhalte kompatibel sind, etwa das Betriebssystem, die notwendige Version und bestimmte Eigenschaften der Hardware“.17 Im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung kann daher auf die Darstellung der Beschränkungen verzichtet werden, sofern die Systemvoraussetzungen hinreichend transparent dargestellt werden.

Für einen Unternehmer bedeutet diese Auslegung eine erhebliche Erleichterung, weil sich damit die Diskussion erübrigt, ob ihm zumindest hätte bekannt sein müssen oder ob die Information wesentlich war, mit welcher anderen Software die von ihm vertriebene Software nicht kompatibel ist. Es genügt, wenn der Unternehmer diejenige Software aufzählt, von der er weiß, dass sie mit der eigenen Software kompatibel ist.

Die Einschränkung der Wesentlichkeit bezieht sich nicht auf die Frage, ob es sich um ein Standardformat handelt (z. B. MP3, PDF), das mit handelsüblicher Software genutzt werden kann, sondern ob es für die Nutzung des digitalen Inhalts wesentlich ist.18 Hinweise zur Interoperabilität und zur Kompatibilität müssen folglich auch beim Download von Musik und E-Books gegeben werden.19 Ob die Information für den tatsächlichen Käufer relevant ist, weil er sich mit den technischen Gegebenheiten auskennt, oder nicht, ist für die Pflicht zur Angabe der Informationen irrelevant.

b) Nachvertraglichen Informationspflicht

Die vorgenannten Pflichtinformationen werden wegen § 312 d Abs. 1 S. 2 BGB Vertragsinhalt und müssen nach § 312 f Abs. 2 BGB dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger20 zur Verfügung gestellt werden. Hinsichtlich des Zeitpunkts stellt § 312 f Abs. 2 BGB als spätesten Zeitpunkt nur auf Warenlieferungen und Dienstleistungen ab. Beim Download digitaler Inhalte ist davon auszugehen, dass diese spätestens zur Verfügung gestellt werden müssen, wenn der Verbraucher den Download einleitet, beim Streaming in dem Moment der Einleitung der Übertragung, z. B. durch Anklicken der entsprechenden Schaltfläche.

c) Leitlinien der Kommission zur Umsetzung der Informationspflichten bei digitalen Inhalten

Die Europäische Kommission hat im Juni 2014 Leitlinien21 veröffentlicht, die eine Reihe von Festlegungen und Interpretationen hinsichtlich der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83/EU enthalten.22 Das Dokument ist rechtlich unverbindlich, da der Kommission entsprechende Befugnisse nicht verliehen sind. Es ist daher überflüssig, wenn die Kommission anführt, dass der Vorschlag nur eine Möglichkeit enthält, die Pflichtinformationen für digitale Inhalte bereitzustellen und es dem Unternehmer unbenommen bleibt, die Darstellung anders vorzunehmen, sofern er sich an die geltenden Vorschriften hält.

Die Leitlinien enthalten in Anhang 1 ausführliche Empfehlungen für die Umsetzung der vorvertraglichen Informationspflichten bei digitalen Inhalten. Ziel ist es, einerseits den Verbrauchern Pflichtinformationen in einer einheitlichen und vergleichbaren Form zu liefern, andererseits soll die vorgeschlagene Vereinheitlichung den Unternehmern helfen, den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden.23

aa) Symbole zur Verdeutlichung des Inhalts

Die Kommission verwendet eine Reihe von Symbolen, die die Bereitstellung einer Pflichtinformation auch optisch besser hervorheben soll. Dazu definiert der Vorschlag der Kommission24 fünf wesentliche vertragliche Elemente, die im Wesentlichen die essentialia negotii eines Vertrags darstellen: Verkäufer (visualisiert durch einen Einkaufswagen), Funktionsumfang und Interoperabilität (dargestellt durch ein „i“ im Kreis und zwei Zahnräder), Preis (das €-Zeichen) und weitere vertragliche Informationen (bedruckte Seite).

