- Überblick und neue Regelungen
Das letzte Jahr war ein bedeutsamer Zeitraum für die europäische Normsetzung im digitalen Bereich. Neben dem Geltungsbeginn des Digital Services Acts und des Digital Markets Act brachte die EU auch eine KI-Verordnung auf den Weg und bereitete im Bereich des Fernabsatzrechts die Einführung eines Widerrufsbuttons bei Fernabsatzverträgen vor.
Der Mitte 2022 verabschiedete Digital Services Act (DSA)1 findet nunmehr seit dem 17.2.2024 vollständig Anwendung, nachdem bereits seit August 2023 besondere Regelungen für sehr große Plattformen und Suchmaschinen galten. Die zentralen Ziele des DSA sind neben Innovations-, Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeitsförderung insbesondere der Verbraucherschutz, dem durch Regelungen zum Vorgehen gegen illegale Inhalte, zur Einrichtung von Kontaktstellen, zur Veröffentlichung von Transparenzberichtspflichten und zur Einrichtung von Melde- und Abhilfesystemen Rechnung getragen werden soll. Der DSA folgt dabei einem Stufenbau. Die geringsten Anforderungen treffen Anbieter reiner Vermittlungsdienste wie z.B. Internetanbieter, gesteigerte Anforderungen gelten für Hosting-Dienste-Anbieter, darauf folgen Anbieter von Online-Plattformen und schließlich die Anbieter sehr großer Online-Plattformen und Suchmaschinen, die mehr als 10 % der EU-Bevölkerung oder mind. 45 Mio. Nutzer erreichen. Darauf basierend werden verschiedene Sorgfalts- und Haftungsmaßstäbe festgelegt.
Der DSA wurde in Deutschland Ende April dieses Jahres durch das Digitale-Dienste-Gesetz (DDG)2 umgesetzt, in dem die Durchsetzung des DSA bei Unternehmen, die der deutschen Aufsicht unterliegen, gesichert wird. Die Kontrolle der Einhaltung des DSA geschieht größtenteils über eine Koordinierungsstelle für digitale Dienste innerhalb der Bundesnetzagentur, während bzgl. Regelungen betreffend personenbezogene Daten der Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit und betreffend den Kinder- und Jugendmedienschutz die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz zuständig ist. Weiter wurden im DDG die Buß- und Zwangsgelder für Verstöße gegen den DSA festgesetzt.
Der Digital Markets Act (DMA)3 ist seit Jahresanfang anzuwenden. Diese Verordnung regelt den Wettbewerb auf dem Plattformmarkt und betrifft damit nur große Plattformbetreiber. Für diese Unternehmen stellt der DMA einen Verhaltenskodex auf, wodurch insbesondere eine größere Interoperabilität und Datenportabilität durchgesetzt werden soll. Hinzu kommt eine strengere Regelung für die Anzeige personalisierter Werbung im Interesse des Datenschutzes.
Das gestufte System, wie es dem DSA zugrunde gelegt wurde, wandte die EU auch in ihrer Anfang 2024 verabschiedeten KI-Verordnung4 an. Die KI-Verordnung ist ein weltweit erster umfassender Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz und zielt darauf ab, eine Balance zwischen dem Schutz der Grundrechte von Individuen und der Innovationsfähigkeit der EU zu schaffen. Unterscheidend zwischen KI-Systemen, die ein minimales, begrenztes, hohes oder unannehmbares Risiko schaffen, setzt sie Rechte und Pflichten für die verschiedenen Akteure innerhalb der Lieferkette an, insbesondere die Anbieter der KI-Systeme. Während KI-Systeme mit minimalem Risiko nicht von den Regularien der KI-Verordnung erfasst werden, müssen KI-Systeme mit geringem Risiko lediglich verbraucherfreundliche Transparenzanforderungen erfüllen. KI-Systeme mit unannehmbarem Risiko wie die Kategorisierung von Individuen aufgrund ihrer biometrischen Daten oder Auslesung von Gesichtsbildern aus Videoüberwachungsanlagen, sind hingegen ganzheitlich verboten. Die meisten Pflichten treffen derweil Anbieter von Hochrisiko-KI-Systemen hinsichtlich Transparenz, Dokumentation, Aufsicht und Daten-Governance. Besondere Regeln gelten zusätzlich für Anbieter von KI-Systemen mit allgemeinem Verwendungszweck. Nun gilt es, die KI-Verordnung auch national umzusetzen, wobei Übergangsfristen zwischen 6 und 36 Monaten gelten.
Seinen Schatten voraus wirft der neue Widerrufsbutton, der den Online-Händlern nach der Einführung eines neuen Art. 11a in die Verbraucherrechterichtlinie viel Kopfzerbrechen bereiten wird. Die Begründung für diesen Schritt war im Wesentlichen, dass ein Vertrag genauso einfach widerrufen werden können soll, wie er geschlossen werden kann.5
Art. 11a Abs. 1 enthält zunächst die Verpflichtung des Unternehmers, bei Fernabsatzverträgen, die über eine online-Benutzeroberfläche geschlossen werden, dem Verbraucher auf derselben online-Benutzeroberfläche eine Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion für eine Widerrufserklärung bereitzustellen. Diese muss lesbar mit den Worten „Vertrag widerrufen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein, hervorgehoben platziert und für den Verbraucher leicht zugänglich sein. Nach Abs. 2 soll der Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine Widerrufserklärung abzugeben und folgende Informationen bereitzustellen: Name des Verbrauchers, Bezeichnung des Vertrags, Angaben zum elektronischen Kommunikationsmittel, mit dem die Bestätigung des Widerrufs dem Verbraucher übermittelt werden soll. Abs. 3 regelt sodann, dass die Widerrufserklärung übermittelt werden soll, indem eine Schaltfläche für die Bestätigung oder eine ähnliche Funktion genutzt wird. Diese Schaltfläche für die Bestätigung muss lesbar mit den Worten „Jetzt widerrufen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein. Wie schon im Kommissionsentwurf auch, soll der Verbraucher sodann gemäß Abs. 4 automatisch eine Bestätigung für die Übermittlung der Widerrufserklärung, einschließlich des Datums und der Uhrzeit erhalten. Zudem soll der Unternehmer nach Abs. 5 dem Verbraucher auch unverzüglich den Inhalt der Widerrufserklärung, einschließlich des Datums der Uhrzeit des Eingangs, auf einem dauerhaften Datenträger bestätigen. Neben dem neuen Widerrufsbutton sieht Art. 6 Abs. 1 lit. h) der Verbraucherrechterichtlinie auch eine neue vorvertragliche Informationspflicht vor, nämlich nunmehr auch die Information über das Bestehen und die Platzierung der Schaltfläche für den Widerruf nach dem neuen Art. 11a.6
Es ist Wahlkampfzeit, anders lässt sich der jüngste Vorstoß des Bundesrats auf Initiative der bayrischen Landesregierung, das UWG zu beschneiden, (hoffentlich) nicht deuten. Der Gesetzesentwurf7 sieht vor, dass die Verfolgung von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung auf Grundlage von § 3a UWG durch Mitbewerber künftig vollständig ausgeschlossen sein soll. Wir werden nicht umhinkommen, uns einmal grundsätzlich Gedanken zur Durchsetzung des Verbraucherschutzes zu machen.
