Kommunikation & Recht (K&R), 2020, 259: „Belehrungspflicht über Herstellergarantien bei Fernabsatzverträgen (?)“ (gemeinsam mit Fabian Großbach)

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Zugleich Anmerkung zu LG Bochum, 27. 11. 2019 – I-15 O 122/19, K&R 2020, und OLG Hamm, 26. 11. 2019 – 4 U 22/19, K&R 2020, 220 ff.

I. Einführung

Die Werbung mit einer Garantie ist für Online-Händler ein wichtiges Instrument, um Verbraucher zu einer Kaufentscheidung zu bewegen. Eine (verschuldensunabhängige) Garantie suggeriert dem Interessenten eine besondere Sicherheit beim Erwerb des Produkts. Schon vor Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ins deutsche Recht ist die Werbung mit Garantien immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung gewesen. Dabei hatte der BGH schließlich herausgearbeitet, dass eine vollständige Garantieerklärung bei Fernabsatzverträgen nur notwendig ist, wenn der Händler ein bindendes Angebot abgibt, nicht aber für den Fall, dass nur eine invitatio ad offerendum vorliegt. Konsequenterweise bedeutete dies für Online-Shops, dass eine Garantieerklärung nicht vorgehalten werden musste, wenn mit einer Garantie geworben wurde1, auf der Plattform „eBay“ hingegen schon2.

Mit Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie ins deutsche Recht wurde diese Unterscheidung aufgegeben, da Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 i. V. m. Art. 246 a § 4 Abs. 1 EGBGB die Information über den Inhalt einer Garantie vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers verlangt.3 Unstreitig gilt dies seitdem für den Fall, dass der Online-Händler aktiv mit einer Garantie wirbt (indem er u.a. den Hinweis „2 Jahre Garantie“ im Angebotstext verwendet). In diesem Fall muss der Händler eine dem § 479 BGB genügende vollständige Garantieerklärung im Angebot vorhalten, wobei ein entsprechender Link auf die Garantiebedingungen4 genügen soll.

Zwei neue Entscheidungen könnten für Online-Händler allerdings weitreichende Konsequenzen haben. Das OLG Hamm5 entschied, dass bereits jeglicher Hinweis auf eine Garantie (hier in einem verlinkten Flyer auf die Betriebsanleitung des Herstellers, die ihrerseits lediglich einen pauschalen Hinweis auf eine Garantie des Herstellers enthielt) die vollständige Informationspflicht nach § 479 BGB auslöse; eine ausdrückliche Werbung mit der Garantie durch den Online-Händler sei dafür nicht notwendig. Noch weitergehend urteilte das LG Bochum6, dass eine vollständige Garantieerklärung vom Online-Händler auch dann vorgehalten werden müsse, wenn der Online-Händler die Garantieerklärung gar nicht erwähnt, der Hersteller allerdings eine solche Garantie anbietet. Sollte sich diese Rechtsprechung bestätigen, würde dies umfangreiche Nachforschungspflichten für Online-Händler mit sich bringen und – wegen der für den Händler nicht beeinflussbaren Vorgaben in § 479 BGB – auch die Gefahr weiterer Abmahnungen.

II. Garantie und Garantievertrag

1. Legaldefinition der Garantie

Im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL)7 wurde auch § 443 BGB an Art. 2 Nr. 14 VRRL angepasst und eine Legaldefinition des Begriffs der Garantie ins deutsche Recht eingeführt. Eine Garantie ist gegeben, wenn „der Verkäufer, der Hersteller oder ein sonstiger Dritter in einer Erklärung oder einschlägigen Werbung, die vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar war, zusätzlich zu der gesetzlichen Mängelhaftung insbesondere die Verpflichtung ein[geht], den Kaufpreis zu erstatten, die Sache auszutauschen, nachzubessern oder in ihrem Zusammenhang Dienstleistungen zu erbringen, falls die Sache nicht diejenige Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt, die in der Erklärung oder einschlägigen Werbung beschrieben sind“.8

Der Begriff der Garantie setzt folglich entweder eine „Erklärung“ oder eine „einschlägige Werbung“ des Garantiegebers voraus, die vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar war. In welchem zeitlichen Zusammenhang genau sie verfügbar gewesen sein muss und welche Qualität die Zurverfügungstellung haben muss, ist nicht geregelt. Dies ist für die Frage, ob eine Garantie i. S. d. BGB vorliegt, allerdings von zentraler Bedeutung.