Unter diesen zentralen Begriffen soll ein Unternehmer – sofern relevant – weitere Detailinformationen bereitstellen. Beim Funktionsumfang können dies die verwendete Sprache der Datei, Dateilänge (z. B. Laufzeit einer Video- oder einer Musikdatei), Dateityp (Format), Dateigröße (gemeint ist vermutlich unkomprimiert), Art des Zugriffs (Download oder Streaming), besondere Bedingungen der Nutzung (z. B. beim Herunterladen, Erstellung von Kopien, private oder gewerbliche Nutzung), Notwendigkeit einer Internetverbindung (ja/nein um die digitalen Inhalte in Anspruch nehmen zu können, ggf. deren Geschwindigkeit), geografische Einschränkungen bei der Nutzung der digitalen Inhalte (kann z. B. nur in Deutschland heruntergeladen werden), Updates (werden solche angeboten und ggf. wie und mit welchem Inhalt), Tracking (Nachverfolgung der Daten und was damit geschieht; hier ist das Verhältnis zum Datenschutz unklar) und Resolution (grafische Auflösung). Bei der Interoperabilität sollen weitere Angaben zur benötigten Hard- und Software gemacht werden. Der Preis teilt sich in die Detailinformation Preis (für die digitalen Inhalte selbst) und mögliche weitere Kosten (dargestellt durch ein „+€“ Zeichen), die durch die Nutzung der digitalen Inhalte entstehen können. Bei den vertraglichen Informationen stellt ein Kalenderzeichen die Vertragsdauer (Laufzeit fest oder unbegrenzt) dar, ein Kreuz in einem Kreis deutet auf die Beendigungsmöglichkeiten (Kündigung, ggf. Formvorschrift) hin, und ein nach links gerichteter Pfeil schließlich steht für das gesetzliche Widerrufsrecht (hier sollte das gesetzliche Muster verwendet werden).

bb) Beispiele für deren Einsatz

Die Kommission fügt zwei Beispiele an, wie diese Symbole in der Praxis verwendet werden können, einmal für die Benutzeroberfläche eines normalen Computers und einmal beim Einsatz auf einem mobilen Endgerät. Auf dem Desktop geht in den Leitlinien der Kommission vor Beendigung des Bestellvorgangs ein eigenes Fenster auf, in dem die wesentlichen vorgenannten Informationen noch einmal aufgeführt werden. Dies entspricht der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 der Verbraucherrechterichtlinie in § 312 j Abs. 3 BGB („Button-Lösung“), wobei dies der „zwei-Klick-Lösung“, die seinerzeit zum Glück verhindert wurde,25 recht nahe kommt. Dort kann dann auch direkt die Willenserklärung abgegeben werden, wobei die Bezeichnung mit „confirm purchase“ unglücklich ist.26 In Deutschland hat sich die Bezeichnung „Kaufen“ durchgesetzt, deren Verwendung auch zu empfehlen ist.27

Auf dem Screen des mobilen Endgeräts erscheint nach dem Klick auf das entsprechende Angebot im nächsten Schritt eine Übersicht mit den vorgenannten Überschriften. Um den hinter der Überschrift hinterlegten Inhalt zu sehen, muss die jeweilige Überschrift angeklickt werden und es öffnet sich ein weiteres Fenster mit der entsprechenden Information. Am Ende der Übersichtsseite befindet sich die Schaltfläche, durch deren Anklicken die Bestellung abgeschlossen werden kann.

cc) Praxistauglichkeit

Bei digitalen Inhalten besteht das Risiko, dass durch eine Flut von Informationen die Transparenz leidet. Daher müssen die bereitgestellten Informationen so kurz und übersichtlich wie möglich sein. Der Ansatz der Kommission ist durchaus praxistauglich. Ob sich die Symbole durchsetzen, ist fraglich, die tabellarische Anordnung der Pflichtinformationen ist eine gute und transparente Lösung. Wichtig für die Anwendung bleibt nur, dass die Inhalte, mit denen eine solche Tabelle gefüllt wird, kurz gehalten werden und solche Felder weggelassen werden, die für die jeweiligen digitalen Inhalte nicht relevant sind.

