Besonderheiten bei Dienstleistungsverträgen
Am 13. 6. 2014 hat sich im Verbraucherrecht vieles geändert.[i] Neben neuen Begriffen und Definitionen werden Verbraucherverträge neuen Bedingungen unterworfen. Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge werden angeglichen und unterliegen hinsichtlich Informationspflichten und Widerrufsrecht überwiegend identischen Regelungen. Besondere neue Regelungen hat der Gesetzgeber unter anderem auch für Dienstleistungen eingeführt, die hier behandelt werden.
I. Die Neuordnung beim Widerruf von Dienstleistungsverträgen
1. Hintergrund
Das Widerrufsrecht bei Dienstleistungsverträgen hat erst vor wenigen Jahren eine grundlegende Reform erfahren. Gemäß § 312 d Abs. 3 BGB a. F. sollte es erst dann erlöschen, wenn der Vertrag auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt wurde und zwar – zum Schutze des Verbrauchers – von beiden Seiten. Ziel dieser Neuregelung war es, die sogenannten „Vertragsfallen“ im Internet zivilrechtlich in den Griff zu bekommen.ii Ergebnis der Regelung war allerdings, dass der Verbraucher durch Nichtzahlung verhindern konnte, dass die Widerrufsfrist zu laufen begann. Die sonst durchaus übliche Vorleistung des Unternehmers bei Dienstleistungsverträgen war damit bei Fernabsatzverträgen mit erheblichen Risiken verbunden.
Systematisch richtig eingeordnetiii finden sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist für Dienstleistungsverträge in den §§ 355 Abs. 2 S. 2 BGB und 356 Abs. 4 BGB. Es ist erkennbar, dass der europäische Normgeber einen Ausgleich zwischen Verbraucher- und Unternehmerinteressen finden wollte. Das Widerrufsrecht erlischt künftig nicht mehr erst mit beidseitiger Erfüllung der vertraglichen Pflichten, sondern bereits, nachdem der Verbraucher ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Erbringung der Dienstleistung beginnen soll und er gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er mit der vollständigen Vertragserfüllung durch den Unternehmer sein Widerrufsrecht verliert.
2. Anwendungsbereich
a) Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge
Voraussetzung für einen Fernabsatzvertrag ist die ausschließliche Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, wie sie beispielhaft in § 312 c Abs. 2 BGB n. F. aufgezählt sind, wobei kumulativ für den Vertragsschluss und die vorausgehenden Vertragsverhandlungen ausschließlich Fernkommunikationsmittel eingesetzt worden sein dürfen. Das Abstellen auf persönlich geführte Vertragsverhandlungen über einen konkreten Vertrag in Abgrenzung zur bloßen Information über eine Dienstleistungiv ist schwierig.v
Die ehemals als „Haustürgeschäfte“ bezeichneten Verträge werden nun in § 312 b BGB deutlich umfassender als „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge“ bezeichnet.vi Erfasst sind auch bewegliche Gewerberäume, so dass „fliegende Händler“ (z. B. Frisöre, die zu ihren Kunden nach Hause kommen) ebenso unter die Definition fallen, wie Stände und Verkaufswagen, Märkte und Messen, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit dort für gewöhnlich ausübt, § 312 b Abs. 2 S. 2 BGB.vii
b) Für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem
Wie unter der bisherigen Rechtslage auch, normiert das Gesetz in § 312 c Abs. 1 BGB n. F. eine Ausnahme. Selbst wenn für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwendet wurden, soll kein Fernabsatzvertrag vorliegen, wenn der Vertragsschluss nicht in einem für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystem erfolgt ist. Dazu soll es nach Erwägungsgrund 20 nicht ausreichen, wenn ein Unternehmer im Internet lediglich über seine Waren oder Dienstleistungen informiert und seine Kontaktdaten anbietet. Vielmehr muss der Unternehmer sein Geschäft gezielt und systematisch auf den Abschluss von Fernabsatzverträgen ausgerichtet haben. Die nur gelegentliche, z. B. telefonische, Annahme von Bestellungen genügt dafür nicht.viii In der Regel dürften Handwerksbetriebe folglich nicht unter diese Ausnahme fallen, da die Bestellannahme dort regelmäßig telefonisch erfolgt. Beruft sich ein Unternehmer darauf, dass ein solches auf den Fernabsatz ausgerichtetes Vertriebssystem nicht besteht, so trifft ihn die Beweislast für diesen – als Ausnahmeregelung eng auszulegenden – Tatbestand.
c) Ausnahmen vom Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich der verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften in den §§ 312 ff. BGB wird durch § 312 Abs. 2 BGB erheblich eingeschränkt. Dies betrifft insbesondere den Bereich der Dienstleistungsverträge.