a) Garantieerklärung

Soweit einem Käufer bestimmte, über die Gewährleistung hinausgehende, Rechte erklärt werden, also im Sprachgebrauch eine Garantieerklärung vorliegt, muss diese bereits den Vorgaben des § 479 BGB genügen. Sie ist eine Willenserklärung und damit – im Gegensatz zur bloßen Werbung – unmittelbar auf den Abschluss eines Vertrags mit dem Käufer gerichtet. Ob sich der Hinweis „vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar“ auch auf die Garantieerklärung bezieht oder nur auf die einschlägige Werbung, ergibt sich weder aus der VRRL noch aus den Gesetzesmaterialien9. Mit Blick auf die §§ 145 ff. BGB spricht vieles dafür, dass sich dieser Zusatz nicht auf die Garantieerklärung bezieht, die als annahmefähige Willenserklärung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen muss.

b) einschlägige Werbung mit einer Garantie

Anders als die Garantieerklärung stellt die Werbung mit einer Garantieleistung kein annahmefähiges Angebot dar. Ausweislich des Wortlauts genügt die Werbung des Herstellers mit bestimmten über die Gewährleistung hinausgehenden Käuferrechten zudem nicht, um die Legaldefinition des § 443 Abs. 1 BGB zu erfüllen, sie muss zudem auch „einschlägig“ und „vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar sein.10 Ist die Werbung mit einer Garantieleistung allerdings einschlägig und verfügbar und liegt mithin eine „Garantie“ im Sinne der Legaldefinition vor, so führt dies nach geltendem Recht zwingend dazu, dass § 479 BGB beachtet werden muss.

Eine Definition des Begriffs der Werbung fehlt sowohl in der VRRL als auch im BGB. Im vorliegenden Kontext wird es bei der Werbung eines Herstellers in der Regel um ein Verhalten gehen, das auf die Förderung des Absatzes der eigenen Waren gerichtet ist. Ähnlich wie die geschäftliche Handlung im UWG ist der Begriff der Werbung – insbesondere im Hinblick auf den vom europäischen Gesetzgeber angestrebten Gesetzeszweck – weit zu verstehen. Folglich ist jeder Hinweis auf eine Garantie, der sich an einen potentiellen Käufer richtet, als Werbung zu verstehen.

Dieser weite Begriff erfährt durch das zusätzliche Erfordernis „einschlägig“ eine Einschränkung. Es ist nicht jede Werbung erfasst, sie muss eine bestimmte Qualität aufweisen. Was der europäische Normgeber damit meinte, ist unklar. Jegliche Erläuterung oder Erklärung fehlt. Auch dem deutschen Recht war der Begriff bislang unbekannt.11 Nach Sinn und Zweck ist die Werbung wohl einschlägig, wenn sie konkret produktbezogen ist, während es auf den Inhalt und die Umstände der Garantieleistung nicht ankommt; diese sind Gegenstand des Begriffs der Werbung.12 Einschlägig ist eine Werbung mithin immer dann, wenn sie für ein konkretes Produkt erfolgt und nicht lediglich allgemein Waren eines Herstellers betrifft oder einem konkreten Produkt nicht zugeordnet werden kann (z. B. reine Imagewerbung).

c) Verfügbarkeit der Werbung

Ähnlich wie die Einschlägigkeit ist auch die Verfügbarkeit der Werbung als Einschränkung des weiten Begriffs der Werbung zu verstehen. Die Verfügbarkeit beschreibt die Verknüpfung der Kaufentscheidung des Käufers mit seiner Kenntnis von der ausgelobten Garantieleistung.13 Da im Zeitalter des Internets praktisch alles immer und jederzeit verfügbar ist, bedarf der Begriff einer engen Auslegung; dies gilt umso mehr, als die Verfügbarkeit vor oder bei Vertragsabschluss gegeben sein muss.14 Allein die Tatsache, dass sich eine Information zu einer Garantieleistung z. B. im Internet finden lässt, genügt den Anforderungen der Verfügbarkeit mithin nicht. Dagegen darf man auch die tatsächliche Kenntnis des Käufers von der Garantiezusage im Zeitpunkt des Kaufs nicht als Maßstab nehmen. Der Nachweis der tatsächlichen Kenntnisnahme ist nicht Bestandteil von § 443 Abs. 1 BGB.