Ob die Verwendung des Musters zu einer verringerten Abmahngefahr führt, ist allerdings zweifelhaft.28 Die Darstellung der Pflichtinformationen ist weniger das Problem des Unternehmers als vielmehr deren Auswahl, denn zu viel (Intransparenz) und zu wenig Information ist gleichermaßen ungünstig. Daher können Gerichte auch nicht per se bei der Verwendung des Musters von einer gesetzeskonformen Information ausgehen.29

Das Muster darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Unternehmer weitere Informationen bereithalten muss (vollständiges Impressum, Widerrufsbelehrung, Datenschutzerklärung, weitere Pflichtinformationen nach Art. 246 a § 1 Abs. 1 und Art. 246 c EGBGB). Es besteht daher die Gefahr, dass ein Unternehmer sich in trügerischer Sicherheit wähnt, nur weil er dem Vorschlag der Kommission folgt. Gleichwohl stellt das Muster eine willkommene Arbeitshilfe dar.

d) Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten

aa) Lieferung auf einem Datenträger

Sofern ein körperlicher Datenträger (CD-ROM, DVD, USB-Stick) geliefert wird, gelten die Widerrufsbedingungen für Warenkäufe. Das Widerrufsrecht beginnt gemäß § 356 Abs. 2 BGB mit der Lieferung des Datenträgers. Einen besonderen Erlöschensgrund nennt § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 6 BGB. Für den Fall, dass die Versiegelung der Verpackung eines Datenträgers entfernt wurde, erlischt das Widerrufsrecht.30 Auf diese Folge muss im Rahmen des Widerrufsrechts hingewiesen werden, Art. 246 a § 1 Abs. 3 Nr. 6 EGBGB. Jedenfalls von der neuen Rechtslage ist eine Verschlüsselung der Software (Lizenz-Key, Passwort) nicht von der Versiegelung erfasst.31 Dafür dürften E-Books nunmehr unter die neue Regelung fallen, da nur noch auf die Entsiegelung der Verpackung abgestellt wird.32 Wird der Vertrag widerrufen, muss der Verbraucher die Ware zurückschicken. War die Verpackung nicht versiegelt, ist es ihm folglich möglich, die digitalen Inhalte wahrzunehmen, ohne dafür einen Ersatz für die Nutzung zahlen zu müssen.33

bb) Download und Streaming

Eigenen Bedingungen unterliegen digitale Inhalte beim Widerrufsrecht, sofern sie nicht auf einem Datenträger geliefert werden, sondern zum Download oder als Stream zur Verfügung gestellt werden. Während bislang ein Widerrufsrecht nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB a. F. ausgeschlossen war (bei Downloads) bzw. nach § 312 d Abs. 3 BGB bei der beidseitigen Erfüllung auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erlosch (bei der Bereitstellung von Streams), entfällt eine solche Ausnahme nunmehr vollständig. Grundsätzlich besteht nunmehr ein Widerrufsrecht, das allerdings durch bestimmte Handlungen des Verbrauchers vorzeitig erlöschen kann.

(1) Widerrufsfrist und Fristbeginn

Mangels abweichender Vorschrift beginnt das Widerrufsrecht nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB mit Vertragsschluss. Die gesetzliche Widerrufsfrist beträgt zwei Wochen, § 355 Abs. 2 S. 1 BGB.

(2) Vorzeitiges Erlöschen

In § 356 Abs. 5 BGB hat der Gesetzgeber eine spezielle Erlöschensvorschrift eingeführt, die Art. 16 m) der Verbraucherrechterichtlinie umsetzt. Sie stellt eine zu den in § 356 Abs. 4 BGB geregelten besonderen Erlöschensgründen bei Dienstleistungen spezielle Regelung dar.34 Danach erlischt das Widerrufsrecht bei digitalen Inhalten, die nicht auf einem Datenträger geliefert werden, vorzeitig, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, nachdem der Verbraucher einerseits ausdrücklich zugestimmt hat, dass mit der Ausführung vor Ablauf der Widerrufsfrist begonnen wird und er zudem seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass der durch seine Zustimmung bei Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert. Ausdrücklich ist im systematischen Zusammenhang mit § 312 a Abs. 3 BGB zu sehen.35 Eine Voreinstellung im Rahmen einer entsprechenden Abfrage genügt folglich nicht, arg. § 312 a Abs. 3 S. 2 BGB. Ein konkludentes Miterklären (z. B. starten des Downloads durch den Verbraucher) genügt ebenfalls nicht. Ebenso wenig ist eine solche Einwilligung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichend.36 Die Worte „ausdrücklich zugestimmt“ und „bestätigt“ implizieren vielmehr, dass der Verbraucher selbst aktiv werden muss, z. B. durch Setzen eines Häkchens bei einer entsprechend vorformulierten Erklärung.37

