AKTUELLER AUFSATZ IN DER WRP ZUR NEGATIVEN FESTSTELLUNGSKLAGE (TEIL 1)

Christopher Herwig und Benjamin Stillner haben zur aktuellen Ausgabe der WRP den Aufsatz

Negative Feststellungsklage als Reaktion auf zu weite Abmahnung (Teil 1)

beigesteuert.

Vor der gerichtlichen Durchsetzung seines Unterlassungsanspruchs fordert der Unterlassungsgläubiger den Unterlassungsschuldner zur Vermeidung der negativen Kostenfolge aus § 93 ZPO in aller Regel auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Rechtsprechung und Lehre billigen dem Abgemahnten das Recht zu, eigeninitiativ mittels Erhebung einer negativen Feststellungsklage gerichtlich überprüfen zu lassen, ob dem Abmahner der geltend gemachte Unterlassungsanspruch im geltend gemachten Umfang tatsächlich zusteht oder nicht.

Der Beitrag widmet sich im ersten Teil (im aktuellen Heft) den Fragen, die der Abgemahnte prüfen muss, ehe er über die Erhebung einer negativen Feststellungsklage entscheidet. Das betrifft vor allem das Feststellungsinteresse, das in der Klage gesondert darzulegen ist. Der zweite Teil in der nächsten Ausgabe behandelt die unterschiedlichen Prozesssituationen aus Sicht des Feststellungsklägers, die wiederum von der Reaktion des Abmahners auf die Klage abhängen, insbesondere bei Erhebung einer (eingeschränkten) Unterlassungswiderklage.

BENJAMIN KRAHMER ERHÄLT FACHANWALTSTITEL FÜR GEWERBL. RECHTSSCHUTZ

Benjamin Krahmer ist jetzt Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz. Herzlichen Glückwunsch!

Benjamin kam mit acht Jahren Berufserfahrung zu uns, ist nun seit fast zwei Jahren Teil unseres IT/IP-Teams und berät insbesondere im Marken- und Wettbewerbsrecht, IT-Recht und Vertragsrecht. Unsere Mandanten loben ihn nicht nur für seine fachliche Kompetenz und seine verständliche Kommunikation. Sie schätzen vor allem seine Zuverlässigkeit.

Für DORNKAMP ist Benjamin ein unverzichtbarer Baustein in unserer DNA, den wir nicht mehr hergeben!

SCHÖN, DASS DU BEI UNS BIST, BENJAMIN!

 

ABMAHNUNGEN WEGEN GOOGLE FONTS – WAS TUN?

ABMAHNWELLE „GOOGLE FONTS“ – WIE SIE AUF EINE ABMAHNUNG RICHTIG REAGIEREN UND WAS SIE DAGEGEN TUN KÖNNEN

VORWEG: NICHT BEZAHLEN UND GOOGLE FONTS LOKAL EINBINDEN

Die wichtigste Information vorab: wenn Sie eine Abmahnung erhalten haben, nicht ungeprüft bezahlen und keine Unterlassungserklärung abgeben! Wenn Auskunft verlangt wurde, vorsichtig sein!

Gerne überprüfen wir für Sie die Abmahnung und prüfen auch, ob Ihre Website gegenwärtig den datenschutzrechtlichen Anforderungen genügt oder ob Handlungsbedarf besteht.

Wenn Sie noch keine Abmahnung erhalten haben, sollten Sie Google Fonts lokal einbinden. Prüfen Sie auch, ob andere Google-Dienste ihrerseits Google Fonts nachladen!

DIE HINTERGRÜNDE: GOOGLE FONTS UND EINE ENTSCHEIDUNG DES LG MÜNCHEN I

Bei den Google Fonts handelt es sich um eine aus insgesamt 1.455 Schriftarten (auf Englisch „fonts“) bestehende Open Source Online-Sammlung, die von Google kostenlos bereitgestellt wird. Webseitenbetreiber, die dies wünschen, können diese Schriftarten kostenlos in ihre Webseite einbinden und so ihren Internetauftritt ansprechender gestalten.

Die von Google bereitgestellten Schriftarten sind seit geraumer Zeit in die Schusslinie verschiedener „Abmahner“ geraten. Sie berufen sich auf ein Urteil des LG München I, das den Einsatz von Google Fonts ohne Einwilligung nicht nur für unzulässig erklärt hat (was inhaltlich zutrifft), sondern dem dortigen Kläger auch einen Schadensersatzanspruch i.H.v. 100 EUR zugesprochen hat. Dieses Urteil, welches am 20.1.2022 unter dem Az. 3 O 17493/20 ergangen ist, ist nicht ohne Folgen geblieben und hat insbesondere in Deutschland eine Abmahnwelle ausgelöst. Ob tatsächlich ein Schadensersatzanspruch besteht, ist aber keineswegs abschließend geklärt.

DATENSCHUTZRECHTLICHE EINORDNUNG

Problematisch am Einsatz von Google Fonts ist, dass die Schriftarten durch Webseitenbetreiber in der Regel über den Google-Server, d.h. „dynamisch“ eingebunden werden. Diese dynamische Einbindung hat zur Folge, dass bei jedem Aufruf der Webseite durch einen Webseitenbesucher automatisch eine Verbindung zum Google-Server aufgebaut wird, auf dem die Schriftarten gehostet werden. Diese Serveranfrage wird vom Google-Server entgegengenommen und verarbeitet und die angefragte Schriftart ausgespielt. Die datenschutzrechtliche Problematik liegt darin, dass zusammen mit der Serveranfrage mindestens die IP-Adresse des anfragenden Endgeräts an Google übertragen wird und, da der Konzern seinen Sitz in den USA hat, damit eine Datenübermittlung in ein unsicheres Drittland stattfindet, für das gegenwärtig kein Angemessenheitsbeschluss besteht.