Sinn und Zweck der Einschränkung ist eine Bezugnahme auf diejenige vorhandene Werbung, die für einen Käufer vor oder bei der Kaufentscheidung so präsent war, dass sie seine Kaufentscheidung beeinflusst hat. Auszugehen ist dabei in Anlehnung an das UWG vom Durchschnittskäufer, der angemessen aufmerksam eine Kaufentscheidung trifft.15 Da der Käufer einen Anspruch auf Abschluss eines Garantievertrags mit dem beworbenen Inhalt hat, besteht eine gewisse Parallele zur Frage, ob sich ein Angebot auf einen bestimmten Personenkreis ausrichtet. Folglich können für die Frage der Verfügbarkeit die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Ausrichtung eines Angebots i. S. d. Art. 6 Abs. 1 b) Rom I-VO16 herangezogen werden.17 Zu beachten sind damit insbesondere Sprache, Währung, Top-Level-Domain, Ort der Werbung, Länder-Vorwahl, etc.18 Diese Indizien müssen dann im Wege einer Zusammenschau gewertet werden. Besondere Zusagen des Herstellers in einer fremden Sprache richten sich z. B. nicht an einen deutschen Käufer und sind für ihn daher nicht verfügbar. Gleiches gilt für nur lokal begrenzt ausliegende Flyer, die sich z. B. eben gerade nicht an einen Käufer im Internet wenden und ihm daher ebenfalls nicht verfügbar sind. Dies gilt auch dann, wenn der Flyer einem Käufer zufälligerweise bekannt sein sollte.

Ausweislich des Wortlauts genügt es, wenn diese Werbung „vor“ dem Abschluss des Kaufvertrags verfügbar war; nicht notwendig ist folglich, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses immer noch verfügbar ist. Hier muss ein gewisser zeitlicher Zusammenhang gefordert werden, der den Zusammenhang zwischen Kaufentscheidung und Garantiewerbung noch realistisch erscheinen lässt. Andererseits kann auch dem Garantiegeber eine Verpflichtung obliegen, den Widerruf einer Garantiezusage in der gleichen Art und Weise zugänglich zu machen, wie die Werbung mit der Garantieleistung selbst.

d) Zwischenergebnis

Eine Garantie im Sinne des § 443 Abs. 1 BGB liegt in der Werbung des Herstellers nur vor, wenn sich die Werbung mit einer über die Gewährleistung hinausgehenden Zusage auf ein konkretes Produkt bezieht, und sie zudem auf den jeweiligen Käufer ausgerichtet ist. Die tatsächliche Kenntnis des Käufers ist nicht erforderlich.

2. Garantievertrag

Der Anspruch aus einer Garantiezusage des Herstellers besteht nur, wenn zwischen dem Garantiegeber und dem Käufer ein entsprechender Garantievertrag geschlossen wurde. Auch ein Garantievertrag kommt durch zwei sich deckende Willenserklärungen zustande, die in Bezug aufeinander abgegeben wurden.19 Dies wird jedenfalls dann problematisch, wenn der Online-Händler eine Herstellergarantie nicht einmal erwähnt hat. Selbst unterstellt, der Hersteller habe in der Öffentlichkeit aktiv mit einer Garantie geworben, so bedarf es doch noch eines Vertragsschlusses zwischen ihm und dem Käufer.20 Liegt dem Produkt dann keine Garantiekarte des Herstellers bei, ist die öffentliche Äußerung des Herstellers in der Werbung ad incertas personas jedenfalls nicht geeignet, eine bindende Willenserklärung des Garantiegebers gegenüber einem konkreten Verkäufer darzustellen, die dann auch noch ohne entsprechende Übermittlung der Annahmeerklärung des Verbrauchers nach § 151 BGB zu einem Vertragsschluss führt.21 Mangels Hinweis des Online-Händlers in seinem Angebot kommt auch keine Stellvertreter-Lösung in Betracht. In diesem Fall hat der Käufer nur einen Anspruch gegen den Hersteller auf Abschluss eines Garantievertrags mit dem Inhalt, wie er sich aus der Werbung ergibt. Am Begriff der Garantie i. S. d. § 443 Abs. 1 BGB ändert dies freilich nichts, was für die nachfolgende Frage der Informationspflicht von Bedeutung ist.