Wann diese Erklärung eingeholt werden muss, wird vom Gesetz nirgends festgelegt. Der Wortlaut scheint einen Vertragsschluss bereits vorauszusetzen, so dass eine Einwilligung im Bestellprozess nicht ausreichend ist.38 Auch aus Verbraucherschutzgesichtspunkten ist eine Einwilligung vor Vertragsschluss wenig sinnvoll. Der Verbraucher sollte vielmehr unmittelbar vor der Ausführung des Vertrags auf die Folgen der Handlung hingewiesen werden. Das Widerrufsrecht endet dann nach dem eindeutigen Wortlaut von § 356 Abs. 5 BGB mit dem Beginn der Ausführung des Vertrags durch den Unternehmer; dies wird das Bereitstellen der digitalen Inhalte sein. Nicht relevant ist folglich, dass der Verbraucher seinerseits mit der notwendigen Handlung beginnt, um die digitalen Inhalte zu erhalten (z. B. Start des Downloads oder des Streams).

Im Gegenzug bedeutet dies allerdings auch, dass das Widerrufsrecht fortbesteht, wenn die entsprechende Information nicht zur Verfügung gestellt und die Zustimmung des Verbrauchers nicht eingeholt wird. Es handelt sich damit strukturell um eine Obliegenheit des Unternehmers. Verzichtet der Unternehmer auf die Vorgaben von § 356 Abs. 5 BGB, so besteht das Widerrufsrecht 14 Tage ab dem Tag nach Vertragsschluss.39 Für den Verbraucher bedeutet dies keinen Nachteil; im Gegenteil, er kann den Vertrag länger widerrufen und muss für die erhaltenen Leistungen keinen Nutzungsersatz bezahlen. Allerdings darf der Unternehmer dann auch nicht nach Art. 246 a Abs. 3 Nr. 2 EGBGB belehren, sonst ist die Belehrung intransparent und irreführend und mithin ein abmahnbarer Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht.

(3) Folgen des Widerrufs

Eine eigene Rechtsfolge führte der Gesetzgeber für digitale Inhalte in § 357 Abs. 9 BGB ein. Soweit ein Verbraucher einen Vertrag über die Lieferung von digitalen Inhalten, die sich nicht auf einem körperlichen Datenträger befinden, widerruft, muss er keinen Wertersatz leisten. Dahinter steht der Gedanke, dass eine Verschlechterung dieser digitalen Inhalte faktisch nicht in Betracht kommt. Sofern der Verbraucher digitale Inhalte heruntergeladen hat, muss er sie löschen, eine Rückgabe kommt ohnehin nicht in Betracht.40

(4) Nachvertragliche Pflichten

Nachvertraglich verlangt § 312 f Abs. 3 BGB, dass die ausdrückliche Einwilligung in die Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist und die Bestätigung der Kenntnis des Verlusts seines Widerrufsrechts dem Verbraucher auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden muss. Dies bedeutet, dass die Einwilligung/Bestätigung zwingend mitprotokolliert werden muss.

II. Fazit

Die Neuerungen im Bereich der digitalen Inhalte sind tiefgreifend. Die Regelungen nehmen im BGB eine Sonderstellung ein. Insgesamt sind die Neuerungen im Bereich der digitalen Inhalte gelungen. Download und Streaming werden mit dem Ausbau der schnellen Internetverbindungen immer bedeutender. Die neuen Regelungen schaffen einen angemessenen Ausgleich zwischen Verbraucher- und Unternehmerinteressen. Allerdings stellen sie hohe Anforderungen an die Bereitstellung von Pflichtinformationen durch den Unternehmer. Hier helfen die neuen Leitlinien der Kommission nur bedingt, die zwar einen guten Rahmen vorgeben, einem Unternehmer aber nicht die Arbeit abnehmen (können), die relevanten Informationen herauszufiltern und einem Verbraucher zur Verfügung zu stellen.