- Widerrufsrecht
Das Widerrufsrecht soll nach dem allgemeinen Verständnis dazu dienen, das strukturelle Informationsdefizit des Verbrauchers auszugleichen; bei Distanzgeschäften sieht er weder Vertragspartner noch die vereinbarte Leistung – daher soll er sie prüfen können.8 Der EuGH9 hatte einen Fall zu entscheiden, in dem der Betreiber einer Internet-Lernplattform ein 30-tägiges Probe-Abonnement anbot, das sich – wenn nicht innerhalb des Probemonats gekündigt wurde – in ein kostenpflichtiges Abonnement umwandelte. Der Anbieter belehrte über das Widerrufsrecht, wobei demnach die Widerrufsfrist mit Beginn des (kostenlosen) Probezeitraums zu laufen begann. Dagegen stellte sich der österreichische Verein für Konsumenteninformation; das Widerrufsrecht müsse mit Beginn des kostenpflichtigen Zeitraums erneut zu laufen beginnen, da sich damit der Vertrag in ein reguläres Abonnement umwandle. Das eigentlich Beachtliche in diesem Fall ist, dass das erstinstanzliche Gericht dieser Klage stattgegeben hatte,10 was der EuGH nunmehr richtigerweise nach Vorlage durch das Revisionsgericht korrigiert hat. Der Widerrufszeitraum dient der Prüfung der Leistung durch den Verbraucher. Er beginnt richtigerweise in dem Moment, in dem der Verbraucher die Leistung erstmalig erhält. Er kann jetzt prüfen, ob er mit der zur Verfügung gestellten Leistung einverstanden ist und sie im angemessenen Verhältnis zur Gegenleistung steht, die dem Verbraucher zu diesem Zeitpunkt bekannt ist. Mit der Umwandlung des Probezeitraums in ein kostenpflichtiges Abonnement ändert sich an Leistung und Gegenleistung nichts, was der Verbraucher erneut prüfen müsste. Der EuGH entschied daher richtig, dass das Widerrufsrecht nur einmal besteht. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass die Information über das Widerrufsrecht und über die Tatsache, dass sich das Probeabonnement in ein kostenpflichtiges Abonnement wandelt, transparent erfolgt ist.
Die Individualisierung von Waren kann für den Unternehmer problematisch sein, weil er diese individuelle Ware ggf. nicht mehr oder nur mit erheblichen Abschlägen verkaufen kann. Dafür schützt ihn § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB. Bei vorgegebenen Auswahlmöglichkeiten – hier die Konfiguration eines Notebooks – liegt diese Ausnahme in der Regel nicht vor, weil davon auszugehen ist, dass die getroffene Auswahl auch von anderen Kunden getroffen wird. Dies entspricht dem Verständnis der BGH-Rechtsprechung11.
Ein Tesla unterliegt – auch wenn er individuell konfiguriert wurde – ebenfalls nicht der Bereichsausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB, weil er für den Verkäufer im Falle einer Rücknahme nicht wirtschaftlich wertlos sei, wie das LG Arnsberg richtig urteilte.12 Die Entscheidung ist aber unter einem anderen Aspekt interessant: Tesla nutzte nicht die Musterwiderrufsbelehrung und die verwendete Widerrufsbelehrung enthielt keine Telefonnummer, an die der Widerruf hätte gerichtet werden können. Das Gericht entschied, dass dies unbedenklich sei und nicht zu der verlängerten Widerrufsfrist gemäß § 356 Abs. 3 S. 2 BGB führe. Weder die Verbraucherrechterichtlinie noch das deutsche Recht verlangten, dass eine Telefonnummer in der Widerrufsbelehrung anzugeben sei, die Urteile des EuGH13 und des BGH14 zu dieser Frage beträfen andere Sachverhalte, da es dort nur um einen Rechtsstreit zwischen Wettbewerbern gegangen sei. Zudem habe sich das Fehlen der Telefonnummer in der Sache nicht ausgewirkt, da der Verbraucher den Widerruf „sicher nicht telefonisch erklärt hätte, da er über andere Kommunikationswege verfügte, die deutlich sicherer waren und die er auch genutzt hat“15. Ein Berufen auf das Fehlen der Telefonnummer verstoße daher gegen Treu und Glauben.16 Der offensichtliche Versuch, dem Verbraucher hier einen Denkzettel zu verpassen, schmerzt aus Sicht des Verbraucherschutzes. Schon die Tatsache, dass der BGH festgestellt hat, dass das Fehlen der Telefonnummer ein wesentlicher Lauterkeitsverstoß ist, sollte zu bedenken geben – gibt es wesentliche lauterkeitsrechtliche Verstöße, die für einen Verbraucher irrelevant sind? Und der EuGH hat wörtlich ausgeführt, dass „Art. 6 Abs. 1 Buchst. c und h […] dahin auszulegen [sind], dass der Unternehmer, der einem Verbraucher, bevor dieser durch einen Fernabsatzvertrag […] gebunden ist, die Informationen zur Ausübung des Widerrufsrechts zur Verfügung stellt und hierbei auf die Muster-Widerrufsbelehrung in Anhang I Teil A zurückgreift, die betreffende Telefonnummer darin angeben muss, damit der Verbraucher ihm seine etwaige Entscheidung, von dem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen, auf diesem Weg mitteilen kann.“17 Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung nicht ernstlich darauf gestützt werden, dass die Telefonnummer irrelevant ist und der Widerruf schließlich auch nicht telefonisch erklärt wurde, was doch angesichts der Tatsache, dass die Telefonnummer nicht in der Widerrufsbelehrung stand, völlig nachvollziehbar ist. Auch die Frage des Nachweises des erfolgten Widerrufs ist kein Argument, denn Art. 11 Abs. 1 b) der Verbraucherrechterichtlinie stellt die Form der Ausübung des Widerrufsrechts in das Belieben des Verbrauchers. Ein „hätte er doch eh nicht gemacht“ ist doch kein Argument für eine Verkürzung der Möglichkeiten des Verbrauchers. Die Argumentation, es bestehe folglich keine gesetzliche Verpflichtung zur Angabe der Telefonnummer ist schlicht falsch. Wenn ein Unternehmer eine Telefonnummer vorhält, muss er sie selbstverständlich in der Widerrufsbelehrung angeben; tut er dies nicht, hat dies eine scharfe Konsequenz, nämlich die verlängerte Widerrufsfrist des § 356 Abs. 3 S. 2 BGB. Alles andere ist aus Sicht des Verbraucherschutzes nicht geboten, weil sonst bei jeder Abweichung stets die Frage gestellt werden müsste, ob nun gerade diese Abweichung zu einer fehlerhaften Belehrung führt, oder nicht. Im Sinne der Rechtsklarheit darf es nur eine Entscheidung geben: Die Widerrufsbelehrung ist entweder richtig oder falsch.