Genau dieser Verarbeitungsvorgang war Gegenstand des Verfahrens vor dem LG München I, welches eine dynamische Einbindung der Google Fonts ohne Einwilligung des Besuchers als rechtswidrig erachtet hat.

KEIN BERECHTIGTES INTERESSE

In der Praxis war es bislang oft so, dass Webseitenbetreiber sich für die Einbindung von Google Fonts auf ihr berechtigtes Interesse gestützt haben. Denn die Fonts ermöglichen es einem Betreiber, seine Webseite optisch attraktiver zu gestalten. Auch in dem von dem LG München I zu entscheidenden Fall hatte der Beklagte versucht, sich auf seine berechtigten Interessen zu stützen. Dem hat aber das LG eine klare Absage erteilt mit der Begründung, dass die Google Fonts auch heruntergeladen und über den eigenen Server lokal eingebunden werden können. Eine dynamische Einbindung der Fonts über den Google-Server und die damit einhergehende Übertragung der IP-Adresse des Besuchers sei damit, anders als in Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO für die Annahme eines überwiegenden berechtigten Interesses vorausgesetzt, nicht erforderlich.

EINWILLIGUNG ALS RECHTSGRUNDLAGE?

Für Webseitenbetreiber stellt sich die Frage, ob sich eine dynamische Einbindung der Google Schriftarten über Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. a DSGVO bzw. Art. 49 Abs. 1 lit. a DSGVO legitimieren lässt. Mit dieser durchaus praxisrelevanten Frage musste sich das LG München nicht auseinandersetzen, da auf der Webseite der Beklagten in dem vom Landgericht zu entscheidenden Fall die Google Fonts ohne Einwilligung der Besucher aktiviert wurden.

Gleichwohl bleibt aber festzuhalten, dass selbst eine dynamische Einbindung der Fonts im Wege einer Einwilligungslösung nicht geeignet ist, das Risiko einer Abmahnung vollständig von der Hand zu weisen. Denn gemäß Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist unter dem Begriff der Einwilligung „jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung“ zu verstehen, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Voraussetzung für die wirksame Erklärung einer Einwilligung ist daher, dass der Besucher über die Folgen seiner Einwilligung und, in diesem Zusammenhang, insbesondere über den Umfang der stattfinden Datenverarbeitung vor Abgabe seiner Einwilligung informiert wird.

Ob eine informierte und damit wirksame Einwilligung eingeholt werden kann, ist aber gerade bei den von Google angebotenen Diensten äußerst fraglich, zumal Google in der Vergangenheit immer wieder für mangelnde Transparenz bei der Datenverarbeitung stark kritisiert wurde, sodass auch Webseitenbetreiber, die die Google-Dienste einbinden, kaum in der Lage sind, ihre Informationspflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

Zum anderen handelt es sich aber bei Art. 49 Abs. 1 lit. a DSGVO, der die Einwilligung in Datentransfers in unsichere Drittländer regelt, um einen Ausnahmetatbestand, der entsprechend restriktiv auszulegen ist.

LÖSUNG: LOKALE EINBINDUNG DER GOOGLE FONTS

Um die vorgenannten Probleme zu umgehen, empfiehlt sich daher eine lokale Einbindung der Google Fonts. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die Fonts auf dem eigenen Server heruntergeladen werden und von dort, d.h. „lokal“ gehostet werden. Besucht ein Nutzer nun die Webseite, wird bei einer nur lokalen Einbindung von Google Fonts keine Verbindung zu Google-Servern aufgebaut, sondern nur zu dem Server, auf dem die Webseite gehostet ist. Eine Übertragung der IP-Adresse an Google wird hierdurch vermieden.

Nichtsdestotrotz ist auch im Falle einer lokalen Einbindung extreme Sorgfalt geboten, denn oft schleichen sich Google Fonts unbemerkt in die Webseite hinein. Dies passiert, weil Google natürlich die eigenen Fonts ebenfalls benutzt und insbesondere in Diensten wie YouTube oder Google Maps einsetzt. Webseitenbetreiber, die auf Ihrer Website diese Dienste einbinden, werden oft feststellen müssen, dass – obwohl sie die Google Fonts nicht unmittelbar selbst einsetzen – die Google Schriftarten dennoch nachgeladen werden. Auch in diesem Fall sind also Webseitenbetreiber gut beraten, diese externen Inhalte, z.B. Videos, soweit technisch möglich, lokal einzubinden oder erst mit Einwilligung des Besuchers zu laden (in letzterem Fall aber unter Inkaufnahme der damit einhergehenden Risiken hinsichtlich der Wirksamkeit der Einwilligung, vgl. oben).

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GOOGLE FONTS – ES GEHT UM KOHLE, UM VIEL KOHLE…

 „GOOGLE FONTS“ – MANDANTEN WEHREN SICH!

Geht es nach den vergebenen Aktenzeichen, hat Herr Martin Ismail deutschlandweit wohl mehrere hunderttausend Unternehmer mit eigener Website wegen der Verwendung von Google Fonts angeschrieben. Verfasst werden die Schreiben von einem Rechtsanwalt Kilian Lenard.

Das Angebot scheint verlockend: Nachdem zunächst das Bestehen von Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüchen behauptet wird, bietet Herr Ismail an, gegen Zahlung von 170,00 € und Beendigung des Verstoßes „die Sache auf sich beruhen zu lassen“. Ein solcher Betrag liegt an der Grenze, wo der Nicht-Jurist noch nicht zum Anwalt geht und vorsichtshalber bezahlt, um Ruhe zu haben.

