Kommunikation & Recht (K&R) 2014, 369: „Das neue Fernabsatzrecht 2014 – Teil 3: Anwendungsbereich und Ausnahmen vom Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen über Waren“

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Anwendungsbereich und Ausnahmen vom Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen über Waren

Der Beitrag zu den neuen Regelungen im Verbraucherrecht,[1] die ab dem 13. 6. 2014 gelten, knüpft an die beiden Beiträge des Verfassers aus K&R 2014, 221 ff. und 293 ff. an. Darin wurden Ausgewählte Probleme zum neuen Widerrufsrecht bei Warenkäufen (Teil 1) und die neuen Rechtsfolgen des widerrufenen Fernabsatzvertrags und die neue Musterwiderrufsbelehrung bei Warenkäufen (Teil 2) behandelt. Schwerpunkte dieses Teils sind der neue Anwendungsbereich der fernabsatzrechtlichen Regelungen (§ 312 BGB n. F.) und die neuen Ausnahmen vom Widerrufsrecht (§ 312 g Abs. 2 BGB n. F.). Die ebenfalls erweiterten Informationspflichten sind Gegenstand des folgenden Beitrags.[2]

I. Bereichsausnahmen bei Verbraucherverträgen

1. Entgeltliche Verbraucherverträge

Die „Grundsätze bei Verbraucherverträgen und besonderen Vertriebsformen“ finden nur bei Verbraucherverträgen Anwendung, die in § 310 Abs. 3 BGB n. F. als „Verträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher“3 legaldefiniert sind. Zudem muss es sich – im Unterschied zur bisherigen Rechtslage – nun auch bei Fernabsatzverträgen um eine entgeltliche Leistung des Unternehmers handeln.4 Der Begriff des Entgelts wird dabei weit als Gegenleistung5 auszulegen sein. Art. 2 Nr. 5 der Verbraucherrechterichtlinie besagt ausdrücklich, dass „der Verbraucher […] den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt“. „Preis“ kann dabei ohne weiteres als jegliche Form der Gegenleistung ausgelegt werden. Ob allerdings auch die Hingabe von Daten eines Verbrauchers als Gegenleistung verstanden werden kann,6 ist fraglich. Dies würde bedeuten, dass jedes einfache, kostenlose Gewinnspiel zu einer Reihe von nicht sinnvollen Belehrungspflichten führen würde. Daher ist bei Daten zu unterscheiden: Werden sie dem Unternehmer vom Verbraucher zur Verfügung gestellt, um überhaupt in den Genuss der Gegenleistung des Unternehmers gelangen zu können (z. B. die notwendigen Daten, um an einem Gewinnspiel teilnehmen zu können), so ist dies keine Gegenleistung. Werden vom Unternehmer hingegen mehr Daten erhoben, als zwingend erforderlich (z. B. für ein Gewinnspiel) oder Zustimmungen verlangt, die dafür nicht notwendig sind (z. B. zwingend notwendige Einwilligung in den Erhalt eines Newsletters), so handelt es sich um ein Entgelt im Sinne von § 312 Abs. 1 BGB n. F. Diese Interpretation ist auch mit dem Grundsatz der Datenvermeidung und Datensparsamkeit (§ 3 a BDSG) vereinbar. Bei Warenverkäufen ist dies insbesondere bei verkaufsfördernden Maßnahmen wie z. B. Gewinnspielen von erheblicher Bedeutung.

2. Lieferung von Lebensmitteln etc. im Rahmen von Fahrten, § 312 Abs. 2 Nr. 8 BGB n. F.

312 Abs. 2 BGB n. F. sieht nunmehr für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und für Fernabsatzverträge einheitliche Ausnahmen vom Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB n. F. vor und erweitert damit die Regelung des § 312 b Abs. 3 BGB a. F. Anwendbar für alle Verbraucherverträge bleiben einzelne Bestimmungen in Kapitel 1 und 2, ebenso die Bestimmungen zu den Verträgen im elektronischen Rechtsverkehr in Kapitel 3.

Es bleibt zudem auch künftig bei der Unterscheidung zwischen den Ausnahmen vom Anwendungsbereich der §§ 312 ff. BGB insgesamt und den Ausnahmen vom Widerrufsrecht, die sich künftig in § 312 g Abs. 2 BGB n. F. finden und nun ebenfalls für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und für Fernabsatzverträge gleichermaßen gelten. Bei letzteren handelt es sich teleologisch und systematisch allerdings nicht um Bereichsausnahmen, sondern lediglich um konkret benannte Einzeltatbestände, bei denen ein Widerrufsrecht nicht besteht.

Die Ausnahmen sind nicht immer nachvollziehbar.7 Bei den Bereichsausnahmen in § 312 Abs. 2 BGB n. F. ist für den Fernabsatz mit Waren lediglich § 312 Abs. 2 Nr. 8 BGB n. F. (Lieferung von Lebensmitteln etc.) von Bedeutung, so dass sich die folgende Darstellung darauf beschränkt.8 Erfasst werden dabei nach § 312 k Abs. 1 S. 2 BGB n. F. stets auch solche Geschäfte, die der Umgehung dieser Regelungen dienen sollen.

Der Tatbestand ist nahezu unverändert beibehalten worden (zuvor § 312 b Abs. 3 Nr. 5 BGB a. F.). Er ist wortgleich mit Art. 3 Abs. 3 lit. j der Verbraucherrechterichtlinie9 und nahezu identisch mit Art. 3 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie.10 Die Regelung ist inhaltlich eher unbestimmt. Die Begriffe „Lebensmittel“ und „Getränke“ lassen zunächst wenig Spielraum für Auslegung. Erfasst sind die Waren von Supermärkten genauso wie Lieferdienste, die z. B. Pizza zum Verbraucher nach Hause bringen. Schwierigkeiten bereitet der Begriff der „sonstigen Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs“, der aufgrund seiner Unbestimmtheit ein Einfallstor für Diskussionen ist. Das gesamte Sortiment eines Supermarktes wäre zu weit.11 In großen Supermärkten kann man mittlerweile nahezu alles kaufen.12 Der Gegenstand des privilegierten Geschäfts muss daher mit der typischen Art und Weise der Auslieferung, nämlich der Lieferung im Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten, besonders verbunden sein. Es ist daher gleichgültig, ob ein Online-Supermarkt z. B. ein Mobiltelefon online anbietet und dem Verbraucher zusammen mit Äpfeln und Milch im Rahmen der von ihm selbst durchgeführten Auslieferfahrten auch nach Hause liefert. Die Lieferung des Mobiltelefons soll insbesondere von den Vorschriften des Widerrufsrechts nicht ausgenommen sein. Dafür besteht auch rechtspolitisch kein Anlass.