aa) Finanzdienstleistungen
Finanzdienstleistungen unterliegen aufgrund der weitreichenden Folgen insgesamt einem besonderen Regime und daher nur bedingt den allgemeinen Bedingungen für Dienstleistungsverträge. Die besonderen Bestimmungen für Verbraucherverträge sind nach § 312 Abs. 5 BGB zudem nur auf die erste Vereinbarung anzuwenden. Sie sind nicht Gegenstand dieses Beitrags.
bb) Reise und Beförderung
Ausgenommen von den besonderen Verbraucherschutzvorschriften sind Verträge über Pauschalreisen, § 312 Abs. 2 Nr. 4 BGB, und Verträge über die Beförderung von Personen, § 312 Abs. 2 Nr. 5 BGB.ix
Nicht von der Vorschrift umfasst sind Geschäftsbesorgungsverträge, auch dann nicht, wenn sie mittelbar etwas mit einer Reise zu tun haben. Dies ist insbesondere für Reiseportale von erheblicher Bedeutung, die lediglich die Reisen Dritter vermitteln bzw. im Auftrag des Kunden buchen. Der Vertrag zwischen Verbraucher und Vermittler unterliegt selbstverständlich dem Widerrufsrecht.x Dieses Widerrufsrecht erlischt nach der neuen Rechtslage nur, wenn der Verbraucher dies ausdrücklich bestätigt, § 356 Abs. 4 S. 1 BGB.
cc) Behandlungsverträge
Verträge über die medizinische Behandlung eines Patienten im Sinne von § 630 a BGB sind vom Anwendungsbereich nach § 312 Abs. 2 Nr. 7 BGB ausgenommen. Die besonderen Anforderungen an die Aufklärungs- und Dokumentationspflichten sind mit den Informationspflichten der Fernabsatzgeschäfte nicht sinnvoll vereinbar.xi
dd) Einzelne vom Verbraucher hergestellte Telefon-, Internet- oder Telefaxverbindung
Diese Ausnahme in § 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB betrifft Leistungen, die auf Veranlassung des Verbrauchers sofort und vollständig erbracht werden. Typischerweise werden solche Leistungen über eine Telefonrechnung abgerechnet. Darunter fallen insbesondere, aber nicht ausschließlich, call-by-call-Dienstleistungen.xii Für diesen Bereich sehen die besonderen Regelungen des Telekommunikationsgesetzes besondere verbraucherschützende Vorschriften vor, so dass ein allgemeiner Schutz über die §§ 312 ff. BGB nicht erforderlich ist.xiii Dienstleistungen, die telekommunikationsgestützt erbracht werden (§ 3 Nr. 25 TKG), sind nicht von dieser Ausnahme erfasst.xiv
ee) Geringfügige Zahlungsverpflichtungen bis einschließlich 40 Euro
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sind solche Verträge, deren Leistung sofort erbracht wird und deren zu zahlendes Entgelt 40 Euro nicht überschreitet, gemäß § 312 Abs. 2 Nr. 12 BGB vom Anwendungsbereich der verbraucherschutzrechtlichen Vorschriften insgesamt ausgeschlossen.xv
ff) Soziale Dienstleistungen
Eine besondere Regelung findet sich in § 312 Abs. 3 BGB zu Verträgen über soziale Dienstleistungen. Beispielhaft im Gesetz genannt sind Kinderbetreuung und die Unterstützung von hilfsbedürftigen Familien oder Personen.xvi Solche Verträge unterliegen besonderen Bedingungen, so dass auch hier die verbraucherschützenden Vorschriften des BGB nicht sinnvoll sind. Ein Widerrufsrecht besteht in solchen Fällen allerdings, dies ordnet § 312 Abs. 3 Nr. 7 BGB ausdrücklich an.xvii
3. Informationspflichten
a) Pflichtinformationen nach Art. 246 a § 1 EGBGB
Mangels anderweitiger Regelung ist auch bei Dienstleistungsverträgen der Unternehmer verpflichtet, einen Verbraucher vor- und nachvertraglich über das Bestehen von dessen Widerrufsrecht zu belehren.
aa) Vorvertragliche Informationspflicht
Die vorvertragliche Information muss gemäß Art. 246 § 4 Abs. 1 BGB klar und verständlich erfolgen. Art. 246 § 4 Abs. 2 S. 2 EGBGB konkretisiert dies für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge dahingehend, dass die Pflichtinformationen „lesbar“ sein müssen; dies betrifft nicht nur Schriftart und Schriftgröße, sondern auch die verwendete Sprache.xviii Wird der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen, muss die Information auf Papier erfolgen, sofern der Verbraucher nicht ausdrücklich zugestimmt hat, dass ihm die Information auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt wird.