 

 

1    Einen Überblick bieten die Beiträge von Bierekoven/Crone, MMR 2014, 687 ff.; Tonner, VuR 2013, 443 ff.; Oelschlägel, MDR 2013, 1317 ff.; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107 ff.; Möller, BB 2014, 1411 ff.

2[2]  Zu den einzelnen Problemen des neuen Rechts siehe die vorangegangenen Beiträge: Buchmann, Das neue Fernabsatzrecht, K&R 2014, Teil 1: 221 ff., Teil 2: 293 ff., Teil 3: 369 ff., Teil 4: 453 ff., Teil 5: 562 ff.

3    RL 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, vom 25. 10. 2011 über die Rechte der Verbraucher.

4    Vgl. Erwägungsgrund 19 der VVRL 2011/83/EU.

5    BT-Drucks. 17/12637, S. 55.

6    Vgl. auch Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44.

7    Erwägungsgrund 19 der VVRL 2011/83/EU.

8    BT-Drucks. 17/12637, S. 55.

9    Ausführlich Buchmann, K&R 2014, 435 ff.

10  Erwägungsgrund 19 der VVRL 2011/83/EU.

11  Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 46.

12  Erwägungsgrund 19 der VVRL 2011/83/EU.

13  So auch Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 46.

14  Erwägungsgrund 19 der VVRL 2011/83/EU.

15  Schirmbacher/Schmidt, CR. 2014, 107, 109.

16  A. A. Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 46.

17  Erwägungsgrund 19 der VVRL 2011/83/EU.

18  Unklar die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 17/12637, S. 74. Dort wird darauf abgestellt, ob der Verbraucher ein veraltetes Betriebssystem verwendet. Dies wird einem Unternehmer vorvertraglich (!) kaum bekannt sein.

19  A. A. Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 47; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 109.

20  Zum Begriff Föhlisch, in: Bittner/Clausnitzer/Föhlisch, Das neue Verbrauchervertragsrecht, 1.A., 2014 , Rn. 133 f.; Buchmann, K&R 2014, 369, 373.

21  DG Justice Guidance Document concerning Directive 2011/83/EU of the European Parliament and of the Council of 25 October 2011 on consumer rights, amending Council Directive 93/13/EEC and Directive 1999/44/EC of the European Parliament and of the Council and repealing Council Directive 85/577/EEC and Directive 97/7/EC of the European Parliament and of the Council, June 2014.

22  Zur Entstehungsgeschichte und den Hintergründen ausführlich Leier, VuR 2014, 281 ff.

23  DG Justice Guidance Document, S. 69.

24  DG Justice Guidance Document, S. 70.

25  Zur Kritik Buchmann/Majer, K&R 2010, 635 ff.

26  Vgl. Leier, VuR 281, 283: ein Verbraucher könnte meinen, dass der Vertrag schon geschlossen ist und nun nur noch einmal bestätigt wird.

27 A.A. jüngst AG Köln, 28.4.2014 - 142 C 354/13.

28  So aber Leier, VuR 2014, 281, 283.

29  So aber Leier, VuR 2014, 281, 283.

30  Ausführlich Buchmann, K&R 2014, 453 ff.

31  LG Frankfurt a. M., 18. 12. 2002 – 1 S 20/02.

32  Vgl. dazu Micklitz/Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 312 d BGB, Rn. 14 ff.

33  So auch Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 45.

34  Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 45.

35  Dazu Buchmann, K&R 2014, 453, 455 f.

36  BGH, 16. 7. 2008 – VIII ZR 348/06 – Payback, so auch Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 46; a. A. Schomburg, VuR 2014, 18, 20.

37  Eine Musterformulierung findet sich bei Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 46.

38  A. A. Schirmbacher/Creutz, ITRB 2014, 44, 46.

39  Zur Fristberechnung Buchmann, K&R 2014, 453, 455 f.

40  Vgl. zur alten Regelung in § 312 d Abs. 2 Nr. 1 BGB a. F. BT-Drucks. 14/2658, S. 44.

Autoren

Prof. Dr. Felix Buchmann

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