Unklar ist auch, wann eine Lieferung „häufig“ oder „regelmäßig“ erfolgt. Entgegen der Ansicht des Rechtsausschusses13 (noch zur Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie) ist dabei allerdings nicht entscheidend, ob einem bestimmten Verbraucher häufig oder regelmäßig etwas geliefert wird (z. B. einmal in der Woche Lebensmittel).14 Maßgeblich ist lediglich, dass der Unternehmer solche Auslieferungen häufig oder regelmäßig allgemein an Verbraucher vornimmt. Keinen Unterschied macht es daher für die Anwendbarkeit der Vorschriften von Kapitel 1 und 2, ob der Unternehmer einem Verbraucher zum ersten Mal oder nur einmalig etwas liefert, nicht häufig und nur unregelmäßig oder schließlich täglich. Insbesondere ein Widerrufsrecht besteht in keinem dieser Fälle. Darüber zu belehren wäre praktisch auch gar nicht möglich, da dem Unternehmer diese verbraucherbezogenen Tatsachen beim Bestellvorgang nicht unbedingt bekannt sind.

Nach Sinn und Zweck der Norm sind von den häufigen oder regelmäßigen Fahrten nicht die Lieferung mit einem beauftragten dritten Logistikunternehmen, wie z. B. der Post,15 umfasst. Mit einer anderen Auslegung wäre der Verbraucherschutz für das gesamte Fernabsatzrecht für sämtliche Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs faktisch ausgehebelt, wie der BGH zutreffend geurteilt hat.16 An dieser Rechtsprechung wird sich daher auch nichts ändern.

Fraglich bleibt, ob der Unternehmer selbst die Ware liefern muss. Dies scheint zunächst der neue Wortlaut „von einem Unternehmer“ zu implizieren, während § 312 b Abs. 3 Nr. 5 BGB a. F. noch im Plural von „Unternehmern“ sprach und die Fernabsatzrichtlinie von „Händlern“. Der BGH nahm dies als Hinweis, dass auch die Lieferung durch einen anderen Unternehmer von der alten Fassung der Norm noch umfasst sein könnte.17 Die neue Rechtslage verwendet den Singular, allerdings den unbestimmten Artikel „einem“. Wenn Verkäufer und Lieferant nach dem Willen des Normgebers hätten identisch sein sollen, hätte sich angeboten, den bestimmten Artikel zu verwenden. So bleibt der Auslegungsspielraum eröffnet, dass sich der Verkäufer selbständiger dritter Unternehmer bedienen kann, um die im Wege eines Fernabsatzgeschäfts bestellte Ware zum Verbraucher zu liefern. Der Onlineshop-Betreiber muss folglich nicht zwingend einen eigenen Fuhrpark vorhalten, sondern kann auf ein Transportunternehmen zurückgreifen. Dies darf nach richtiger Ansicht des BGH allerdings kein großes Logistikunternehmen sein, womit in der Praxis Abgrenzungsschwierigkeiten die Folge und Einzelfallentscheidungen zu erwarten sind. Entscheidendes Abgrenzungskriterium bei der Einschaltung Dritter ist die Frage der Organisation der Fahrten. Fährt der Dritte z. B. die Routen nach den individuellen Vorgaben des Onlinehändlers, ist er Teil von dessen Organisation und die Bereichsausnahme greift ein. Übergibt der Onlinehändler die zu liefernde Ware an die Transportperson und überlässt, abgesehen von dem Bestimmungsort, alles Weitere der Transportperson, betreibt der Onlinehändler einen typischen Versandhandel, und die Bereichsausnahme greift nicht ein. Mit der vorgenannten Rechtsprechung des BGH ist dies im Einklang.

II. Ausnahmen vom Widerrufsrecht

Selbst wenn die verbraucherrechtlichen Regelungen insgesamt Anwendung finden, bedeutet dies nicht, dass auch die fernabsatzrechtlichen Regelungen zur Anwendung kommen müssen und der Onlinehändler einem Verbraucher insbesondere ein Widerrufsrecht anbieten muss.

1. Fernabsatzverträge

Die besonderen fernabsatzrechtlichen Vorschriften finden nur Anwendung, wenn ein Fernabsatzvertrag vorliegt. Voraussetzung dafür ist die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, wie sie beispielhaft in § 312 c Abs. 2 BGB n. F. aufgezählt sind. Unter der bisherigen Rechtslage musste der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, um einen Fernabsatzvertrag zu begründen (also Angebot und Annahme mittels Fernkommunikationsmittel abgegeben wurden18). Entgegen dieser klaren gesetzlichen Regelung, die Abgrenzungsschwierigkeiten insgesamt ausschloss, wurde mit Verweis auf § 312 b Abs. 2 BGB a. F. überwiegend davon ausgegangen, dass die persönliche Kontaktaufnahme im Rahmen der Vertragsanbahnung der Anwendung der fernabsatzrechtlichen Vorschriften nicht entgegenstehe, da dort die „Anbahnung“ ausdrücklich genannt sei. Die Anwendung des Fernabsatzrechts sei nur ausgeschlossen, wenn sich der Verbraucher zuvor persönlich über alle wesentlichen Merkmale informiert habe.19 Zudem wurde ein gewisser zeitlicher Zusammenhang zwischen persönlichem Kontakt und Vertragsschluss gefordert.20