Gehen von den angeschriebenen Unternehmen zumindest 200.000 auf dieses unmoralische Angebot ein, beschert das einen Rekordumsatz von 34 Millionen (!) Euro. Ein paar unserer Mandanten wollten wissen, ob ein solches Geschäftsmodell in Deutschland zulässig ist, sodass DORNKAMP auftragsgemäß negative Feststellungsklagen bei unterschiedlichen Gerichten eingereicht hat.

Wir meinen, dass eine solche Geschäftstätigkeit, die unter dem Deckmantel des Datenschutzes allein darauf ausgerichtet ist, den Geldbeutel zu füllen, klar rechtsmissbräuchlich ist. Wir sind gespannt, ob und wie sich Herr Martin Ismail mit seinem Anwalt darauf einlassen werden, und werden Sie auf dem Laufenden halten.

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ZWEITER TEIL DES AUFSATZES ZUR NEGATIVEN FESTSTELLUNGSKLAGE IN DER WRP

Hat der Abgemahnte nach Prüfung der Voraussetzungen (s. dazu der erste Teil im letzten Heft WRP 2022, 1361 ff.) die negative Feststellungsklage erhoben, stehen dem Abmahner  – das ist Gegenstand des aktuellen Beitrags – eine Fülle von Möglichkeiten offen, auf eine solche Klage zu reagieren.

Neben der eher seltenen Konstellation, dass der Beklagte auf die negative Feststellungsklage überhaupt nicht eingeht und ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lässt oder gar den negativen Feststellungsanspruch anerkennt und den Rechtsstreit auf diese Weise vollständig erledigt, dominiert in der Praxis der Klageabweisungsantrag in Kombination mit der Erhebung einer Unterlassungswiderklage. Dabei übernimmt der Unterlassungswiderkläger entweder den in der Abmahnung vorformulierten Anspruch. Oder aber, und das geschieht in der Praxis sehr viel häufiger, er grenzt seinen Unterlassungsanspruch im Vergleich zur außergerichtlichen Rechtsberühmung ein. Vor allem diese eingeschränkte Anspruchsverfolgung wirft komplizierte zivilprozessuale Folgefragen auf. Diese Fragen werden im aktuellen Beitrag thematisiert.

GOOGLE FONTS – AG LUDWIGSBURG TENDIERT ZU RECHTSMISSBRAUCH!

Abmahnung wegen Google Fonts – AG Ludwigsburg deutet Rechtsmissbrauch an

Wie wir bereits berichtet haben, hatten wir im Zusammenhang mit den von Martin Ismail und dessen Rechtsanwalt, Herrn Kilian Lenard, ausgesprochenen „Abmahnungen“ wegen der Verwendung von Google Fonts in mehreren Verfahren negative Feststellungsklage gegen Herrn Ismail eingereicht. In einem dieser Verfahren stand gestern die mündliche Verhandlung vor dem AG Ludwigsburg an (Az.: 8 C 1361/22).

Das AG Ludwigsburg äußerte seine vorläufige Rechtsauffassung im Verhandlungstermin dahingehend, dass die Geltendmachung der Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche durch Herrn Ismail rechtsmissbräuchlich sein dürfte.

Das Gericht wies zunächst zwar darauf hin, dass infolge des (dynamischen) Einsatzes von Google Fonts auf einer Website ein daraus resultierender Datenschutzverstoß für sich genommen einen Unterlassungs- und möglicherweise auch einen Schmerzensgeldanspruch begründe. Die von Herrn Ismail durch seinen Rechtsanwalt, Herrn Kilian Lenard, geltend gemachten Ansprüche dürften jedoch, so das Gericht nach vorläufiger Auffassung, am begründeten Einwand des Rechtsmissbrauchs scheitern. Dies folge vor allem aus der Anzahl der von Herrn Ismail versandten Anschreiben (nach eigenem Vortrag über 217.000 Schreiben!).

Entscheidend ist nach Auffassung des AG Ludwigsburg aber vor allem, dass Herr Ismail von Anfang an beabsichtigt habe, sich die geltend gemachten Ansprüche abkaufen zu lassen. Ein solches Gebühreninteresse dürfe niemals die Triebfeder einer vermeintlichen Rechtsdurchsetzung sein.

Termin zur Urteilsverkündung wurde bestimmt auf den 28.02.2023. Wir sind gespannt, wie das AG Ludwigsburg  seine Entscheidung begründet. Der nächste ist Schritt ist, die Gewinne abzuschöpfen. 170,oo € sind viel Geld; holen Sie sich diesen Betrag zurück! Wir helfen Ihnen dabei => https://www.google-fonts-abmahnungen.de/

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DIE KI-VERORDNUNG – ERSTE EUROPÄISCHE RAHMENSETZUNG FÜR ENTWICKLUNG, VERMARKTUNG UND NUTZUNG VON KI

Was ist bisher passiert und wie ist der aktuelle Stand?

2021 veröffentlichte die Kommission einen ersten Entwurf der KI-Verordnung, woraufhin eine öffentliche Konsultation stattfand. Darauf folgte eine Stellungnahme der einzelnen Fraktionen des Europäischen Parlaments sowie die Festlegung eines gemeinsamen Standpunkts des Rats der EU. Derzeit finden weiterhin Beratungen auf europäischer Ebene statt, jedoch wird mit einem Inkrafttreten der Verordnung Ende 2023 bis Anfang 2024 gerechnet – bis zur Geltung sollen allerdings nach Art. 85 des Entwurfs der KI-Verordnung (nachfolgend abgekürzt mit: KI-VO-E) noch weitere 24 Monate vergehen.