III. Informationspflichten bei Fernabsatz‐Verträgen

Nach § 312 d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 246 a § 4 Abs. 1 EGBGB treffen den Unternehmer bei Fernabsatzverträgen eine Reihe vorvertraglicher Informationspflichten. Wunsch des europäischen Normgebers war es, mit der Verbraucherrechterichtlinie ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und einem Verbraucher zu ermöglichen, eine informierte Entscheidung zu treffen.22 Dieses Ziel soll insbesondere durch eine Masse an vorvertraglich zur Verfügung zu stellenden Informationen erfüllt werden.23 Nach diesem Konzept muss ein Verbraucher dann über den Inhalt einer Garantieleistung informiert werden, wenn sie für ihn Bestandteil des Entscheidungsprozesses für den Kauf eines Produkts war. Denn nur dann kann er eine informierte Entscheidung treffen.

Art. 6 Abs. 1 m) VRRL verlangt, dass der Unternehmer einem Verbraucher vorvertraglich klar und verständlich „gegebenenfalls den Hinweis auf das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleistungen und gewerblichen Garantien“ erteilt. Die deutsche Fassung normiert die Pflicht, „gegebenenfalls [über] das Bestehen und die Bedingungen von Kundendienst, Kundendienstleitungen und Garantien“ zu belehren. Obwohl hier der Zusatz „den Hinweis auf“ fehlt (der möglicherweise einschränkend sein könnte), dürfte dieser keine eigenständige Bedeutung haben, wie die englische und französische Version der Verbraucherrechterichtlinie zeigen, die dieses Wort jeweils nicht enthalten.

Der Begriff der Garantie in Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB und § 443 Abs. 1 BGB ist einheitlich zu verstehen. Die Verbraucherrechterichtlinie definiert die „gewerbliche Garantie“ in Art. 2 Nr. 14 VRRL und verwendet den Begriff in der Folge auch bei den Informationspflichten. Liegt mithin eine Garantie i. S. d. § 443 Abs. 1 BGB vor, so ist über das Bestehen der Garantie und über ihre Bedingungen zu informieren. Der eindeutige Wortlaut der Norm lässt keine andere Interpretation zu. Die Bedingungen der Garantie müssen dabei den Vorgaben des § 479 Abs. 1 BGB genügen. Ein Verstoß gegen geltendes Recht (und damit wegen § 3 a UWG auch ein abmahnbarer Verstoß gegen das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) liegt folglich nicht nur dann vor, wenn der Unternehmer keine Garantieerklärung zur Verfügung stellt, sondern auch, wenn diese inhaltlich nicht den gesetzlichen Vorgaben genügt.

Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, eine Belehrung des Online-Händlers über eine Hersteller-Garantie sei nicht erforderlich, weil es sich um ein ganz anderes Vertragsverhältnis handelt, mit dem der Händler gar nichts zu tun hat.24 Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB unterscheidet in systematischer Hinsicht explizit – anders als etwa Nr. 2 – nicht zwischen eigenen und fremden Informationen. Zudem geht es dem europäischen Normgeber nach Sinn und Zweck um eine möglichst umfassende Information des Verbrauchers, damit dieser eine informierte Entscheidung treffen kann. Auch wenn die Garantie nicht Gegenstand des Vertrags zwischen Verbraucher und Händler ist, so ist sie doch mit der Kaufsache unmittelbar verbunden, und damit für den Verbraucher für seine Kaufentscheidung von Bedeutung. Man mag es gut oder bedenklich finden, dass einem Händler solche Informationspflichten aufgebürdet werden, dennoch entspricht es dem Konzept der Verbraucherrechterichtlinie.25

1. Information bei Werbung mit Garantie durch Händler

Bietet ein Händler selbst eine Garantie an oder wirbt er aktiv mit der Garantie eines Herstellers im Angebot (z. B. „2 Jahre Garantie“), so ist er – nach mittlerweile einhelliger Ansicht26 – verpflichtet, auch die Garantiebedingungen nach Maßgabe des § 479 BGB zur Verfügung zu stellen, mithin eine vollständige Garantieerklärung.