Das neue Recht entscheidet sich ausdrücklich für die Anwendung der fernabsatzrechtlichen Vorschriften nur dann, wenn kumulativ für den Vertragsschluss und die vorausgehenden Vertragsverhandlungen ausschließlich Fernkommunikationsmittel eingesetzt werden. Die Abgrenzungsschwierigkeiten werden damit deutlich größer als zuvor. Nach Erwägungsgrund 20 der Verbraucherrechterichtlinie sollen zwar grundsätzlich nur Fernkommunikationsmittel verwendet werden dürfen, die reine Information über die Ware in einem Ladengeschäft ohne Verhandlungen darüber jedoch soll die fernabsatzrechtlichen Vorschriften nicht ausschließen. Das Abstellen auf persönlich geführte Vertragsverhandlungen über einen konkreten Vertrag in Abgrenzung zur bloßen Information über die Ware oder Dienstleistung21 ist unglücklich und wird der Rechtstatsächlichkeit nicht gerecht. In einem Ladengeschäft werden heute Verträge ganz überwiegend nicht mehr verhandelt.22 In der Regel informiert sich ein Verbraucher im Ladengeschäft über die Ware, ggf. mit Hilfe eines Verkäufers. Bereits diese Information über eine Ware oder Dienstleistung als Vertragsverhandlung auszulegen, geht weit über den Wortlaut der Norm hinaus und widerspricht auch Erwägungsgrund 20 der Verbraucherrechterichtlinie, der ausdrücklich zwischen Information und Vertragsverhandlung unterscheidet. Begreift man Sinn und Zweck des Widerrufsrechts im strukturellen Informationsdefizit des Verbrauchers,23 so hat er dieses mit der Begutachtung der Ware im Ladengeschäft überwunden, denn mehr darf er bei sich zu Hause mit der Ware auch nicht unternehmen. Es ist nicht ersichtlich, warum einem Verbraucher in diesem Fall trotzdem ein Widerrufsrecht zustehen soll.24 Auch die umgekehrte Ansicht des europäischen Normgebers in Erwägungsgrund 20 ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar: Wird ein Vertrag über Fernkommunikationsmittel angebahnt (also die Vertragsverhandlungen geführt), aber dann im Ladengeschäft geschlossen, so soll dies kein Fernabsatzvertrag sein, obgleich der Verbraucher die Ware möglicherweise noch nicht ein einziges Mal gesehen hat und folglich das Informationsdefizit fortbesteht und damit ein Widerrufsrecht durchaus sinnvoll ist. Die Definition des Fernabsatzvertrags zeigt im besonderen Maße, dass die Begründung des gesamten Fernabsatzrechts keineswegs klar ist.

2. Für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem

Wie unter der bisherigen Rechtslage auch, macht das Gesetz in § 312 c Abs. 1 BGB n. F. von einem Fernabsatzvertrag eine Ausnahme. Selbst wenn für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet wurden, soll kein Fernabsatzvertrag vorliegen, wenn der Vertragsschluss nicht in einem für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystem erfolgt ist. Dazu soll es nach Erwägungsgrund 20 nicht ausreichen, wenn ein Unternehmer im Internet lediglich über seine Waren oder Dienstleistungen informiert und seine Kontaktdaten anbietet. Vielmehr muss der Unternehmer sein Geschäft gezielt und systematisch auf den Abschluss von Fernabsatzverträgen ausgerichtet haben. Die nur gelegentliche, z. B. telefonische, Annahme von Bestellungen genügt dafür nicht.25 Bedient sich ein Unternehmer allerdings der Plattform eines Dritten, um seine Waren oder Leistungen anzubieten (eBay, Amazon etc.), so handelt es sich um Fernabsatzverträge.26 Gleichzeitig „infiziert“ der Unternehmer seinen gesamten Geschäftsbetrieb mit der Organisation. Entscheidend ist die objektive Lage. Schließt also ein Verbraucher mit einem Unternehmer telefonisch einen Vertrag – auch ohne Kenntnis davon, dass der Unternehmer seine Waren z. B. auch auf eBay anbietet – so besteht ein Widerrufsrecht. Ein einmaliges Anbieten auf einer Internetplattform wird dafür nicht genügen. Damit ein Unternehmer ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebssystem vorhält, müssen regelmäßig Waren oder Leistungen über das Internet angeboten werden und zumindest auch die Möglichkeit geboten werden, im Wege des Fernabsatzes Verträge zu schließen. Erklärt z. B. ein Autohändler, dass er die im Internet angebotenen Fahrzeuge nur verkauft, wenn diese zuvor besichtigt wurden und der Vertrag vor Ort geschlossen wird, so fehlt es an einem entsprechenden Vertriebssystem.

Beruft sich ein Unternehmer darauf, dass ein solches auf den Fernabsatz ausgerichtetes Vertriebssystem nicht besteht, so trifft ihn die Beweislast für diesen – als Ausnahmeregelung eng auszulegenden – Tatbestand. Versuche, die fernabsatzrechtlichen Vorschriften durch „anderweitige Gestaltungen“ zu umgehen, sind wegen § 312 k Abs. 1 S. 2 BGB n. F. nicht erfolgversprechend.

Diese Ausnahmeregelung ist in § 312 c BGB n. F. systematisch unglücklich verankert. Nachvollziehbarer wäre es gewesen, diesen Tatbestand in den Ausnahmenkatalog des § 312 Abs. 2 BGB n. F. aufzunehmen.

3. Der neue Ausnahmenkatalog in § 312 g Abs. 2 BGB n. F.

Liegt ein Fernabsatzvertrag oder ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Verbrauchervertrag vor, besteht grundsätzlich nach § 355 BGB ein Widerrufsrecht. Allerdings sah schon das bisherige Recht Ausnahmetatbestände vor, bei deren Vorliegen ein Widerrufsrecht nicht bestand (§ 312 d Abs. 4 BGB a. F.). Diese Ausnahmen wurden in der Verbraucherrechterichtlinie erheblich ausgeweitet und z.T. als Lobbyarbeit kritisiert.27 § 312 g Abs. 2 BGB n. F. übernimmt die Ausnahmetatbestände vom Widerrufsrecht im Wesentlichen von § 16 der Verbraucherrechterichtlinie.28

Diese Ausnahmen sind keineswegs zwingend als Einschränkung des Verbraucherschutzes zu sehen. Steht einem Verbraucher bei einer Ware, die er genutzt hat, ein Widerrufsrecht zu und übt er dieses aus, muss er allerdings bei Unmöglichkeit eines Wiederverkaufs der retournierten Ware aufgrund des Wertverlustes 100 % Wertersatz leisten. So hat er weder Geld noch Ware.29 Die Ausnahmen haben daher insbesondere im neuen Recht auch verbraucherschützende Funktion, da im Rahmen des neuen Wertersatzrechts nur noch auf den Wertverlust abgestellt wird.30

a) § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n. F. (Kundenspezifikationen)