- Kundeninformationen
- Preisangaben
Dem EuGH folgend hat nun auch der BGH18 entschieden, dass das Pfand nicht in den Gesamtpreis einbezogen werden muss; die Streitfrage ist damit entschieden.
Unsicherheit herrscht hingegen nach wie vor bei der Werbung mit Streichpreisen, die Entscheidung des EuGH19 steht noch aus. Wer mit Preisermäßigungen „bis zu 60%“ wirbt, tatsächlich jedoch keinen Artikel mit 60% reduziert hat, wirbt irreführend, so zutreffend das OLG Nürnberg.20 Weiter urteilte das Gericht, dass dort, wo mit Preisermäßigungen geworben wird, auch der niedrigste Preis der letzten 30 Tage angezeigt werden muss, mithin auch auf Übersichtsseiten. Nicht verboten sei es, dass neben diesen Preisangaben auch noch weitere Preise gezeigt werden, z.B. ein „ursprünglicher Preis“, der tatsächlich bereits länger als sechs Monate nicht mehr verlangt worden sei. Dies gäben weder der Wortlaut noch der Regelungszweck von § 11 Abs. 1 PAngV her, der nur über die Preisveränderung in den letzten 30 Tagen informieren wolle. Wann und wie lange dieser ursprüngliche Preis verlangt worden ist, muss der Unternehmer nicht angeben, hier müsse der Verbraucher nachfragen, wenn ihn dies interessiere. Diese Auslegung scheint zwar vom Wortlaut des § 11 Abs. 1 PAngV gedeckt zu sein, sie muss aber auch den Grundsätzen der Preisklarheit genügen. Dem Verbraucher werden in diesem Fall vier Preise angezeigt (aktueller Preis, Streichpreis, niedrigster Preis der letzten 30 Tage, ursprünglicher Preis). Ob hier der Verbraucher noch versteht, was das alles bedeutet, hängt von der Gestaltung der Werbung ab und ist damit eine Einzelfallfrage.
Das OLG Celle21 entschied, dass eine Bearbeitungspauschale bei Bestellungen unter 29 Euro nicht in den Gesamtpreis mit einzurechnen sei. Das Gericht hob insoweit das Urteil des LG Hannover22 auf und ließ die Revision zum BGH23 zu, der jedoch keine Gelegenheit zur Entscheidung erhielt. Das OLG begründete dies zutreffend mit Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 PAngV, wonach „sonstige Kosten“ mit den Versandkosten gleichgestellt würden, die ebenfalls nicht in den Gesamtpreis mit einzurechnen seien.
Ebenfalls zum Gesamtpreis entschied das LG Kiel24, dass der hervorgehobene Gesamtpreis nicht verschiedene Bestandteile enthalten dürfe (hier ein DVD-Player und eine 3 Jahre PlusGarantie). Zwar handle es sich um ein grundsätzlich zulässiges Kopplungsangebot, für das ein Gesamtpreis gebildet werden dürfe, die Darstellung verstoße aber gegen den Grundsatz der Preisklarheit aus § 1 Abs. 2 S. 2 PAngV. Die Schrift der aufgegliederten Preise für den DVD-Player einerseits und die Garantie andererseits sei so klein gewesen, dass sie neben dem deutlich und farblich hervorgehobenen Gesamtpreis kaum wahrgenommen würden. Zudem rechne ein Verbraucher beim Gesamtpreis nicht damit, dass eine Versicherung im Preis inbegriffen ist, die für ihn zudem optional ist. Ob hier für den Verbraucher wirklich ein Nachteil entsteht, ist zweifelhaft. An der Kasse wird er darüber aufgeklärt werden, dass er neben der Ware auch noch eine Versicherung abschließt.
Im B2B-Bereich werden üblicherweise nur Netto-Preise25 angegeben und die Grundpreise26 weggelassen; beides ist unzulässig, wenn ein Verbraucher das Angebot tatsächlich sehen kann und zwar unabhängig davon, ob ein Verbraucher tatsächlich eine Bestellung auslösen kann, oder nicht. Es muss im letzteren Fall eindeutig darauf hingewiesen werden, dass mit Verbrauchern keine Verträge geschlossen werden27 oder aber es handelt sich um Waren, die Verbraucher aufgrund ihrer Größe oder Funktionalität regelmäßig nicht bestellen28.
- Bestellung, Bestellbestätigung, Vertragsschluss, Kündigung
- vorvertragliche Informationspflichten
Die besonderen vorvertraglichen Informationspflichten aus § 312j Abs. 2 BGB (unmittelbar bevor, klar und verständlich in hervorgehobener Weise) bleiben für Unternehmer ein Einfallstor für Abmahnungen, wie ein Urteil des LG Berlin29 zeigt. Auf der Checkout-Seite müssen die wesentlichen Informationen eben „unmittelbar“ zu sehen sein, ein Link ist eben nur ein mittelbarer Hinweis. Zur Sinnhaftigkeit der Regelung mag man sich Gedanken machen, zur Anwendbarkeit hingegen nicht. Bei Bekleidung ist daher auf der Checkout-Seite die Materialzusammensetzung zwingend anzugeben.
- Bestell-Button
Dass sich der Bestell-Button auch zehn Jahre nach seiner Einführung nach wie vor so großer Beliebtheit in der Rechtsprechung erfreut, ist nicht verständlich. Die Regelung ist eindeutig und es ist reichlich Rechtsprechung dazu ergangen. Offensichtlich noch nicht genug, wie weitere Urteile dazu zeigen. Das OLG Düsseldorf30 musste feststellen, dass die Worte „abonnieren“ keine zulässige Beschriftung eines die Bestellung abschließenden Buttons darstellen. Abonnieren könne man auch kostenlose Newsletter, das Wort suggeriere daher nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit, dass es sich um ein kostenpflichtiges Abonnement handle. Das ist so richtig, dass verwunderlich ist, warum es dafür überhaupt einer (ober-)gerichtlichen Entscheidung bedurfte.