Was soll die KI-Verordnung regeln und warum bedarf es einer solchen Regelung seitens der EU?

Die Notwendigkeit einer KI-Verordnung seitens der EU begründete die Kommission damit, dass mit einem einheitlichen Rechtsrahmen eine Verbesserung des Funktionierens des Binnenmarkts einhergehe. Mit einheitlichen, harmonisierten Regelungen soll eine in einem Mangel an Rechtssicherheit resultierende Marktfragmentierung verhindert und ein grenzüberschreitender freier Verkehr KI-gestützter Waren und Dienstleistungen gewährleistet werden.

Einerseits müssen die Gefahren aufgrund von Komplexität, Voreingenommenheit, Unvorhersehbarkeit und autonomem Verhalten bestimmter KI-Systeme beachtet werden. Erforderlich sei aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses die Schaffung eines ethischen und rechtlichen Rahmens für rechtmäßige, sichere und vertrauenswürdige KI-Anwendungen, der insbesondere die Grundrechte schützt. Basierend auf einer risikoorientierten Herangehensweise an die Regelungen soll die Verordnung Mindestanforderungen setzen, aber weiterhin ausreichend Raum für Weiterentwicklung und Forschung im Bereich der KI ermöglichen. Damit soll die Union eine Vorreiterrolle in der Entwicklung sicherer und ethischer KI einnehmen.

Andererseits soll mittels bestimmter Regelungen in der Verordnung ein Anreiz für Innovation und Investment in KI geschaffen und vom Einsatz neuer Technologien profitiert werden. Dadurch soll die technologische und industrielle Leistungsfähigkeit der Union erhöht werden.

Welche Rechtsgrundlage gibt es für die KI-Verordnung?

Rechtsgrundlage für die Verbesserung der Funktionsfähigkeit des (digitalen) Binnenmarkts, die durch die KI-Verordnung erreicht werden soll, ist Art. 114 AEUV. Da die Verordnung auch konkrete datenschutzrechtliche Bestimmungen festsetzt, wird diesbezüglich auch auf Art. 16 AEUV abgestellt.

Sieht die KI-Verordnung ein Verbot von KI-Praktiken vor?

Teilweise ja. Der Entwurf der Verordnung setzt eine Einstufung von KI nach dem von ihr ausgehenden Risiko an. Diese Einstufung bildet die Grundlage für die Anforderungen, die an Anbieter von KI-Systemen (und ggf. Nutzer, Dritte) zu stellen sind.

KI-Systeme, die ein unannehmbares Risiko darstellen, also besonders große Gefahren des Verstoßes gegen Grundrechte darstellen, werden nach Art. 5 KI-VO-E gänzlich verboten. Ein unannehmbares Risiko liegt z. B. vor bei derartigem Gebrauch von KI-Systemen, dass zur Umgehung des freien Willens von Personen deren Verhalten manipuliert wird, bei Ausnutzung der Anfälligkeit besonders schutzbedürftiger Personengruppen für Beeinflussungen, sodass diese psychischen oder physischen Schaden erleiden, oder bei Social Scoring durch öffentliche Behörden. Grundsätzlich gilt auch ein Verbot bei Verwendung von biometrischen Echtzeit-Fernidentifizierungssystemen an öffentlich zugänglichen physischen Orten zu Strafverfolgungszwecken, da eine solche Verwendung entgegen dem Ziel der Schaffung vertrauenswürdiger KI-Anwendungen stünde und zumindest indirekt in die Grundrechte der biometrisch identifizierten Personen eingegriffen würde. Von diesem Grundsatz wird in drei Ausnahmen, kodifiziert in Art. 5 I lit. d i-iii KI-VO-E, unter zusätzlicher Erwägung aller Umstände abgewichen.

Andere Regelungen sieht die Verordnung bei „Hochrisiko“-KI-Systemen vor. Diese „Hochrisiko“-KI-Systeme lassen sich unterteilen in zwei Kategorien:

  • KI-Systeme, die als Sicherheitsbestandteil von Produkten, die Harmonisierungsrechtsvorschriften gem. Anhang II KI-VO-E unterliegen, verwendet werden sollen und die selbst oder als Teil vom Produkt im Voraus einer Konformitätsbewertung durch Dritte unterliegen (Art. 6 I KI-VO-E)
  • Grundrechtsbeeinträchtigende KI-Systeme, die in Anhang III KI-VO-E aufgeführt sind, u. a. biometrische Fernidentifizierungssysteme (solange noch nicht als unannehmbares Risiko kategorisiert), Nutzung von KI zum Ranken im Bereich des Recruitings, zur Kreditwürdigkeitsprüfung, grds. bei Festlegung von Maßnahmen in der Rechtsdurchsetzung.

Aus der Kategorisierung als „Hochrisiko“-KI-System folgen gem. Art. 8-15 RI-VO-E spezielle rechtliche Anforderungen hinsichtlich:

  • Risikomanagement (inkl. Durchführung von Tests über die gesamte Nutzungszeit der KI)
  • Daten und Datenverwaltung
  • Dokumentation (Informationen über allgemeine Merkmale, Fähigkeiten und Grenzen des Systems, Algorithmen, Daten, Test- und Validierungsverfahren, Risikomanagementsysteme)
  • Aufbewahrung von Aufzeichnungen
  • Transparenz und Bereitstellung von Informationen für Nutzer
  • Menschlicher Aufsicht
  • Robustheit, Genauigkeit und Sicherheit

Welche Pflichten sind bei „Hochrisiko“-KI-Systemen zu beachten?