2. Information bei verstecktem Hinweis auf Hersteller-Garantie (OLG Hamm)

In dem vom OLG Hamm27 zu entscheidenden Sachverhalt hatte ein Händler auf der Plattform „Amazon“ ein Taschenmesser verkauft und unter der Überschrift „Weitere technische Informationen“ eine „Betriebsanleitung“ des Herstellers per Hyperlink verlinkt. Beim Anklicken des Links öffnete sich eine pdf-Datei des Herstellers, und neben Hinweisen zum Produkt ergab sich auch folgender Hinweis in deutscher Sprache: „Die [Hersteller]-Garantie erstreckt sich zeitlich unbeschränkt auf jeden Material- und Fabrikationsfehler (für Elektronik 2 Jahre). Schäden, die durch normalen Verschleiß oder durch unsachgemäßen Gebrauch entstehen, sind durch die Garantie nicht gedeckt“. Der Händler wurde abgemahnt, da die Garantieerklärung den Vorgaben des § 479 Abs. 1 BGB nicht genüge. Zu Recht, wie das OLG Hamm befand, denn die Garantieerklärung genüge nicht den gesetzlichen Vorgaben. Ob hier ein Verstoß gegen § 3 a i. V. m. § 479 Abs. 1 BGB vorliege, könne dahinstehen, jedenfalls sei ein Verstoß gegen § 3 a i. V. m. § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB gegeben. Denn diese Norm knüpfe allein an die Existenz einer Garantieerklärung an, in welcher Form auch immer.

Unter den vorgenannten Aspekten erweist sich die Entscheidung als richtig, wenn auch die Entscheidung die einschlägige Norm § 443 Abs. 1 BGB nicht erwähnt. Subsumiert man den Sachverhalt unter die oben genannten Tatbestandsmerkmale einer Garantie, dann lag bereits eine echte Garantieerklärung vor und nicht lediglich die Werbung mit einer Garantie. Mit dem OLG Hamm ist es unerheblich, ob der Hinweis auf die Garantieleistung des Herstellers nur versteckt in einer Betriebsanleitung vorhanden war. Das Dokument war Gegenstand eines konkreten Angebots [untechnisch] auf der Plattform „Amazon“ und wurde damit Vertragsbestandteil des Angebots des Käufers auf Abschluss eines Kaufvertrags. Es war insbesondere nicht auszuschließen, dass ein Käufer sich diese Betriebsanleitung angesehen und daher die Garantie zum Bestandteil seines Entscheidungsprozesses gemacht hat. Dann muss er auch gemäß den gesetzlichen Vorgaben des § 479 Abs. 1 BGB informiert werden.

Für eine vollständige und den Vorgaben des § 479 Abs. 1 BGB genügende Garantieerklärung ist es also nicht erforderlich, dass der Online-Händler aktiv mit der Hersteller-Garantie wirbt, jeglicher Hinweis in seinem Angebot auf eine solche Garantie löst bereits die weitergehenden Informationspflichten aus.

3. Information ohne Hinweis auf Hersteller-Garantie (LG Bochum)

Noch weiter ging das LG Bochum28, das eine Informationspflicht sogar dann annimmt, wenn der Online-Händler die Herstellergarantie in seinem Angebot [untechnisch] gar nicht erwähnt. Ein Online-Händler hatte einen Elektroartikel auf einer Plattform zum Kauf angeboten. Der Hersteller lobte auf seiner Herstellerwebsite unter https://www.[hersteller].com/legal/warranty/ eine Garantie in deutscher Sprache mit dem Hinweis „Auf ein (1) Jahr beschränkte [Hersteller]-Garantie – (Deutschland)“ aus. Das LG Bochum sah in der fehlenden Information über die Inhalte der Garantie im Angebot [untechnisch] des Online-Händlers einen Verstoß gegen § 3 a i. V. m. § 312 d Abs. 1 S. 1 BGB, Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB. Die Informationspflicht betreffe insbesondere auch die Garantie eines Dritten29, folglich hier des Herstellers, die § 479 Abs. 1 BGB nicht genüge.