Der BGH31 hatte einen Fall zu entscheiden, in dem mit einem Anklicken des Bestell-Buttons nicht nur eine Flugreise gebucht, sondern auch noch ein zunächst kostenfreies Prime-Probe-Abonnement abgeschlossen wurde, das sich nach 30 Tagen in ein kostenpflichtiges Abonnement umwandelte. Darauf hatte der Betreiber der Website nicht hinreichend klar hingewiesen, so der BGH, und verurteilte ihn zur Rückzahlung der abgebuchten Jahresgebühr. Der BGH rügte dabei nicht, dass mit einem Anklicken des Bestell-Buttons gleichzeitig mehrere Verträge geschlossen werden können; lediglich die Gestaltung der abschließenden Website war dem BGH nicht hinreichend transparent.
Der EuGH32 entschied schließlich, dass § 312j Abs. 3 BGB im Lichte von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verbraucherrechterichtlinie33 dahingehend auszulegen sei, dass er auch auf Geschäfte anzuwenden sei, deren Entgeltlichkeit nur mittelbar aus dem Vertragsschluss folge. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut „verbunden“, denn diese Verbindung liege auch schon dann vor, wenn die Folge nicht zwingend aber jedenfalls möglich sei. Das Nachsehen hatte damit der Verbraucher, dessen Abtretung deswegen unwirksam war.
- Vertragsschluss
Ist die verbindliche Bestellung beim Unternehmer eingegangen, muss dieser den Eingang unverzüglich bestätigen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob und wenn ja wann ein Vertrag zustande kommt. Wenn ein Unternehmer einen Verbraucher bei der gewählten Option „Vorkasse“ auffordert, den Rechnungsbetrag zu bezahlen, kann er nicht gleichzeitig in seinen AGB regeln, dass der Vertrag erst mit Zusendung der Ware zustande kommt, wie das OLG Nürnberg34 richtig feststellte.
- Kündigungsbutton
Um den Kündigungsbutton wird seit dessen Einführung regelmäßig gestritten. Die Ansicht, dass der Kündigungsbutton ohne Login direkt von der Website des Unternehmers aus erreichbar sein muss, scheint sich als herrschende Meinung durchzusetzen.35
Etwas komplexer war die Fallgestaltung bei einem ebenfalls vor dem LG München36 geführten Verfahren. Der Anbieter von Pay-TV-Leistungen stellte unter einem Link „Weitere Links einblenden“ gemeinsam mit zahlreichen anderen Informationen in grauer Schrift auf weißem Hintergrund auch einen Link mit der Aufschrift „Kündigen“ zur Verfügung. Dass die Schrift etwas kleiner war als die übrigen Links - allerdings in der gleichen Größe wie der Hinweis auf das Impressum, Datenschutzhinweise, Nutzungsbedingungen und Zahlhinweisen - genügte dem Landgericht, um einen Verstoß gegen § 312k Abs. 2 S. 2 BGB anzunehmen. Zudem sei der Link nicht unmittelbar und leicht zugänglich, weil er hinter einem weiteren Link „Weitere Links einblenden“ versteckt sei, so dass auch ein Verstoß gegen § 312k Abs. 2 S. 4 BGB gegeben sei. Insbesondere seien die Grundsätze der Zwei-Klick-Lösung auf den Kündigungsbutton nicht anzuwenden.
Zulässig ist es nach Ansicht des LG Frankfurt37, auf der Bestätigungsseite neben dem Kündigungsformular weitere Informationen vorzuhalten, so z.B. einen „Kündigungs-Assistenten“, Hinweise auf eine Hotline und auf weitere Angebote. Aus § 312k BGB folge nicht, andere Kündigungswege zur Verfügung zu stellen und ein „weglenken“ von der Bestätigungsschaltfläche läge bei der zu beurteilenden Gestaltung ebenfalls nicht vor. Solange die Buttons hinreichend beschriftet seien, könne weder aus dem Gesetz noch aus der Gesetzesbegründung geschlossen werden, dass der Gesetzgeber Einfluss auf die Gestaltung der Bestätigungsseite habe nehmen wollen. Das kann man auch anders sehen. Die Idee hinter dem Kündigungsbutton ist es, dem Verbraucher eine Kündigung einfach zu ermöglichen. Dass der Gesetzgeber dem Unternehmer eine weitere Seite schaffen wollte, auf der Werbung geschaltet werden kann, ist nicht ersichtlich. Ebenso ist nicht verständlich, warum dem Unternehmer auf der Bestätigungsseite Versuche gestattet sein sollen, den Kunden zurück zu werben, der die Seite doch ersichtlich aufruft, um den Vertrag zu beenden.
Anbieter von Dauerschuldverhältnissen haben sicherzustellen, dass auf Websites Dritter, auf denen sie ihre Leistung anbieten, ebenfalls ein Kündigungsbutton vorhanden ist. Dass dies – gerade bei Anbietern aus dem Ausland, die den Kündigungsbutton in ihrer eigenen Jurisdiktion nicht kennen – nicht einfach ist, zeigt ein Urteil des LG Hildesheim38. Entscheidend ist, auf welcher Seite der Bestellvorgang beginnt, die Weiterleitung auf die Website des Vertragspartners selbst ist ohne Relevanz. Dahinter steht die Erkenntnis, dass ein Verbraucher, der eine Website gefunden hat, auf der eine Leistung angeboten wird, eben diese Website wieder aufrufen wird, wenn er die Leistung kündigen möchte.
Wer gekündigt hat, darf in der Folge nicht aufgefordert werden, die online erfolgte Kündigung telefonisch zu bestätigen. Dieses Selbstverständnis hat das LG Koblenz39 bekräftigt, dabei aber darauf hingewiesen, dass zur Begegnung von Missbrauch40 in besonderen Fällen die Bitte um eine Bestätigung der Kündigung zulässig sein kann. Dem ist beizupflichten.