Der erste Ausnahmetatbestand ist eine Mischung aus dem Wortlaut von Art. 16 c) und Art. 2 Nr. 4 Verbraucherrechterichtlinie. Ein Widerrufsrecht besteht nicht, sofern Waren nicht vorgefertigt sind und für deren Herstellung eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher maßgeblich ist oder die eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten sind. Geschützt werden soll hier der Unternehmer, der solche Waren, die er nicht vorhält, sondern für einen Verbraucher individuell anfertigt, nach erfolgtem Widerruf in der Regel nur noch mit erheblichen Abschlägen verkaufen kann und sie (von erheblicher Bedeutung z. B. bei Speditionsware) ggf. lange bei sich lagern muss.

Eine individuelle Auswahl oder Bestimmung durch den Verbraucher muss nicht zwingend zu einem Ausschluss des Widerrufsrechts führen. Wird die gewünschte Sache aus vorgefertigten Standardbauteilen zusammengefügt, „die mit verhältnismäßig geringem Aufwand ohne Beeinträchtigung ihrer Substanz oder Funktionsfähigkeit wieder getrennt werden“31 können, ist dies für den Unternehmer zumutbar. Der BGH hat in einer Entscheidung Rückbaukosten von weniger als 5 % des Warenwerts für zumutbar erachtet.32 Da die Begründung für den Ausschluss des Widerrufsrechts – wie schon zuvor – auf der Frage der Zumutbarkeit für den Unternehmer basiert,33 wird diese Rechtsprechung auch unter der neuen Rechtslage fortgelten.34

Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der Unternehmer die Standardbauteile vorrätig hat oder diese bestellen oder herstellen lassen muss. Der Unternehmer soll nicht davor geschützt werden, dass er ein Standardbauteil oder Standardware auf Lager hat, die sich schlecht verkaufen lässt.35 Die Grenze ist allerdings dort zu ziehen, wo es sich nicht mehr um Standardbauteile handelt und der Unternehmer daher unzumutbare Nachteile erleidet. Außergewöhnliche Wünsche eines Kunden sind kein Standard und daher vom Widerrufsrecht ausgeschlossen. Dies muss auch dann gelten, wenn sich die Ware wieder in ihre Einzelkomponenten zerlegen lässt, es sich bei einer Einzelkomponente aber nicht um ein Standardbauteil handelt.36

Wenn sich die individuell angefertigte Ware nicht mehr in einzeln verwertbare Teile zerlegen lässt, ist das Widerrufsrecht ausgeschlossen. Kann sich ein Verbraucher z. B. einen Sessel aus verschiedenen Komponenten zusammenstellen (z. B. Lehne, Füße, Bezug), die fest miteinander verbunden werden, so entsteht dadurch eine neue Gesamtware. Diese Auswahlmöglichkeit oder Bestimmung hat für den Verbraucher zwar den Vorteil der Flexibilität und Individualität, aber auch den Nachteil des Verlustes des Widerrufsrechts.

Eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnitten ist eine Ware, die unabhängig vom Geschmack aufgrund ihres Zuschnitts nicht oder nur zufällig von einem anderen Kunden gebraucht werden kann. Dazu zählen z. B. die in Erwägungsgrund 49 der Verbraucherrechterichtlinie genannten nach Maß gefertigten Vorhänge, nicht aber die vorgenannten Stühle, auch wenn sie optisch geschmacklos sein mögen.

b) § 312 g Abs. 2 Nr. 2 BGB n. F. (schnell verderbliche Ware)

Diese Ausnahme wurde in einen besonderen Tatbestand verschoben und entspricht inhaltlich § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB a. F. Eine Änderung der bestehenden Rechtslage ist damit nicht verbunden. Ziel der Regelung ist der Schutz des Unternehmers, der im Falle eines fristgerechten Widerrufs Ware zurückerhalten würde, die aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit zwingend einem Verfall unterlegen ist.37 Die falsche Behandlung einer Ware mit der Folge, dass sie verdirbt, führt hingegen nicht zum Ausschluss des Widerrufsrechts, sondern ggf. nur zu einem Wertersatzanspruch des Unternehmers. Typischer Anwendungsfall für Nr. 2 ist die Lieferung frischer Lebensmittel oder von Schnittblumen, nicht aber von lebenden Bäumen.38 Nicht darunter fallen Konserven, Getränke etc., da diese in der Regel ein langes Mindesthaltbarkeitsdatum haben. Soweit solche Gegenstände im Rahmen häufiger oder regelmäßiger Fahrten geliefert werden, greift allerdings die Bereichsausnahme in § 312 Abs. 2 Nr. 8 BGB n. F.

c) § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB n. F. (versiegelte Hygieneprodukte)

Diese neue Ausnahme konkretisiert eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die in der Rechtsprechung bislang allerdings noch recht unterschiedlich behandelt wurde.39 Anders als die Nrn. 1 und 2 handelt es sich nicht um eine per se bestehende Ausnahme vom Widerrufsrecht aufgrund der besonderen Eigenschaft des Produkts, sondern um einen Erlöschenstatbestand. Das Widerrufsrecht besteht so lange, bis der Verbraucher die Versiegelung entfernt.40