In seiner Entscheidung legt das Gericht die Regelungen in Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 EGBGB schulmäßig aus, setzt dabei aber stets die Garantie i. S. d. § 443 Abs. 1 BGB als selbstverständlich gegeben voraus. Die Anwendbarkeit von Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 EGBGB hängt aber davon ab, ob überhaupt eine Garantie im Sinne des § 443 Abs. 1 BGB vorliegt. Anders als im Fall des OLG Hamm kommt eine Garantieerklärung hier mangels Einbeziehens des Hinweises auf eine Garantie in den zwischen Online-Händler und Käufer geschlossenen Vertrags nicht in Betracht.

Eine Garantie läge folglich nur vor, wenn eine einschlägige Werbung vor oder bei Vertragsschluss verfügbar war. Es müsste sich folglich um eine auf ein konkretes Produkt bezogene Werbung gehandelt haben, die sich an den deutschen Käufer gerichtet hat. Es ist schon fraglich, ob die Hinweise eines Herstellers auf seiner allgemeinen Unternehmensseite auf einer „.com“ Domain in Deutschland als Werbung im Sinne des § 443 Abs. 1 BGB verstanden werden können. Zu bedenken ist weiter, ob im vorliegenden Fall diese Hinweise „einschlägig“ im Sinne der Norm waren oder sich allgemein auf die Produkte des Herstellers bezogen haben. Zur Verfügbarkeit bei oder vor Vertragsschluss ist ebenfalls nichts bekannt, insbesondere nicht, ob es sich um allgemein bekanntes Wissen handeln (muss), dass dieser Hersteller eine Garantie anbietet, so dass für eine informierte Entscheidung des Käufers zwingend die Information über alle Garantiebedingungen verlangt werden muss. Dafür bedürfte es auch der Feststellung, ob und wie der Wettbewerb dieses Herstellers mit anderen Herstellern ausgestaltet ist und ob die Frage der Garantiebedingungen für die Kaufentscheidung überhaupt von Relevanz ist.30

Ob das Urteil inhaltlich richtig ist, kann hier mit dem bekannten Sachverhalt nicht beurteilt werden, die Begründung ist in dieser Form jedenfalls nicht ausreichend, weil ein zentraler Aspekt nicht behandelt wird.

IV. Konsequenzen für Online-Händler

Es genügt nicht, dass ein Online-Händler in seinem eigenen Angebot auf das Wort „Garantie“ oder auf sonstige Hinweise verzichtet, die darauf schließen lassen, dass der Hersteller für eine bestimmte Beschaffenheit verschuldensunabhängig einstehen will31, und damit von allen Sorgen befreit ist. Wenn er Produkte anbietet, für die der Hersteller selbst in der einschlägigen Werbung und für den Kundenkreis des Online-Händlers verfügbar eine Garantie bewirbt, so ist der Online-Händler verpflichtet, die vollständigen Garantiebedingungen des Herstellers verfügbar zu machen. Ob dies bereits als Nachforschungspflicht verstanden werden kann, ist Auslegungssache. Jedenfalls muss ein Online-Händler wissen, was er verkauft; dieser Kenntnisstand schließt das Vorliegen einer Hersteller-Garantie ein.

Auch wenn dies zunächst als massive Belastung des Online-Händlers verstanden werden könnte, ist diese Verpflichtung noch im Rahmen des Möglichen. Wenn selbst ein potenzieller Kunde, der sich im üblichen Umfang vor dem Erwerb eines Produkts mit der Frage einer Herstellergarantie befassen kann, weil diese durch die Werbung, die sich an diesen Kunden richtet, hinreichend bekannt ist, dürfte auch ein Online-Händler von der Garantie des Herstellers Kenntnis haben.

Unmöglich hingegen wird für den Online-Händler die sich daraus ergebende Konsequenz, nämlich das Vorhalten einer rechtskonformen Garantieerklärung, auf deren Inhalt er keinen Einfluss hat. Wer allerdings aktiv auf die Garantieerklärung des Herstellers verlinkt, macht sich deren Inhalt auch zu eigen, so dass er für den Fall der Nichtkonformität mit § 479 Abs. 1 BGB auch persönlich dafür haftet und insbesondere auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann.32 Der zweite Schritt in der -Stufen-Prüfung wird daher für Online-Händler das entscheidende Problem werden: Stellt sich in der ersten Stufe der Prüfung heraus, dass der Hersteller eine Garantie für ein bestimmtes Produkt anbietet und bewirbt, muss der Händler in der zweiten Stufe prüfen, ob die Garantieerklärung § 479 Abs. 1 BGB genügt. Ohne juristische Kenntnisse wird ein Online-Händler hierzu kaum in der Lage sein. Im Zweifel muss er also das Produkt aus seinem Angebot nehmen.