Pflichten, die sich für Anbieter aus dem Angebot von „Hochrisiko“-KI-Systemen ergeben, lassen sich einteilen auf zwei Zeitpunkte: 1. Pflichten vor Inverkehrbringen und 2. Pflichten nach Inverkehrbringen der KI.

  1. Anbieter müssen vor Inverkehrbringen ihrer KI-Systeme sicherstellen, dass diese den genannten Anforderungen entsprechen. Dazu müssen sie die Konformitätsbewertung nach den in der Verordnung angelegten Regelungen aus Art. 43 KI-VO-E in eigener Verantwortung durchführen und dokumentieren (solange es sich nicht um biometrische Fernidentifikationssysteme handelt). Eine solche Bewertung ist immer bei wesentlichen Änderungen des KI-Systems, die Auswirkungen auf die Konformität haben könnten und bei Änderungen des Verwendungszwecks vor Inverkehrbringen des angepassten KI-Systems zu wiederholen (Art. 43 IV KI-VO-E). Ebenso muss der Anbieter Qualitätsprüfungen durchführen und seinen Informationspflichten nachkommen. Dazu gehört unter anderem die vor Markteinführung zu erfolgende Eintragung wesentlicher Informationen über seine Person und das KI-System in eine Europäische Datenbank.

Dieselben Pflichten treffen den Hersteller eines Produkts, das zusammen mit einem „Hochrisiko“-KI-System, das unter Anhang II Abschnitt A fällt, verwendet wird. Bei Anwendbarkeit bestehender sektoraler Sicherheitsgesetze des New Legislative Framework wird die Prüfung der Einhaltung der Anforderungen an „Hochrisiko“-KI-Systeme zur Aufwandsverringerung in das Konformitätsbewertungsverfahren dieser bereits bestehenden Sicherheitsgesetze integriert.

  1. Nach Art. 61 KI-VO-E müssen alle Anbieter über ein System zur Überwachung, Dokumentation und Analyse der KI nach Inverkehrbringen verfügen. Sie sind ebenfalls verpflichtet, Marktüberwachungsbehörden über „schwerwiegende Vorfälle“ oder Fehlfunktionen, die gegen grundrechtschützendes Unionsrecht verstoßen, unmittelbar nach Kenntnisnahme, spätestens aber 15 Tage danach, zu informieren. Zur leichteren Einhaltung dieser Pflicht folgen bis spätestens 12 Monate nach Inkrafttreten der KI-Verordnung festzulegende Leitlinien der Kommission. Weiterhin müssen Anbieter ihrer Aufbewahrungspflicht hinsichtlich bestimmter Unterlagen nach Art. 50 KI-VO-E nachkommen.

In Art. 26 ff. KI-VO-E sind ebenfalls einzelne Pflichten von Einführern, Händlern, Nutzern und sonstigen Dritten in Bezug auf „Hochrisiko“-KI-Systeme normiert.

Welche Pflichten treffen Anbieter von KI-Systemen, die nicht als „Hochrisiko“-KI-Systeme eingestuft werden?

Für Anbieter von KI-Systemen, von denen ein geringes Risiko ausgeht, gelten lediglich die Transparenzverpflichtungen des Art. 52 KI-VO-E verpflichtend. Darunter fallen KI-Systeme, die mit Menschen interagieren, die Emotionen erkennen bzw. Personen biometrisch kategorisieren oder die Inhalte erzeugen oder manipulieren, die wirklichen Inhalten merklich ähneln (deepfakes). Dabei muss den betroffenen natürlichen Personen grds. offengelegt werden, dass sie es mit einer KI zu tun haben.

Anbieter von KI-Systemen, von denen ein geringes oder minimales Risiko ausgeht, sollen nach Art. 69 KI-VO-E ebenfalls dazu animiert werden, die Regelungen für „Hochrisiko“-KI-Systeme freiwillig auch auf ihre KI-Systeme im Rahmen von Verhaltenskodizes anzuwenden. Dabei dürfen sie die Kodizes auch selbst erstellen, modifizieren oder Pflichten hinzufügen.

Wie wird die KI-Verordnung durchgesetzt?

EU-Mitgliedsstaaten legen jeweils objektive und unparteiliche nationale Behörden für die Anwendung und Durchführung der KI-Verordnung fest. Aus diesen Behörden wählen die Mitgliedstaaten jeweils eine Aufsichtsbehörde, die als notifizierende Behörde und Marktüberwachungsbehörde im jeweiligen Staat fungiert.

In ihrer Funktion als notifizierende Behörde ist die Aufsichtsbehörde für die Organisation von Verfahren zur Benennung von Konformitätsbewertungsstellen sowie deren Bewertung und Überwachung zuständig. Die Konformitätsbewertungsstellen überprüfen die Einhaltung der Anforderungen an „Hochrisiko“-KI-Systeme. Einzelheiten zu deren Organisation sind in Art. 30-39 KI-VO-E geregelt.

In ihrer Funktion als Marktüberwachungsbehörde kontrolliert die Aufsichtsbehörde den Markt (in Übereinstimmung mit ihren Aufgaben gemäß der sog. Marktüberwachungsverordnung (VO (EU) 2019/1020)) und informiert die Kommission regelmäßig über ihre Ergebnisse, insbesondere bei potenziellen Auswirkungen auf das Wettbewerbsrecht. Die Überwachungsbehörden kontrollieren die Bewertung der Konformität der „Hochrisiko“-KI-Systeme und haben Zugriff auf die dafür erforderlichen Dokumente. Sie sollen bei Risiken, die durch die KI verursacht werden, eingreifen und unterliegen diesbezüglich Informationspflichten gegenüber den betreffenden Akteuren, der Kommission und anderen Mitgliedsstaaten.