- Werbung
- Werbung mit einer Zufriedenheitsgarantie
Jeder Händler wünscht sich zufriedene Kunden und nicht wenige haben das ihren Kunden auch garantiert. Bislang war dies ohne erkennbare Konsequenz, denn ob ein Kunde zufrieden ist oder nicht, ist Gegenstand seiner subjektiven Einschätzung, die ein Händler glauben konnte oder eben auch nicht. Im schließlich vom EuGH41 mit Blick auf die Auslegung von Art. 2 Nr. 12 der Warenkaufrichtlinie42 und von Art. 2 Nr. 14 der Verbraucherrechterichtlinie43 zu entscheidenden Fall hatte ein Konkurrent seinen Mitbewerber auf Unterlassung in Anspruch genommen, weil dieser auf dem Hang-Tag seiner T-Shirts einen Hinweis angebracht hatte, wonach das Produkt mit „unserer eigenen lebenslangen Garantie ausgestattet“ sei und wenn der Kunde „mit einem unserer Produkte nicht voll und ganz zufrieden“ sei, er es zurückschicken könne. Weitere Angaben, wie in § 479 Abs. 1 BGB für eine Garantieerklärung vorgesehen, enthielt der Hinweis nicht, was der Mitbewerber rügte - zurecht, wie der EuGH befand. Der Begriff der „gewerblichen Garantie“ umfasse als „andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen, die in der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung, wie sie bei oder vor dem Abschluss des Vertrags verfügbar war, beschrieben sind“, eine von einem Garantiegeber dem betreffenden Verbraucher gegenüber eingegangene Verpflichtung, die sich auf in der Person des Verbrauchers liegende Umstände, wie seine in sein eigenes Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware bezieht, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände für die Geltendmachung der gewerblichen Garantie objektiv geprüft werden müsste.44 Die auf den ersten Blick nicht leicht zu verstehende Botschaft des EuGH lässt sich prägnant darauf reduzieren, dass ein Unternehmer bei einer Zufriedenheitsgarantie Garantiebedingungen i.S.d. § 479 Abs. 1 BGB angeben muss. Dazu gehören nach dessen Nr. 5 auch „die Bestimmungen der Garantie“. Da das Wesen der Zufriedenheit rein subjektiv geprägt und objektiv (also durch ein Gericht) nicht überprüfbar ist, bedeutet die Zufriedenheitsgarantie nichts Anderes als dass der Verbraucher die Ware während der Garantiezeit jederzeit zurückgeben kann, wenn der Unternehmer dies im Rahmen der Zufriedenheitsgarantie anbietet („Nicht zufrieden? Geld zurück!“). Diese weitreichenden Folgen sind für einen Unternehmer wirtschaftlich nicht kalkulierbar. Wird die Zufriedenheitsgarantie hingegen zu stark eingeschränkt („Nicht zufrieden? Dann bekommst Du einen Lolly!“), dürfte eine Irreführung naheliegen, weil ein Verbraucher eine Garantie produktbezogen versteht und im Zweifel davon ausgeht, dass er im Falle des Nichtgefallens die Ware zurückgeben kann. Händler sollten sich daher genau überlegen, ob sie künftig noch eine Zufriedenheitsgarantie anbieten.
- Kundenbewertungen
Kundenbewertungen bleiben nach wie vor ein wichtiges Mittel, um Kredibilität bei potentiellen Kunden zu vermitteln. Unternehmer werben dabei häufig mit einer durchschnittlichen Sternebewertung, weil diese auf einen Blick wahrnehmbar ist. Ein Immobilienmakler warb mit einer durchschnittlichen Bewertung von 4,7 von 5 Sternen, ohne allerdings Angaben zur Gesamtzahl und zum Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen oder zu deren Aufgliederung nach den einzelnen Sterneklassen zu machen. Das LG Hamburg hatte ihn antragsgemäß verurteilt, es zu unterlassen, mit Kundenbewertungen unter Angabe einer durchschnittlichen Sternebewertung zu werben, ohne gleichzeitig die Gesamtzahl und den Zeitraum der berücksichtigten Kundenbewertungen zu nennen.45 Den weitergehenden Antrag auf Unterlassung einer Werbung ohne Aufschlüsselung der Kundenbewertungen nach Sterneklassen hatte es jedoch abgewiesen; die Berufung46 und die Revision47 blieben erfolglos. Die Aufschlüsselung nach den einzelnen Sterneklassen stelle keine wesentliche Information i.S.d. § 5a Abs. 1 UWG dar, wenn die Gesamtzahl und der Zeitraum der berücksichtigten Bewertungen angegeben ist, denn mit diesen Informationen könne ein Verbraucher abschätzen, wie aussagekräftig die angegebene Durchschnittsbewertung sei.48 Eine Information sei nicht schon allein deshalb wesentlich im Sinne des § 5a UWG anzusehen, weil sie für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von Bedeutung sein kann, sondern nur dann, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukomme.49
- E-Mail-Werbung
Spam nervt. Wann eine E-Mail eine unzulässige unzumutbare Belästigung ist und wann nicht, ist mittlerweile Gegenstand einer bis ins letzte Detail ausdifferenzierten Rechtsprechung. Das nervt auch. Einen weiteren Mosaikstein durfte das LG Augsburg50 einfügen. In Abgrenzung zur Rechtsprechung des BGH51 zu Werbung in sog. Auto-Reply-E-Mails urteilte es, dass ein Link auf den Social Media Auftritt des Unternehmens in einer automatischen Abwesenheitsnotiz keine unzumutbare Belästigung sei. Die Nachricht habe informativen Charakter, da auf die Abwesenheit des angeschriebenen Mitarbeiters hingewiesen werde. Der Link auf den Social Media Auftritt sei schon eher nicht als Werbung anzusehen, jedenfalls stelle er keine konkrete Beeinträchtigung des Empfängers dar, weil nicht für konkrete Produkte geworben werde, und der Link als solcher habe noch keinen konkreten inhaltlichen Informationsgehalt und könne einfach ignoriert werden. Der Empfänger müsse sich – in Abgrenzung zur Entscheidung des BGH – nicht mit konkreten Inhalten auseinandersetzen. Das Ergebnis ist zu begrüßen, weil es absolut sachgerecht ist. Demgegenüber hatte das LG Berlin entschieden, dass ein Hinweis „Besuchen Sie uns auch in Facebook unter [Link]. Wenn Sie dort den „gefällt mir“ Button anklicken, werden Sie in Ihrem Facebookprofil über neue Produkte in unserem Sortiment informiert“ am Ende einer per E-Mail übermittelten Vertragsannahme eine unzumutbare Belästigung sei.52 Ob hier bereits eine konkrete Auseinandersetzung des Empfängers mit den Angeboten des Unternehmers vermutet werden kann, mag der geneigte Leser selbst entscheiden.