Kernfrage ist, wann ein Produkt aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zurückgegeben werden kann.41 Dabei ist nicht die physische Möglichkeit der Rückgabe entscheidend, sondern die Frage, ob diese Ware nach der Rückgabe noch einmal an einen Dritten verkauft werden kann; der Wortlaut ist insoweit missverständlich.42 Gesundheitsschutz und Hygiene werden alternativ miteinander verbunden. Es handelt sich mithin um zwei verschiedene Tatbestände, die auch unterschiedlichen Anforderungen unterliegen.43

aa) Gesundheitsschutz

Gesundheitsschutz enthält ein objektiv feststellbares Element. Wenn Bakterien, Viren und sonstige Krankheitserreger auch nur theoretisch übertragen werden können, oder aufgrund der Öffnung der Ware diese sich so verändert oder verändern kann, dass sie zu einem Gesundheitsrisiko wird, ist der Tatbestand des Gesundheitsschutzes erfüllt. Das Interesse der Allgemeinheit an der Verhinderung der Übertragung von Krankheiten überragt das Interesse des Einzelnen an der Rückgabe einer Ware deutlich. Einschränkend werden dabei nur solche Waren erfasst, die mit dem Körper in unmittelbare Berührung kommen, z. B. durch Einnehmen, Einführen oder Auftragen, sofern sie mit vertretbarem Aufwand nicht so gereinigt werden können, dass durch diese Handlungen ein Gesundheitsrisiko nicht besteht. Umfasst sind folglich z. B. Cremes, Kosmetika, Salben, Arzneimittel44 und Lebensmittel in Behältnissen. Ihnen allen ist gemein, dass nach der erstmaligen Öffnung Verunreinigungen auftreten können, die bei einem nachfolgenden Käufer möglicherweise zu einem Gesundheitsrisiko werden. Zudem entspricht es dem richtig verstandenen Verbraucherschutz, in solchen Fällen ein Widerrufsrecht nicht zuzugestehen, weil vom Verbraucher aufgrund der Unmöglichkeit, diese Ware weiter zu veräußern, 100 % Wertersatz verlangt werden könnte. Der Verbraucher würde so schlechter stehen als wenn er die Ware behält.45

bb) Hygiene

Nicht vom Gesundheitsschutz erfasst sind solche Waren, die durch Reinigung wieder in einen Zustand versetzt werden können, der nicht gesundheitsgefährdend ist. Solche Produkte können allerdings aus Gründen der Hygiene von der Möglichkeit des Widerrufs ausgenommen werden. Der Hygienebegriff unterliegt dabei subjektiven und gesellschaftlichen Kriterien46 und ist sehr viel unbestimmter als der Begriff des Gesundheitsschutzes. Abgestellt werden muss bei der Beurteilung auf einen durchschnittlichen Verbraucher, verbunden mit der Frage, ob er die entsiegelt zurückgeschickte Ware kaufen würde.

(1) Intimsphäre

Waren, die üblicherweise in der Intimsphäre genutzt werden, sind nach der Neuregelung vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.47 Dies gilt unabhängig davon, ob diese Produkte durch eine entsprechende Reinigung wieder in einen verkaufsfähigen Zustand versetzt werden können.48 Wo der natürliche Ekel einen Durchschnittsverbraucher davon abhält, ein Produkt zu kaufen, das ein vorheriger Käufer bereits verwendet haben könnte, besteht ein Widerrufsrecht nicht. Somit sind Erotikspielzeug, Unterwäsche, Piercings, Zahnbürsten, Rasierer, Kontaktlinsen etc. vom Tatbestand des § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB n. F. umfasst. Dies hat nichts mit der immer wieder bemühten Frage zu tun, ob ein Verbraucher diese Waren im Ladengeschäft testen dürfte. In einem Ladengeschäft sieht jeder Kunde die Ware, den Verkäufer und die gesamten hygienischen Umstände. Er kann sich daher ein Bild davon machen, wie die Kunden mit der ausgestellten Ware umgehen. Wird solche Ware an einen Verbraucher nach Hause verschickt, ist die Hemmschwelle der Nutzung nicht nur viel geringer, auch die hygienischen Gesamtumstände sind dem möglichen nächsten Kunden nicht bekannt. Der Erwerb einer solchen Ware, die im Rahmen des Widerrufsrechts zurückgeschickt wurde, ist unzumutbar. Solche Waren sind kategorisch – auch im Sinne des richtig verstandenen Verbraucherschutzes49 – vom Widerrufsrecht ausgeschlossen.

(2) Privatsphäre

Zu unterscheiden davon sind hygienische Waren, die (nur) der Nutzung in der Privatsphäre dienen. Hierbei handelt es sich um Waren, die zwar im unmittelbaren privaten Umfeld des Verbrauchers eingesetzt werden, bei denen jedoch nicht per se ein Gefühl des Ekels aufkommen muss, wenn diese zuvor von einem Dritten getestet wurden. Insoweit muss eine Abwägung im Einzelfall erfolgen. Auch hier sind die Verkehrsauffassung und die jeweils geltenden gesellschaftlichen Normen entscheidend. Getestete und danach gereinigte Earphones sind vom Widerrufsrecht eher nicht ausgeschlossen.50Fraglich ist dies bei Bettwäsche, Handtüchern, Schuhen und Bekleidung.51 Solche Waren können im Einzelfall durch eine entsprechende Reinigung wieder in einen Zustand versetzt werden, der faktisch neu ist, obgleich Unterschiede zum ursprünglichen Produkt erkennbar bleiben werden. Auch ist der Verbraucher es wohl eher gewohnt, solche Waren anzuziehen. Gleiches gilt für Matratzen,52 auf denen mehrere Tage „testweise“ geschlafen wurde. In der Regel entsteht in der Nacht Wärmeentwicklung und Schweißbildung, so dass der Bezug dann gereinigt oder gewechselt werden muss. Dagegen kann nicht eingewandt werden, in einem Hotel werde auch nur das Spannlaken gewechselt. Die Privatsphäre zuhause ist mit einem Hotel nicht vergleichbar, das eigene Bett ist ein exklusiver Ort.

cc) Entsiegelung

Ebenfalls nicht näher definiert ist der Begriff der Versiegelung. Auf die bisherige Rechtsprechung zu § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB a. F. kann bei diesem neuen Tatbestand nicht zurückgegriffen werden Das OLG Hamm urteilte bspw., dass die Cellophanhülle einer CD kein Siegel darstelle, sondern lediglich ein Schutz vor Verschmutzung sei.53 Dies mag für Datenträger zutreffen, in diesem neuen Kontext ist die Schutzrichtung allerdings eine andere. Während die Versiegelung des Datenträgers dazu dienen soll, dass der Verbraucher nicht den Inhalt des Datenträgers unentgeltlich erlangen kann, soll die Versiegelung im Gesundheits- und Hygienebereich primär davor bewahren, dass die Ware zu einem gesundheitlichen Risiko wird. Daher ist ein besonderer Hinweis, dass das Öffnen der Ware den Bruch eines Siegels bedeutet und zum Verlust des Widerrufsrechts führt, im Rahmen von § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB n. F. nicht erforderlich.54