Zu beachten ist, dass die Finanzdienstleistungsvorschriften aus der 2013/36/EU-RL hinsichtlich interner Unternehmensführung und Risikomanagement ähnliche Pflichten wie die Vorschriften der KI-Verordnung für die Anbieter vorsehen. Demnach soll die Kontrolle der Anbieterpflichten in Bezug auf von beaufsichtigten Finanzinstituten bereitgestellte oder verwendete KI-Systeme in bereits bestehende Verfahren zur Beaufsichtigung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften im Bereich der Finanzdienstleistungen zuständigen Behörden integriert werden.

Drohen bei Verstößen gegen die KI-Verordnung Bußgelder?

Ja. Die Mitgliedsstaaten erlassen die Vorschriften für Sanktionen bei Verstößen gegen die KI-Verordnung und sind auch für deren Durchsetzung zuständig. Beispielsweise kann bei Verstößen gegen das Verbot des Inverkehrbringens von KI-Systemen, die ein unannehmbares Risiko darstellen, ein Bußgeld von bis zu 30 Mio. € bzw. (bei Unternehmen) von bis zu 6 % des weltweiten Jahresumsatzes des vergangenen Geschäftsjahrs verhängt werden.

Welche Maßnahmen zur Innovationsförderung bestehen?

Zunächst werden in den EU-Mitgliedsstaaten nach Art. 53 f. KI-VO-E KI-Reallabore eingeführt, sodass eine kontrollierte Umgebung geschaffen ist, in der neue Technologien unter bestimmten Voraussetzungen in Absprache mit und unter Aufsicht von Behörden getestet werden können.

Zudem sind in Art. 55 KI-VO-E einige Unterstützungsangebote für Kleinanbieter und Kleinnutzer angesetzt, um deren Bedürfnisse erfüllen zu können.

Wie verhält sich die KI-Verordnung im Verhältnis zu anderen Vorschriften?

Das EU-Wettbewerbsrecht wird durch die Verordnung nicht beeinträchtigt. Ebenso besteht eine grundsätzliche Übereinstimmung mit der Grundrechtecharta und mit Sekundärrecht hinsichtlich Datenschutz und Verbraucherrecht.

Werden die Regelungen aus der KI-Verordnung im Laufe der Zeit angepasst?

Ja. Die Europäische Kommission ist (vorerst auf unbestimmte Zeit) zum Erlass delegierter Rechtsakte im Rahmen der von der Verordnung festgelegten Bestimmungen befugt und wird dabei von einem Europäischen Ausschuss unterstützt. Außerdem ist die Kommission zur jährlichen Prüfung der Aktualität der Auflistung von „Hochrisiko“-KI-Systemen in Anhang III verpflichtet. Im Rahmen ihrer Pflicht zur regelmäßigen Berichterstellung zur Bewertung der Verordnung auf Grundlage der gesammelten Daten von Aufsichtsbehörden der Mitgliedsstaaten kann sie auch Vorschläge zur Änderung der Verordnung vorlegen.

 

Autoren: Luca Maria Holst und Chiara Panfili

STUDIE: BEWERTUNG DES GESETZES ZUR STÄRKUNG DES FAIREN WETTBEWERBS

Worum geht es?

Mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs wurden Regelungen erlassen, die die Anforderungen an Klageberechtigte erhöhen oder dafür sorgen, dass Kosten einer Abmahnung wegen Verletzung von Kennzeichnungs- und Informationspflichten im Internet sowie von Datenschutzverstößen nicht mehr erstattet werden. Zudem erhalten Abgemahnte nun einen Gegenanspruch bei unbegründeten und nicht formellen Anforderungen entsprechenden Abmahnungen.
Der neu eingeführte § 11 PAngV verlangt von Unternehmen, bei der Bekanntgabe von Preisermäßigungen den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den sie innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung angewendet haben (im Folgenden: „Referenzpreis“). Dies gilt zwar nur im B2C-Verhältnis und allein für Waren, nicht für Dienstleistungen, damit aber dennoch für weite Teile des Marktes.

Zwischen 2020 und 2022 wurde in einer repräsentativen, empirischen Studie zur „Evaluierung der Regelungen zur Verhinderung des Abmahnmissbrauchs“ im Auftrag des Bundesjustizministeriums untersucht, ob das Ziel der Verringerung missbräuchlicher Abmahnungen um 50 % erreicht wurde und inwiefern sich die neuen Regelungen auf Zahl und Rechtsgrund der Abmahnungen ausgewirkt haben. Zunächst wurde ermittelt, welche Anhaltspunkte für den Missbrauch von Abmahnungen vor der Gesetzesreform bestanden und wie weit dieser Missbrauch verbreitet war. Zur Evaluierung der Reform wurden Berufs- und Wirtschaftsverbände, Industrie- und Handelskammern sowie qualifizierte Einrichtungen und Gerichte jeweils vor und zwei Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesreform befragt und die Entwicklungen analysiert. Anhand dieser Ergebnisse sollte die Wirksamkeit der Wettbewerbsrechtsreform unter Effizienz- und Vereinfachungsgesichtspunkten bewertet werden.