V. Fazit

Die gesetzeskonforme Information über eine Hersteller-Garantie erfolgt im Wege eines 2-Stufen Tests:

Verwendet ein Händler in seinem Angebot – gleich in welcher Form und an welchem Ort – Hinweise darauf, dass der Hersteller des Produkts für dessen Beschaffenheit und/oder Haltbarkeit eine Verpflichtung übernimmt, die über die gesetzliche Mängelhaftung hinausgeht, so handelt es sich um eine Garantie im Sinne des § 443 Abs. 1 BGB. Über die Bedingungen der Garantie muss er gemäß Art. 246 a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 i. V. m. Art. 246 a § 4 Abs. 1 EGBGB vor Abgabe der Willenserklärung des Verbrauchers klar und verständlich informieren. Dies umfasst eine Garantieerklärung nach Maßgabe des § 479 Abs. 1 BGB.

Verwendet ein Händler in seinem Angebot keine solchen Hinweise, so treffen ihn dennoch die gleichen Verpflichtungen, wenn der Hersteller dies in der einschlägigen Werbung, die vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar war, erklärt hat. Nur dann können sie Teil der Vorstellung des Verbrauchers werden und damit seiner Kaufentscheidung zugrunde liegen. Entscheidend ist also, ob es zwischen dem Käuferkreis des Online-Händlers und dem Adressatenkreis der Hersteller-Werbung eine Schnittmenge gibt. Die Ausrichtung ist in jedem Einzelfall an den vorhandenen Indizien zu prüfen. Wird dann eine Garantie i. S. d. § 443 Abs. 1 BGB bejaht, muss im Rahmen der vorvertraglichen Information eine vollständige Garantieerklärung nach Maßgabe des § 449 Abs. 1 BGB vorgehalten werden.

 

 

1    BGH, 5. 12. 2012 – I ZR 88/11, K&R 2013, 487 ff.; BGH, 14. 4. 2011 – ZR 133/09; K&R 2011, 501 ff.

2    BGH, 5. 12. 2012 – I ZR 88/11, K&R 2013, 487 ff.; OLG Hamm, 14. 2. 2013 – 4 U 182/12; OLG Hamm, 22. 11. 2011 – 4 U 98/11; OLG Hamm, 15. 12. 2011 – I-4 U 116/11; anders noch BGH, 15. 12. 2011 – I ZR 174/10, K&R 2012, 518 ff.

3    LG Bochum, 27. 11. 2019 – I-15 O 122/19, K&R 2020, ■ ff (in diesem Heft).

4    LG Weiden, 4. 3. 2019 – 1 HK O 18/18.

5    OLG Hamm, 26. 11. 2019 – 4 U 22/19, K&R 2020, 220 ff.; Revision anhängig beim BGH, I ZR 241/19.

6    LG Bochum, 27. 11. 2019 – I-15 O 122/19, K&R 2020, ■; Berufung anhängig beim OLG Hamm.

7    RL 2011/83/EU vom 25. 10. 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der RL 93/13/EWG des Rates und der RL 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der RL 85/577/EWG des Rates und der RL 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.

8    Zur Frage, inwieweit dies mit der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im Konflikt steht, siehe Faust, in: BeckOK BGB, 53. Ed. 1. 2. 2020, BGB § 443 Rn. 22–24.

9    So auch Picht, NJW 2014, 2609, 2610.

10  A. A. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 443, Rn. 6: die einschlägige Werbung kann nie eine Garantie begründen, da es an einer Garantieerklärung fehlt; ähnlich Pammler, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 443 BGB (Stand: 1. 2. 2020), Rn. 17: Die bloße Werbung mit einer Garantie im Zusammenhang mit einer invitatio ad offerendum stellt keine Garantieerklärung dar. Beide Ansichten sind mit dem Wortlaut von § 443 Abs. 1 BGB kaum vereinbar.