Wenn ein Werbewiderspruch erklärt wurde, ist dieser selbstverständlich sofort zu beachten, wie das LG Paderborn53 klarstellte. Auf die Monatsfrist des Art. 12 Abs. 3 S. 1 DSGVO kann sich der Versender selbstverständlich nicht berufen. Dies ergibt sich – ohne dass § 7 UWG bemüht werden muss – schon aus Art. 21 Abs. 3 DSGVO, der ein sofortiges Verarbeitungsverbot für Zwecke der Direktwerbung anordnet, wenn der Werbeempfänger der Werbung widerspricht.
- Greenwashing
Glaubt man der Werbung, hat die Welt kein ökologisches Problem. Alles ist grün, klimaneutral und ökologisch wertvoll. An diese Werbung richtet die Rechtsprechung jedoch mittlerweile strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage, wie der BGH54 jüngst in einem weiteren Urteil bestätigte. Dem werbenden Unternehmen wurde vom BGH verboten, damit zu werben, dass alle Produkte „klimaneutral“ produziert würden, nachdem die Vorinstanzen55 die Klage noch abgewiesen hatten. Die Werbung hätte eindeutig und klar darüber aufklären müssen, welche konkrete Bedeutung der Begriff „klimaneutral“ hat; dieser sei mehrdeutig, weil Klimaneutralität durch Kompensation oder Vermeidung von CO2 erreicht werden könne. Ein Verbraucher könne daher davon ausgehen, dass im Produktionsprozess CO2 vermieden werde.
In diesem Sinne entschied auch das LG München I56 für die Werbung mit einer „klimaneutralen Herstellung“ und „CO2 positives Bier“ auf einer Bierflasche. Es sei bereits an dieser Stelle eine Information darüber erforderlich, auf welche Weise diese erreicht werde, da ein Verbraucher ein maßgebliches Interesse daran habe, inwieweit die behauptete Klimaneutralität durch Einsparungen oder durch Ausgleichsmaßnahmen und wenn ja durch welche Ausgleichsmaßnahmen erreicht werde.57 Die Rechtsprechung ist damit richtigerweise ähnlich streng, wie die Werbung mit gesundheitsbezogenen Merkmalen.
- Datenschutz
- Gastzugang in Online-Shops
Das LG Hamburg58 urteilte, dass ein Online-Handelsmarktplatz nicht verpflichtet sei, einen Gastzugang anzubieten. Dagegen spreche weder der Grundsatz der Datenminimierung noch der Grundsatz datenschutzfreundlicher Voreinstellungen oder das Kopplungsverbot. Der Beschluss59 der Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) vom 24.03.2022 sehe explizit Ausnahmen bei „besonderen Umständen“ vor. Das Kundenkonto sei das zentrale Informationsportal zur Abwicklung sehr vieler Verträge mit vielen unterschiedlichen Händlern. Diese hätten ein erhebliches Interesse an einer effizienten Abwicklung, und eine Speicherung der Daten erfolge aufgrund des geschlossenen Vertrags ohnehin. Wird keine Bestellung durchgeführt, werde das Konto nach 30 Tagen gelöscht. Die Berufung ist beim OLG Hamburg anhängig.60
Bei Bestellungen im Internet wird gerne auch das Geburtsdatum abgefragt. Dies tat auch eine Online-Versandapotheke61 mit dem Argument, nur so ihre Beratungs- und Informationspflichten erfüllen zu können, weil nur so der Kunde zweifelsfrei identifiziert werden könne. Dieses Argument zieht nicht, wie das OVG Lüneburg62 zutreffend feststellte. Denn neben dem Namen des Bestellers hätte die Versandapotheke auch dessen Adresse und Telefonnummer (diese ist wegen § 17 Abs. 2a S. 1 Nr. 7 ApBetrO verpflichtend anzugeben); zudem sei der Besteller nicht zwingend identisch mit dem Patienten. Auch das immer wieder gehörte Argument, der Onlineshop-Betreiber wolle mit dem Datum die Geschäftsfähigkeit des Kunden verifizieren, verfängt nicht. Denn dafür bedürfte es einer tatsächlichen Prüfung, die vor der Bestellung regelmäßig nicht stattfindet.
- Cookie-Banner
Cookie-Banner sind heute üblich und das Erfordernis, diese beim Besuch einer Website vorzuhalten, um ggf. eine Zustimmung des Website-Besuchers zum Setzen von Cookies einzuholen, hat wider Erwarten auch nicht das Ende des Internets mit sich gebracht. Die Zustimmung zum Setzen von Cookies wird vom Website-Betreiber besonders gerne so gestaltet, dass sie dem Besucher präsent sind, eine gleichwertige Option, die Einwilligung abzulehnen, findet sich hingegen seltener. Dies ist gleichwohl Pflicht, wie das OLG Köln63 richtig urteilte.
Schwierig bleibt die Übermittlung von personenbezogenen Daten in die USA, wie ein ausführlich begründetes Urteil des OLG Köln64 auch nach Inkrafttreten des EU US Data Privacy Framework zeigt. Auch bei Vorliegen eines Angemessenheitsbeschlusses müssen die allgemeinen Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung erfüllt sein, mithin auch eine wirksame Einwilligung.65
- Schadensersatz
Der Datenschutz entwickelt sich zunehmend zu einem Feld für Glücksritter, die mit einem Verstoß gegen das Datenschutzrecht Geld verdienen möchten. Die Diskussionen um den Anwendungsbereich von Art. 82 DSGVO und die schadensersatzrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die DSGVO füllen nicht nur ganze Tagungen, sondern auch die Schreibtische der Gerichte. Der EuGH wirkt in seinen zahlreichen Urteilen66 zunehmend genervt, seine Vorgaben, , wann Schadensersatz zu bezahlen ist und wann nicht, bleiben aber maßgebend. Die entscheidende Frage ist, wie ein Betroffener die für ihn (angeblich) relevanten Konsequenzen dartun muss, damit ein Schadensersatzanspruch wegen eines immateriellen Schadens gegeben ist. Der EuGH gibt dazu allerdings keine klaren Antworten, sondern lediglich Hinweise für den Einzelfall. Allein der Umstand, dass ein Betroffener befürchtet, dass seine personenbezogenen Daten infolge eines Verstoßes gegen die DSGVO durch einen Dritten missbräuchlich verwendet werden, soll einen immateriellen Schaden darstellen können.67 Die Beweislast liegt dabei allerdings bei Betroffenen, das Gericht muss folglich davon überzeugt sein, dass „diese Befürchtung unter den gegebenen besonderen Umständen und im Hinblick auf die betroffene Person als begründet angesehen werden kann“68. Dies passt zur zuvor getroffenen Aussage, dass es bei einem Verstoß gegen die DSGVO keine Erheblichkeitsschwelle gibt, der Verstoß alleine aber keinen Schadensersatzanspruch begründet.69
Wer trotz Abmeldung vom Newsletter dem Empfänger wider Willen weitere E-Mails zusendet, verstößt gegen die DSGVO und macht sich nach Art. 82 DSGVO schadensersatzpflichtig. Das LG Lüneburg70 sprach einem Betroffenen 500 Euro Schadensersatz zu, nachdem dieser trotz viermaliger Abmeldung vom Newsletter des Verantwortlichen weiterhin werbliche E-Mails erhielt. Der beim Betroffenen dadurch verursache Ärger, Zeitverlust und Eindruck des Kontrollverlusts stelle einen Schaden dar und er müsse sich mit der Abwehr der von ihm unerwünschten Werbung auseinandersetzen.71 Der EuGH hat in einer späteren Entscheidung allerdings festgestellt, dass beim Schadensersatz nicht zu berücksichtigen sei, dass die Person, die Schadensersatz verlangt, von mehreren Verstößen gegen die DSGVO betroffen sei, die sich auf den denselben Verarbeitungsvorgang beziehen.72 Dies wird zutreffend damit begründet, dass der Schadensersatz Ausgleichsfunktion habe und keinen Strafcharakter.