Unternehmer müssen genau prüfen, ob sie ihre Ware mit einem Siegel versehen und darauf hinweisen, dass der Bruch des Siegels zum Verlust des Widerrufsrechts führt. Subsumiert ein Unternehmer eine Ware unter § 312 g Abs. 2 Nr. 3 BGB n. F., nimmt er einem Verbraucher die Möglichkeit, diese Ware auf ihre Beschaffenheit, Eigenschaften und Funktionsweise zu prüfen. Damit verschafft er sich einen erheblichen Wettbewerbsvorteil, der unlauter ist, wenn der Ausschlusstatbestand tatsächlich für diese Ware nicht einschlägig ist.

d) § 312 g Abs. 2 Nr. 4 BGB n. F. (Vermischung)

Ausdrücklich aufgenommen wurde in den Katalog der Ausnahmen der Ausschluss des Widerrufsrechts im Falle der untrennbaren Vermischung von Waren nach deren Lieferung mit anderen Waren. Dies stellt letztlich eine Selbstverständlichkeit dar, da die Rückgabe dem Verbraucher mit der Vermischung unmöglich geworden ist. Dieser Tatbestand wurde im bisherigen Recht von § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB a. F. mit der Begründung erfasst, solche vermischten Waren seien nicht mehr zur Rücksendung geeignet.55

Gegenstand dieses Tatbestands ist nur die Vermischung nach Lieferung der Ware an den Verbraucher. Unerheblich ist daher, ob die Ware vom Unternehmer nach den Vorgaben des Verbrauchers gefertigt wurde (dies findet vor der Lieferung statt) oder ob der Verbraucher selbst die gelieferte Ware zusammenbaut (sofern er nur die gelieferte Ware zusammenbaut, findet keine Vermischung mit eigenen Gütern statt).56 Erforderlich ist für diesen Tatbestand der Eigentumsübergang kraft Gesetzes nach § 947 Abs. 1 BGB oder § 948 BGB.

e) § 312 g Abs. 2 Nr. 5 BGB n. F. („vin en primeur“)

Dieser neue Tatbestand ist ein Paradebeispiel gelungener Lobbyarbeit.57 Der Kauf aus Subskription ist insbesondere im Weinhandel bekannt. Warum ausgerechnet bei diesen spekulativen Geschäften mit Alkohol ein Widerrufsrecht nicht bestehen soll, erschließt sich nicht. Angesichts der Tatsache, dass ganz entscheidende Punkte in der Verbraucherrechterichtlinie schlicht vergessen wurden,58 ist es beachtlich, dass der Wein es sogar in die Erwägungsgründe (49) geschafft hat.

f) § 312 g Abs. 2 Nr. 6 BGB n. F. (versiegelte Datenträger)

Es handelt sich, wie schon bei Nr. 3, um einen Erlöschenstatbestand. Das Widerrufsrecht besteht per se, erlischt allerdings, wenn der Verbraucher eine weitere Handlung vornimmt. Der Tatbestand entspricht § 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB a. F., spricht nunmehr allerdings – deutlicher als bisher – von einer „versiegelten Verpackung“. Änderungen sollen damit inhaltlich nicht verbunden sein.59 Die bislang streitige Frage, ob das Siegel kenntlich gemacht werden muss, bleibt bestehen. Der neue Wortlaut „versiegelte Verpackung“ scheint dabei zu implizieren, dass an der Verpackung selbst etwas angebracht wird, was mehr als eine reine Schutzhülle (z. B. eine Cellophanfolie) ist.60 Dies spricht dafür, dass das Siegel entsprechend eindeutig bezeichnet werden muss. Für den ausdrücklichen Hinweis, dass mit dem Bruch des Siegels das Widerrufsrecht erlischt, spricht auch, dass bereits mit dem Öffnen der Verpackung für den Verbraucher schwerwiegende Rechtsfolgen verknüpft sind, wobei mit der Verpackung nach Sinn und Zweck nur die Verpackung des Datenträgers selbst gemeint ist, nicht z. B. die für den Verkauf gestaltete Verpackung aus Karton, in der sich ein CD-Set befindet. Eindeutig ist allerdings, dass eine digitale Versiegelung (z. B. durch ein Passwort) nicht genügt.61

g) § 312 g Abs. 2 Nr. 7 BGB n. F. (Zeitungen etc.)

Zu erheblichen Änderungen führt der Ausnahmetatbestand in Nr. 7, wonach Verträge zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten vom Widerrufsrecht ausgenommen sind, allerdings mit Ausnahme von Abonnement-Verträgen. Die Vorschrift ist letztlich das analoge Pendant zu Nr. 6. Ziel ist es auch hier zu verhindern, dass der Verbraucher in den Genuss des Werts der Ware gelangt (z. B. die Zeitung also liest) und danach an den Unternehmer zurücksendet. Die Ausnahme gilt jetzt für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge und Fernabsatzverträge gleichermaßen. Es ist daher konsequent, dass das gewählte Fernkommunikationsmittel keine Rolle mehr spielt und insbesondere auch telefonisch abgeschlossene Verträge keinem Widerrufsrecht unterliegen. Allerdings erfährt das neue Recht eine ganz erhebliche Einschränkung, indem Abonnementverträge vom Widerrufsrecht nicht mehr ausgeschlossen sind. Einem Verbraucher muss künftig mithin für jeden Abonnementvertrag, den er außerhalb von Geschäftsräumen oder mittels Fernabsatzvertrag geschlossen hat, ein Widerrufsrecht eingeräumt werden, sofern dies nach § 510 Abs. 1 BGB nicht ohnehin der Fall war. Nicht von der Vorschrift erfasst sind Probe-Abonnements, die kostenfrei sind und nach Ablauf der Probezeit automatisch enden, da der Anwendungsbereich der Norm wegen § 312 Abs. 1 BGB n. F. schon nicht eröffnet ist. Nach Sinn und Zweck kann dies nicht gelten, wenn das zunächst kostenlose Probeabonnement sich automatisch in ein kostenpflichtiges Abonnement wandelt, wenn der Verbraucher nicht ausdrücklich vor Ablauf der Probezeit kündigt. Das kostenpflichtige Probe-Abonnement hingegen, wenn auch zu reduzierten Preisen, unterliegt stets dem Widerrufsrecht. Der Beginn der Widerrufsfrist richtet sich nach § 356 Abs. 2 Nr. 1 d) BGB n. F., wonach der Erhalt der ersten Ausgabe entscheidend ist.