11  Picht, NJW 2014, 2609, 2611.

12  A. A. wohl Westermann, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 443 Rn. 12 und Faust, in: BeckOK BGB (Fn. 8), Rn. 22, die mit Verweis auf die Verbrauchsgüterkauf-RL eher auf die inhaltlichen Umstände, die Gegenstand der Garantie sind, abstellen.

13  Picht, NJW 2014, 2609, 2611.

14  So auch Picht, NJW 2014, 2609, 2612.

15  Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl. 2020, § 3 Rn. 5.1 ff.

16  VO (EG) Nr. 593/2008 DES vom 17. 6. 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I).

17  A. A. Picht, NJW 2014, 2609, 2612, der auf die Anwendung der deliktsrechtlichen Regeln des Ausrichtens abstellt, was allerdings zum gleichen Ergebnis führen dürfte.

18  EuGH, 7. 12. 2010 – C-585/08 und C-144/09, K&R 2011, 33 ff.

19  Westermann, in: MüKoBGB (Fn. 12), Rn. 6; Weidenkaff, in: Palandt (Fn. 10), Rn. 7; siehe aber auch Büdenbender, DStR 2002, 361, 363; Gsell, JZ 2001, 65, 74.

20  A. A. Pammler, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB (Fn. 10), Rn. 33 f.: Einseitige Garantieerklärung soll genügen, der Anspruch ergibt sich direkt aus § 443 BGB. Zum Ganzen Faust, in: BeckOK BGB (Fn. 8), Rn. 19 m. w. N.

21  Zum Ganzen Faust, in: BeckOK BGB (Fn. 8), Rn. 19 m. w. N.

22  Art. 1 RL 2011/83/EU.

23  An diesem Konzept ist hinreichend Kritik geübt worden, vgl. Buchmann, K&R 2017, 613, 621; Buchmann/Hoffmann, K&R 2019, 172 ff.

24  So aber LG Hannover, 23. 9. 2019 – 18 O 33/19: Belehrungspflicht nur zu eigenem Kundendienst, eigenen Kundendienstleistungen und Garantien; zu Herstellergarantie nur, wenn im Angebot erwähnt. Grund: Unternehmer sonst überfordert, es sei auch nicht seine Aufgabe, eine rechtliche „Günstigkeitsprüfung“ für den Verbraucher vorzunehmen. Diese Erwägungen mögen praktisch sinnvoll sein, denken sich aber nicht mit Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm.

25  So auch OLG Hamm, 25. 8. 2016 – I-4 U 1/15; Wendehorst, in: MüKoBGB, 8. Aufl. 2019, BGB § 312 d Rn. 2.

26  in: BeckOK BGB (Fn. 8), § 479 Rn. 4; S. Lorenz, in: MüKoBGB, § 479 Rn. 3; OLG Frankfurt a. M., 11. 1. 2018 – 6 U 150/17, OLG Hamm, 25. 8. 2016 – I-4 U 1/15.

27  OLG Hamm, 26. 11. 2019 – 4 U 22/19, K&R 2020, 220 ff.; Revision anhängig beim BGH, I ZR 241/19.

28  LG Bochum, 27. 11. 2019 – I-15 O 122/19, K&R 2020, ■.

29  A. A. LG Hannover, 23. 9. 2019 – 18 O 33/19.

30  Man denke an die Glaubensfrage iOS (Apple) oder Android (z. B. Samsung). Die Garantie dürfte hier für die Kaufentscheidung ohne jede Relevanz sein.

31  Pammler, in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB (Fn. 10), Rn. 16; BGH, 17. 3. 2010 – VIII ZR 253/08 (zu den konkretisierenden Anforderungen); OLG Köln, 15. 10. 2012 – 11 U 153/12 (unbedingte Wille zur Abgabe einer Garantie muss erkennbar sein).

32  BGH, 5. 12. 2012 – I ZR 88/11, K&R 2013, 487 ff.; BGH, 5. 12. 2012 – I ZR 146/11; K&R 2013, 584 ff.; BGH, 14. 4. 2011 – I ZR 133/09, K&R 2011, 501 ff.

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Prof. Dr. Felix Buchmann

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