Das AG Düsseldorf73 sprach einem Betroffenen ebenfalls einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von 500 Euro zu, weil der Verantwortliche seiner Auskunftspflicht nicht nachgekommen sei. Woher dieser Betrag kommt, wird nicht weiter erläutert. Das Gericht stellt aber fest, dass der Umstand, dass der Betroffene systematisch Verstöße gegen die DSGVO in Bezug auf seine Person verfolge, zwar bei der Höhe des Schadenersatzes zu berücksichtigen sei, dies aber nicht dazu führe, dass der Anspruch wegen rechtsmissbräuchlichen Handelns ausgeschlossen sei.74
Wenn das Wort Missbrauch mit der DSGVO in Verbindung gebracht wird, muss man unwillkürlich an die tausenden Google Fonts Abmahnungen denken. Auch hier gibt es Neues. Das LG Hannover75 verurteilte den „Betroffenen“ und seinen Rechtsanwalt persönlich auf Rückzahlung von 170 Euro wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Der „Verantwortliche“ hatte diesen Betrag nach Erhalt der Abmahnung in dem Glauben bezahlt, er sei dazu verpflichtet und ihn später zurückgefordert. Das Landgericht ließ die Revision zum BGH76 zu.
- Fazit
Den Fernabsatzgeschäften im Internet stehen nicht nur wegen der neuen technischen Möglichkeiten, sondern insbesondere auch wegen des maßgeblich veränderten Rechtsrahmens enorme Änderungen bevor. Wer künftig erfolgreich sein möchte, muss sich frühzeitig mit dem kommenden Recht beschäftigen. Dies gilt für die großen Anbieter im erheblich größeren Umfang als für die kleineren Internethändler. Diese sehen sich freilich einem faktischen Problem ausgesetzt, nämlich der Konzentrierung auf die großen Plattformen, von denen viele kleine Händler faktisch abhängig sind, und die gerade für kleinere Händler massiv belastenden Werbekosten. Der sich ständig ändernde Rechtrahmen hat zudem nicht unerhebliche Beratungskosten zur Folge. Einfacher ist die Lage für Online-Händler damit nicht geworden; wer sich nicht frühzeitig auf diese Gegebenheiten einstellt, wird nicht mehr lange auf dem Markt bleiben. Dies wird konsequenterweise zu Lasten des Wettbewerbs gehen und damit schließlich auch zu einem höheren Preisniveau bei Käufen im Internet führen. Nutznießer davon dürften der stationäre Handel sein.
1 Verordnung (EU) 2022/2065.
2 Vom 06.05.2024.
3 Verordnung (EU) 2022/1925.
4 Verordnung (EU) 2024/1689.
5 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CONSIL:ST_6363_2023_INIT , ErwG 25.
6 Ausführlich dazu: Leischel/Buchmann, K&R 2023, 11, 13ff; Buchmann/Panfili, K&R 2023, 24, 28 ff.
7 Bundesrat, Drs. 184/24 vom 17.5.2024.
8 Vgl. z.B. Erwg. 37 der Verbraucherrechterichtlinie 2011/83.
9 EuGH, 5.10.2023 – C-565/22, K&R 2023, 727ff.
10 Handelsgericht Wien, 23.6. 2021 – GZ 30 Cg 29/20x-25.
11 BGH, 19.3.2003 – VIII ZR 295/01, MMR 2003, 463 ff.
12 LG Arnsberg, 22.2.2024 – 4 O 273/23 (juris); vgl. insoweit auch OLG München, 18.6.2020 – 32 U 7119/19, WM 2021, 1241 ff; zum Widerrufsrecht beim Leasing ausführlich Buchmann/Panfili, RAW, 2022, 82.
13 EuGH, 14.5.2020 – C-266/19, K&R 2020, 509 f.
14 BGH, 24.9.2020 – I ZR 169/17, K&R 2021, 117 ff.
15 LG Arnsberg, 22.2.2024 – 4 O 273/23 (juris), Rn. 65.
16 LG Arnsberg, 22.2.2024 – 4 O 273/23 (juris) , Rn. 63 ff; so auch LG Münster, 14.9.2023, 02 O 101/23 (juris); LG Berlin, 22.12.2023 – 1 O 29/23 (juris); LG Paderborn, 31.1.2024 - 4 O 279/23 (juris).
17 EuGH, 14.5.2020 – C-266/19, K&R 2020, 509 f., Leitsatz; erstinstanzlich im Übrigen identisch LG Arnsberg, 9.7.2015 – 8 O 3/15 KfH (juris).
18 BGH, 26.10.2023 – I ZR 135/20, WRP 2024, 61 f.
19 Vorlagebeschluss des LG Düsseldorf, 19.5.2023 – 38 O 182/22, EuGH, C-330/23.
20 OLG Nürnberg, 19.12.2023 – 3 U 2007/23, n.v..
21 OLG Celle, 30.1.2024 – 13 U 36/23, K&R 2024, 283 ff.
22 LG Hannover, 10.7.2023 - 13 O 164/22, VZBV, abrufbar unter: https://www.vzbv.de/sites/default/files/2024-01/LG%20Hannover_10.07.2023.pdf.