III. Belehrung über das Nichtbestehen oder Erlöschen des Widerrufsrechts

Besteht ein Widerrufsrecht nicht, weil einer der Tatbestände des § 312 g Abs. 2 S. 1 Nummern 1, 2, 5 und 7 bis 13 BGB n. F. vorliegt, muss ein Verbraucher – vor- und nachvertraglich – darüber belehrt werden. Diese Information ist mit Blick auf Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 2 EGBGB n. F. i. V. m. Abs. 3 nach wie vor nicht Teil der Widerrufsbelehrung. Über das Widerrufsrecht kann der Unternehmer mit Hilfe der Musterwiderrufsbelehrung gesetzeskonform informieren, nach dem Wortlaut von Abs. 3 muss er zudem „auch“ über die Nichtbestehens- und Erlöschensgründe informieren, also außerhalb der Widerrufsbelehrung.

Bislang konnte der Unternehmer auf die Ausnahmen vom Widerrufsrecht im Anschluss an die Widerrufsbelehrung pauschal durch Wiedergabe der Ausnahmetatbestände hinweisen.62 Die Pflicht zur Subsumtion im Einzelfall oblag dem Verbraucher. Die neue Regelung lässt einen solchen pauschalen Hinweis nicht mehr zu, da nunmehr unterschieden werden muss, ob ein Widerrufsrecht nie bestand oder – ähnlich wie bei einer Dienstleistung – durch eine zusätzliche Handlung des Verbrauchers vorzeitig erlischt. Daraus darf indes nicht geschlossen werden, dass deswegen an die Bereitstellung dieser Verbraucherinformation andere Anforderungen zu stellen sind, als unter der bisherigen Rechtslage.63 Gemäß Art. 246 a § 4 Abs. 1 EGBGB n. F. ist der Unternehmer lediglich verpflichtet, die Informationen vorvertraglich in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung zu stellen. Es ist nicht sachgerecht, zwischen der Information nach Art. 246 a § 1 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB n. F. hinsichtlich der Belehrung zu unterscheiden. Auch der Wortlaut der Norm gibt nicht her, warum dem Unternehmer einmal das Subsumtionsrisiko auferlegt werden soll (Nr. 1) und einmal nicht (Nr. 2). Der unterschiedliche Wortlaut der Norm will nur den Unterschied zwischen Nichtbestehen und Erlöschen klarstellen. Mit der Art der Belehrung hat dies nichts zu tun.64 Informationen zum Widerrufsrecht erwartet ein Verbraucher ohnehin am ehesten bei der Widerrufsbelehrung.65

IV. Fazit

Bei den Bereichsausnahmen und in den Ausnahmen zum Widerrufsrecht hat die Verbraucherrechterichtlinie zahlreiche Änderungen mit sich gebracht. Weder für den Verbraucher noch für den Unternehmer bedeuten sie substanzielle Verbesserungen. Gerade bei den Ausnahmetatbeständen zum Widerrufsrecht, die deutlich erweitert wurden, ist eine längere Einzelfallrechtsprechung zu erwarten, bis die unbestimmten Begriffe zumindest einigermaßen geklärt sind.

 

 

1    Einen Überblick bieten die Beiträge von Bierekoven/Crone, MMR 2014, 687 ff.; Tonner, VuR 2013, 443 ff.; Oelschlägel, MDR 2013, 1317 ff.; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107 ff.

2    Erscheint im nächsten Heft.

3    Zum neuen Verbraucherbegriff siehe Buchmann, K&R 2014, 221, 222.

4    Bislang war dies nach § 312 BGB a. F. nur für Haustürgeschäfte relevant.

5    Brönneke/Schmidt, VuR 2014, 3; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 312 n. F. Rn. 3 f.

6    Vgl. Brönneke/Schmidt, VuR 2014, 3; Wendehorst, NJW 2014, 577, 580; Masuch, in: MüKo BGB, 6.A, 2012, § 312 Rn. 29 ff.; Schmidt-Kessel, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, abrufbar unter http://www.zivilrecht9.uni-bayreuth.de/pdf_ordner/Stellungnahme_VRRL.pdf.

7    Zu den redaktionellen und inhaltlichen Problemen vgl. Wendehorst, NJW 2014, 577, 580.

8    Zu den anderen Tatbeständen vgl. Brönneke/Schmidt, VuR 2014, 3.

9    RL 2011/83/EU vom 25.10. 2011 über die Rechte der Verbraucher.

10  RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 5. 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz.

11  So aber Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 n. F. Rn. 16.

12  Sogar Autos wurden beim Lebensmitteldiscounter Plus schon angeboten.

13  BT-Drucks. 14/3195, S. 30.

14  A. A. wohl Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 n. F. Rn. 16.

15  BGH, 9. 6. 2011 – I ZR 17/10, K&R 2012, 51 ff. – Computer-Bild.

16  BGH, 9. 6. 2011 – I ZR 17/10, K&R 2012, 51 ff. – Computer-Bild mit zahlreichen weiteren Nachweisen.

17  BGH, 9. 6. 2011 – I ZR 17/10, K&R 2012, 51 ff. – Computer-Bild.

18  Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 b a. F. Rn. 8.

19  Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 b a. F. Rn. 8; Wendehorst, in: MüKo BGB, 6. Aufl. 2012, § 312 b Rn. 53 f.; a. A. Roßnagel-Brönneke, Beck’scher Kommentar zum Recht der Telemediendienste, 2013, § 312 b BGB, Rn. 49 f.