Insgesamt ergab die Studie, dass bei den missbräuchlichen Abmahnungen zwar ein geringfügiger Rückgang zu verzeichnen war, aufgrund des Fehlens einer umfangreichen Datenbasis bei einigen Befragungsteilnehmern aber nicht bestimmt werden konnte, ob die Zahl missbräuchlicher Abmahnungen tatsächlich um 50 % reduziert werden konnte. Festgestellt wurde aber, dass sich durch die Reform keine Änderungen hinsichtlich der Größe der meisten von Abmahnungen betroffenen Unternehmen ergaben – entgegen dem Reformzweck werden Klein- und Kleinstunternehmen weiterhin am öftesten abgemahnt, besonders von ihren Mitbewerbern und Wirtschaftsverbänden. Ebenso bewegen sich die meisten Abmahnungen noch immer auf dem Gebiet des Online-Handels. Als problematisch stellte sich auch heraus, dass missbräuchliche Abmahnungen in der Regel gar nicht erst gerichtlich überprüft werden. Zudem bleibt der Missbrauch schwer beweisbar, was auch einen Grund für mangelnde Gegenwehr gegen missbräuchliche Abmahnungen darstellt.

Auf positive Resonanzen stoßen aber die neuen Transparenzanforderungen der Lauterkeitsrechtsreform, beispielsweise hinsichtlich der neuen Registrierungs- und Berichtspflicht von Wirtschaftsverbänden. Ebenfalls stimmten die meisten Befragungsteilnehmer, mit Ausnahme der Gerichte, dafür, dass der Erhöhung der Anforderungen an Anspruchsberechtigte durch die Reform ausreichend Rechnung getragen wurde.

Die Studie belegt zum einen unsere schon 2021 geäußerte Beobachtung, dass der Indizienkatalog für Missbrauch aus § 8c II UWG, der erstmals die bereits in der Rechtsprechung anerkannten Kriterien kodifiziert, grundsätzlich keine Änderungen in der praktischen Anwendung dieser Kriterien bewirkt hat. Zum anderen lagen wir auch damit richtig, dass Informations- und Kennzeichnungspflichten, die vor Einführung des Gesetzes die häufigsten Verstöße gegen das Recht auf lauteren Wettbewerb darstellten, seltener geltend gemacht werden. Und nicht nur das: Wir behielten auch damit Recht, dass gruppenübergreifend aufgrund der Einschränkung der Kostenerstattung bei bestimmten Verstößen weniger abgemahnt wird – ob dies allgemein oder mehrheitlich in Bezug auf missbräuchliche Abmahnungen der Fall ist, bleibt mangels eindeutiger Ergebnisse der Studie fraglich.

Aufgrund fehlender einheitlicher Datenbasis konnte eine Beantwortung der Frage nach der Zielrichtung weiteren gesetzgeberischen Handlungsbedarfs von der Studie nicht abschließend beantwortet werden, jedoch besteht aufgrund der genannten Defizite laut der Mehrheit der Befragungsteilnehmer weiterhin Reformbedarf.

Bild: istock.com/GenerationClash

URTEIL ZU GOOGLE FONTS – AG LUDWIGSBURG

GOOGLE FONTS – RECHTSMISSBRAUCH MIT DEUTLICHEN WORTEN!

Die Entscheidungsgründe sind da! Wir haben bereits mehrfach über unsere negative Feststellungsklage gegen Herrn Martin Ismail in Bezug auf die durch seinen Rechtsanwalt Kilian Lenard ausgesprochenen „Abmahnungen“ wegen der Verwendung von Google Fonts berichtet. Jetzt liegt das Urteil des AG Ludwigsburg vom 28.02.2023 vor (Az.: 8C1361/22).

WAS WAR PASSIERT?

Herr Martin Ismail machte unter Einsatz eines Webcrawlers, eines Computerprogramms, das automatisch das Internet durchsucht und Webseiten analysiert, Webseiten ausfindig, auf denen die Schriftenbibliothek „Google Fonts“ eingebunden war. Unter der Begründung, dass durch diesen Einsatz unter anderem die IP-Adresse des jeweiligen Besuchers der Webseite an Google Fonts in den USA weitergeleitet werde und dies eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung darstelle, versandte Herr Ismail über seinen Rechtsanwalt Kilian Lenard innerhalb weniger Monate hunderte Schreiben, mit denen jeweils Zahlung von 170 € gefordert wurde.

Unsere Mandantin wehrte sich und erhob negative Feststellungsklage gegen Herrn Ismail, gerichtet auf die Feststellung, dass kein Unterlassens- oder Schmerzensgeldanspruch besteht. Hierauf reagierte Herr Ismail mit einer entsprechenden Widerklage.

WIE HAT DAS AMTSGERICHT LUDWIGSBURG ENTSCHIEDEN?

Kurz gesagt: Wir hatten Recht. Herrn Ismail steht kein Anspruch auf Unterlassung aus § 823 I BGB i. V. m. § 1004 I 2 BGB analog, und auch kein Schmerzensgeldanspruch aus Art. 82 I DSGVO zu.

Bei Herrn Ismail stehe, so das AG Ludwigsburg, deutlich das Interesse an der Einnahmeerzielung im Vordergrund. Wortwörtlich heißt es im Urteil:

Der Widerkläger hat innerhalb des Zeitraums vom 14.09.2022 bis 20.10.2022 unter Berücksichtigung der nach fortlaufenden Nummern vergebenen Aktenzeichen 217.540 Anschreiben verschickt, welche dem an die Widerbeklagte unter dem Datum vom 20.10.2022 verschickten Anschreiben entsprechen. Dass die Aktenzeichen nach fortlaufenden Nummern vergeben wurden, hat der Widerkläger, der dies vorgerichtlich noch in Abrede gestellt hatte, nicht bestritten.