23 Anhängig unter II ZR 18/24
24 LG Kiel, 25.1.2024 – 6 O 86/23, GRUR-RS 2024, 14489.
25 Dazu das OLG Frankfurt, 5.5.2023 – 6 W 28/23, WRP 2023, 1243.
26 Dazu das LG Frankfurt, 19.02.2024 – 18 O 18/23, MMR 2024, 512 f.
27 BGH, 29.4.2010 – I ZR 99/08, K&R 2010, 816 ff.
28 LG Berling, 9.2.2016 – 102 O 3/16, MMR 2017, 128 f.
29 LG Berlin, 7.11.2023 – 91 O 69/23, MMR 2024, 435 f.
30 OLG Düsseldorf, 8.2.2024 – I-20 UKlaG 4/23, K&R 2024, 281 ff.
31 BGH, 4.6.2024 – X ZR 81/23, K&R 2024, 516 ff.
32 EuGH, 30.5.2024 – C-400/22, K&R 2024, 498 ff.
33 Richtlinie 2011/83/EU.
34 OLG Nürnberg, 31.1.2024 – 3 U 1594/23, NJW-RR 2024, 1042 ff., so zuvor auch schon OLG Frankfurt, 29.8.2012 – 6 W 84/12, MMR 2012, 809.
35 So z.B. das OLG Düsseldorf, 23.5.2023 – I-20 UKl 3/23, K&R 2024, 520; LG München I, 10.10.2023 – 33 O 15098/22, GRUR-RS 2023, 36681.
36 LG München I, 16.11.2023 – 12 O 4127/23, MMR 2024, 359 f., Berufung anhängig beim OLG München unter 6 U 4336/23.
37 LG Frankfurt, 30.8.2023 – 2-06 O 411/22, CR 2024, 274.
38 LG Hildesheim, 9.1.2024 – 3 O 109/23, MD 2024, 616 ff; siehe dazu den ergangenen Hinweisbeschluss des OLG Celle, 18.4.2024 – 13 U 7/24, WRP 2024, 1105 ff. (Zurückweisung der Berufung).
39 LG Koblenz, 27.2.2024 – 11 O 12/23, MMR 2024, 590 ff.
40 Dazu auch Buchmann/Panfili, K&R 2023, 24, 26 f..
41 EuGH, 28.9.2023 – C-133/22, K&R 2023, 730 f.
42 Richtlinie (EU) 2019/771 vom 20.5.2019 über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs.
43 Richtlinie (EU) 2011/83 vom 25.10.2011 über die Rechte der Verbraucher.
44 EuGH, 28.9.2023 – C-133/22, K&R 2023, 730, Rn. 33.
45 LG Hamburg, 315 O 160/21, WRP 2023, 628 f.
46 OLG Hamburg, 15 U 108/22, WRP 2023, 1493 f.
47 BGH, 25.7.2024 - I ZR 143/23, WRP 2024, 1056 ff. Zum Ganzen ausführlich auch Seichter, jurisPK-UWG, 5.A 2021, § 5a UWG, 1. Überarbeitung.
48 BGH, I ZR 143/23, WRP 2024, 1056 ff.
49 BGH, I ZR 143/23, WRP 2024, 1056, 1057; im Anschluss an BGH, I ZR 55/16, WRP 2017, 1468 f.
50 LG Augsburg, 18.10.2023 – 044 S 2196/23, K&R 2023, 619 f., m. Anm. Panfili/Trost.
51 BGH, 15.12.2015 – VI ZR 134/15, K&R 2015, 179 ff.
52 LG Berlin, 6.11.2020 - 16 O 366/20, n.v.
53 LG Paderborn, 12.3.2024 – 2 O 325/23, K&R 2024, 438 f.
54 BGH, 27.6.2024 – I ZR 98/23, WRP 2024, 928 ff.
55 LG Kleve, 22.6.2022 – 8 O 44/21, ZfPC 2022, 191 f; OLG Düsseldorf, 6.7.2023 – 20 U 152/22, K&R 2023, 614 f.
56 LG München I, 8.12.2023 – 37 O 2041/23, WRP 2024, 405 ff.
57 LG München I, 8.12.2023 – 37 O 2041/23, WRP 2024, 405, 407.
58 LG Hamburg, 22.2.2024 – 327 O 250/22, K&R 2024, 363 ff.; vgl. dazu auch Buchmann, K&R 2022, 645, 652; Buchmann/Krell, PinG 2022, 139 ff.
59 Abrufbar unter Datenschutzkonferenz: https://www.datenschutzkonferenz-online.de/media/dskb/20222604_beschluss_datenminimierung_onlinehandel.pdf.
60 OLG Hamburg, 5 U 30/24.
61 Zum Verkauf von Arzneimitteln über Online-Plattformen siehe auch EuGH, 29.2.2024 – C-606/21, K&R 2024, 261 ff.
62 OVG Lüneburg, 23.1.2024 – 14 LA 1/24, K&R 2024, 299 f.
63 OLG Köln, 19.1.2024 – I-6 U 80/23, K&R 2024, 227 f.
64 OLG Köln, 3.11.2023 - I-6 U 58/23, K&R 2024, 147 ff.
65 OLG Köln, 3.11.2023 - I-6 U 58/23, K&R 2024, 147, 149.
66 EuGH, 4.5.2023 – C-300/21, K&R 2023, 416 ff; EuGH, 14.12.2023 – C-340/21, K&R 2024, 104 ff; EuGH, 11.4.2024 – C-741/21, K&R 2024, 342 ff; EuGH, 25.1.2024 – C-687/21, K&R 2024, 192 ff .
67 EuGH, 14.12.2023 – C-340/21, K&R 2024, 104 ff.
68 EuGH, 14.12.2023 – C-340/21, K&R 2024, 104, 109.
69 EuGH, 4.5.2023 – C-300/21, K&R 2023, 416 ff; siehe auch folgend EuGH, 11.4.2024 – C-741/21, K&R 2024, 342 ff.
70 LG Lüneburg, 7.12.2023 - 5 O 6/23 (juris).
71 LG Lüneburg, 7.12.2023 - 5 O 6/23, Rn. 25 (juris).
72 EuGH, 11.4.2024 – C-741/21, K&R 2024, 342, 344 f.
73 AG Düsseldorf, 24.8.2023 – 51 C 206/23, K&R 2023, 835
74 AG Düsseldorf, 24.8.2023 – 51 C 206/23, K&R 2023, 835, 836.
75 LG Hannover, 3.7.2024 - 18 S 10/23, n.v. Das Verfahren wurde von der Sozietät des Autors geführt; einer Bewertung enthalte ich mich hier daher.
76 Dort anhängig unter BGH, VI ZR 258/24.