20  AG Frankfurt a. M., 6. 6. 2011 – 31 C 2577/10, K&R 2011, 747 ff.; LG Berlin, 12. 3. 2013 – 83 S 52/12.

21  Brönneke/Schmidt, VuR 2014, 3, 4.

22  Die Abgrenzung ist in der Praxis ohnehin schwierig, vgl. auch Wendehorst, in: MüKo BGB (Fn. 19), § 312 b Rn. 53.

23  Vgl. Erwägungsgrund 37 der Verbraucherrechterichtlinie: „Da der Verbraucher im Versandhandel die Waren nicht sehen kann, bevor er den Vertrag abschließt, sollte ihm ein Widerrufsrecht zustehen“. Vgl. auch BGH, 21. 10. 2004 – III ZR 380/03, K&R 2005, 37 ff.

24  Ähnlich Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 3, 4.

25  BT-Druck. 14/2658, S. 30: „Die Existenz eines organisierten Vertriebssystems verlangt, dass der Unternehmer in personeller und sachlicher Ausstattung innerhalb seines Betriebes die Voraussetzungen organisatorisch geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen.“, vgl. auch OLG Hamm, 14. 3. 2011 – I-31 U 162/10, Rn. 19; BGH, 21. 10. 2004 – III ZR 380/03, K&R 2005, 37 ff.; Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 c n. F. Rn. 6; Wendehorst, in: MüKo BGB (Fn. 19), § 312 b Rn. 58; Saenger, in: Erman, BGB, 12. Aufl. § 312 b Rn. 5; Schmidt-Räntsch, in: Bamberger, BGB, 2. Aufl. 2012, § 312 b Rn. 24.

26  Vgl. zu mobile.de AG Rendsburg, 21. 11. 2008 – 18 C 659/08.

27  Schmidt/Brönneke, VuR 2013, 448 f.; Brönneke/Schmidt, VuR 2014, 3, 5; Föhlisch, Das Widerrufsrecht im Online-Handel, S. 89 f., S. 120; Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 g n. F. Rn. 3. [weitere ergänzen].

28  Entgegen Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 g n. F. Rn. 3 wurden die Tatbestände allerdings nicht ganz wörtlich übernommen.

29  Vgl. den Fall des AG Backnang, 17. 6. 2009 – 4 C 810/08, K&R 2009, 747 ff. siehe auch OLG Dresden, 23. 8. 2001 – 8 U 1535/01, NJW-RR 2001, 1710 f.

30  Im Einzelnen dazu Buchmann, K&R 2014, 221, 225.

31  BGH, 19. 3. 2003 – VIII ZR 295/01 – built-to-order.

32  BGH, 19. 3. 2003 – VIII ZR 295/01 – built-to-order; so auch AG Hoyerswerda, 22. 11. 2007 – 1 C 356/07; LG Hannover, 20. 3. 2009 – 13 S 36/08; AG Schönebeck, 26. 9. 2007 – 4 C 328/07.

33  BT-Drucks. 17/12637, S. 56.

34  So auch Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242, 244 f.; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 112.

35  BGH, 19. 3. 2003 – VIII ZR 295/01 – built-to-order.

36  A. A. BGH, 19. 3. 2003 – VIII ZR 295/01 – built-to-order.

37  OLG Celle, 4. 12. 2012 – 2 U 154/12.

38  Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 g n. F. Rn. 5; OLG Celle, 4. 12. 2012 – 2 U 154/12. [K&R 2013, 353 ff. =]

39  OLG Köln, 27. 4. 2010 – 6 W 43/10; OLG Koblenz, 9. 2. 2011 – 9 W 680/10; vgl. insgesamt Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751, 3755.

40  Zur streitigen Frage, wo der Verbraucher darüber informiert werden muss, vgl. Buchmann, K&R 2014, 221, 222 ff.; a. A. Rätze, in: Solmecke, Handel im Netz – Rechtsfragen und rechtliche Rahmenbedingungen des e-Commerce, 2014, Kap. 5.

41  Schmidt/Brönneke, VuR 2013, 448, 449.

42  So auch Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 112.

43  Vgl. dazu auch (ohne diese Aufteilung): Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242, 245 f.; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 112 f.

44  LG Halle, 8. 1. 2013 – 8 O 105/12.

45  So auch Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71, 72.

46  So auch Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242, 246.

47  Wie hier Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242, 246; Becker/Föhlisch, NJW 2008, 3751; a. A. Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 g n. F. Rn. 6; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 112 f.; Janal, WM 2012, 2314.

48  A. A. Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 g n. F. Rn. 6; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 112 f.; Janal, WM 2012, 2314.

49  Siehe dazu oben II.3..

50  A. A. Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 112.

51  Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 71, 72.

52  A. A. Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 112.

53  OLG Hamm, 30. 3. 2010 – I-4 U 212/09; so auch Wendehorst, in: MüKo BGB (Fn. 19), § 312 d Rn. 57; a. A. Micklitz/Schirmbacher, in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl. 2011, § 312 d Rn. 20.

54  So auch Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242, 245; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 113.

55  BT-Drucks. 17/12637, S. 56.

56  Anders Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 113, die auch zusammengebaute Möbelstücke unter diesen Tatbestand fassen.

57  Siehe z. B. die deutliche Kritik von Föhlisch, MMR 2013, 71, 73.

58  Siehe dazu z. B. Buchmann, K&R 2014, 221 ff.

59  BT-Drucks. 17/12637, S. 56; so auch Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 113.

60  So auch OLG Hamm, 30. 3. 2010 – 4 U 212/09; Grüneberg, in: Palandt (Fn. 5), § 312 g n. F. Rn. 9; a. A. Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 113; Hoeren/Föhlisch, CR 2014, 242, 245; Wendehorst, in: MüKo BGB (Fn. 19), § 312 d Rn. 60.

61  LG Frankfurt a. M., 18. 12. 2010 – 2/1 S 20/02; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 113.

62  BGH, 9. 12. 2009 – VIII ZR 219/08, K&R 2010, 181 ff. m. Anm. Buchmann.

63  A. A. Wendehorst, in: MüKo BGB (Fn. 19), Art. 246 a § 1 EGBGB, Rn. 10.

64  Ergibt sich auch nicht aus den Materialien, vgl. BT-Drucks, 17/12637, S. 75; auch nicht aus Art. 6 Abs. 1 lit k) VRRL ersichtlich.

65  Ausführlich dazu Buchmann, K&R 2014, 221, 225.

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Prof. Dr. Felix Buchmann

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