 

Bei den verschickten Anschreiben handelt es sich nicht um klassische Abmahnungen, da nicht die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassung verlangt wird. Vielmehr wird zur umfassenden Abgeltung der datenschutzrechtlichen Ansprüche eine Zahlung von 170,00 Euro als Vergleich angeboten. Hätten alle im oben genannten Zeitraum Angeschriebenen den Betrag von 170,00 Euro bezahlt, hätte der Widerkläger einen Betrag in Höhe von 36.981.800,00 Euro eingenommen. (…)

Bereits dadurch, dass der Widerkläger im Anschreiben vom 20.10.2022 angeboten hat, bei Zahlung eines Betrages in Höhe von 170,00 Euro die Sache auf sich beruhen zu lassen, kommt zum Ausdruck, dass es dem Widerkläger nicht vorrangig darum ging, dass weitere datenschutzrechtliche Verstöße unterbleiben, sondern um die Erzielung von Einnahmen.“

Diesen klaren Worten ist nichts hinzufügen.

Gerne können Sie sich bei Interesse an dem Urteil bei uns melden.

 

Bild: istock.com/PeterHermesFurian

VORSICHT FÄLSCHUNG! – WIE HANDELSREGISTEREINTRAGUNGEN ZUR GOLDGRUBE FÜR BETRÜGER WERDEN

Was war passiert?

Unsere Mandantin, eine erst kürzlich gegründete GmbH, erhielt jüngst eine Rechnung über 760 EUR (!) – vermeintlich über eine „Zentrale Zahlstelle“ von einem Richter des Amtsgerichts Stuttgart. Diese Rechnung, deren Betrag für die Eintragung der GmbH ins Handelsregister anfalle, sei innerhalb von 3 Werktagen zu begleichen. Glücklicherweise fiel unserer Mandantin vor Zahlung das litauische Länderkennzeichen in der IBAN auf, was die Rechnung als offensichtliche Fälschung entlarvte. Insbesondere bei so hohen zu zahlenden Geldsummen sollte die Rechnung besser genau geprüft werden.

Welche Gerichtskosten fallen üblicherweise bei Handelsregistereintragung an?

Die gerichtlichen Kosten belaufen sich bei der Ersteintragung einer GmbH auf 150 bis zu 240 EUR. Dies ergibt sich aus § 58 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG i. V. m. § 1 HRegGebV. Zu beachten ist dabei, dass die Gebühren nicht, wie in den Fälschungen angegeben, nach einer nicht existenten Nr. 250, sondern Nr. 2100 GV im Anhang von § 1 HRegGebV bemessen sind.

Woran erkennt man eine Fälschung?

Wie bereits dargestellt, ist in den gefälschten Rechnungen bereits die falsche Nummer der Gebührenverordnung angegeben. Hinzu kommt, dass bei nicht erfolgender Zahlung innerhalb der Frist auf das Anfallen einer Mahngebühr von 25 EUR nach KV 1403 der Anlage zu § 4 Abs. 1 JVKostG verwiesen wird. Dies ist gleich mehrfach fehlerhaft: Nr. 1403 ist seit einer Reform des JVKostG 2022 außer Kraft und die Mahngebühr betrug nie 25 EUR, sondern 5 EUR und ist heute in Nr. 1503 geregelt.

Die Fälschungen tragen außerdem das Wappen Nordrhein-Westfalens, unabhängig davon, welcher Gerichtsbezirk betroffen ist (aktuell sind Fälle u. a. aus Hamburg[1], München[2] und Stuttgart bekannt) und lediglich die Überschrift „Amtsgericht“. Besonders auffällig bleibt die IBAN, an die die vermeintlichen Gebühren zu zahlen seien, die nicht das deutsche Länderkennzeichen DE trägt. Vermeintlicher Empfänger der Zahlung ist zudem lediglich das „Handelsregister“. Empfänger der Zahlungen sollte – sofern die Handelsregistereintragung in Baden-Württemberg erfolgt – bei echten Rechnungen nur die Landesoberkasse Baden-Württemberg sein[3].

Auch die exorbitante Höhe der vermeintlichen Gebühr sollte stutzig machen: In aktuellen Fälschungen wird meist auf die Zahlung von ca. 700 EUR bestanden, während die Gerichtskosten sich üblicherweise auf nicht mehr als 240 EUR belaufen sollten.

Wie schützt man sich als Unternehmen? – Eine Empfehlung

Zunächst gilt: ruhig genauer hinschauen! Die Rechnungen sollten auf die genannten Details überprüft und sich im Zweifel beim zuständigen Amtsgericht erkundigt werden. Mitgesellschafter und Angestellte sollten über das Kursieren gefälschter Rechnungen und über Erkennbarkeit solcher informiert werden.

 

[1] Hamburg, Behörde für Justiz und Verbraucherschutz (2023): Betrug mit falschen Handelsregister-Rechnungen, https://justiz.hamburg.de/gerichte/oberlandesgericht/gerichtspressestelle/bundesweite-betrugswelle-mit-gefaelschten-handelsregister-rechnungen-658644

[2] Bundesrechtsanwaltskammer (2023): Gefälschte Gebührenrechnungen für Handelsregistereintragung im Umlauf, https://www.brak.de/newsroom/news/warnung-vor-betrugsmasche-gefaelschte-handelsregister-gebuehrenrechnungen-im-umlauf/.

[3] Baden-Württemberg (2021): Achtung vor betrügerischen Gebührenrechnungen, https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/achtung-vor-betruegerischen-gebuehrenrechnungen