Bei einem Fernabsatzvertrag muss die Information in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weise zur Verfügung gestellt werden; bei telefonisch geschlossenen Verträgen hat die Belehrung folglich mündlich zu erfolgen. Insoweit bestehen keine Abweichungen zu den Warenkäufen.xix
bb) Nachvertragliche Informationspflicht
Gemäß § 312 f Abs. 2 S. 1 BGB ist der Unternehmer verpflichtet, einem Verbraucher vor Beginn der Ausführung der Dienstleistung bei einem im Wege eines per Fernabsatz geschlossenen Vertrags eine Bestätigung des Vertrags, in der der Vertragsinhalt wiedergegeben wird (also wegen § 312 d Abs. 1 S. 2 BGB auch die Informationspflichten nach Art. 246 a § 1 EGBGB), auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen. Für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge ist der Unternehmer wegen Art. 246 § 4 Abs. 2 EGBGB bereits vorvertraglich verpflichtet, die Pflichtinformationen nach Art. 246 § 1 EGBGB auf Papier oder – bei ausdrücklicher Einwilligung des Verbrauchers – auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.
Wird die Widerrufsbelehrung nicht auf einem dauerhaften Datenträger an den Verbraucher übermittelt, beginnt die Widerrufsfrist nicht zu laufen.xx Auch eine etwaige Erklärung des Verbrauchers nach § 356 Abs. 4 S. 1 BGB, in der er zustimmt, dass vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen wird und er die Kenntnis vom Erlöschen seines Widerrufsrechts bestätigt, läuft in diesem Fall leer. Die Belehrung auf einem dauerhaften Datenträger ist grundlegende Voraussetzung für Beginn und Ende der Widerrufsfrist.
b) Erleichterte Informationspflichten bei Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten
Art. 246 a § 2 EGBGB sieht in besonderen Fällen vor, dass einen Unternehmer bei einem Vertrag über Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten verminderte Informationspflichten treffen. Diese Norm setzt Art. 7 Abs. 4 der Verbraucherrechterichtlinie um, der eine der wenigen Ausnahmen vom Grundsatz der Vollharmonisierung enthält; den Mitgliedsstaaten war es nach Art. 7 Abs. 4 S. 2 der Verbraucherrechterichtlinie freigestellt, diese besondere Regelung umzusetzen.
Die erleichterten Informationspflichten gelten nur für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, bei denen die beiderseitigen Leistungen sofort erfüllt werden und die Gegenleistung 200 Euro nicht überschreitet. Der Verbraucher muss zudem ausdrücklich die Dienste des Unternehmers angefordert haben. Insbesondere nicht erfasst sind folglich telefonisch erteilte Reparaturaufträge für Haushaltsgeräte, verstopfte Abflüsse, defekte Heizungen, oder auch Schlüsseldienste etc. Da es eher unwahrscheinlich ist, dass ein Verbraucher außerhalb eines Geschäftsraums Reparatur- oder Instandsetzungsarbeiten beauftragt, die sofort erfüllt werden, sind vermutlich die typischen Haustürsituationen des reisenden Gewerbes (z. B. Messerschleifer) gemeint. Im Vergleich zur telefonischen Beauftragung dürften diese Fälle allerdings in Deutschland verschwindend gering sein. Die Notwendigkeit der Umsetzung dieser Regelung ist daher zweifelhaft. Des Schutzes bedurft hätten die Handwerksbetriebe, die häufig telefonisch beauftragt werden und für die die Flut der neuen Pflichtinformationen und insbesondere auch das neue Widerrufsrecht bei Dienstleistungsverträgen einen erheblichen Verwaltungsaufwand mit sich bringt, der sich mit Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen im BGB kaum rechtfertigen lässt.
Liegen die Voraussetzungen des Art. 246 a § 2 EGBGB vor, ist der Unternehmer lediglich verpflichtet, vorvertraglich eine reduzierte Anzahl von Informationen zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören die Identität des Unternehmers (Art. 246 a § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB – nicht aber der Name dessen, für den er handelt, der Verweis auf Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB fehlt) und der Preis der zu erbringenden Leistung oder ein Kostenvoranschlag, der auch die Art der Preisberechnung enthalten muss. Abs. 2 der Norm verlangt zudem weitere Informationen, ohne dass erkennbar ist, warum diese in einen eigenen Absatz gefasst wurden. Der Unternehmer muss danach auch die Information zur Ware nach Art. 246 a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB zur Verfügung stellen, sowie gemäß Art. 246 a Abs. 2 Nr. 1 EGBGB die Informationen zum Widerrufsrecht und das Muster-Widerrufsformular; gegebenenfalls nach Art. 246 a § 2 Abs. 2 Nr. 3 EGBGB Hinweise dazu, dass ein Verbraucher seine Willenserklärung nicht widerrufen kann bzw. sein bestehendes Widerrufsrecht vorzeitig erlischt (entspricht Art. 246 a § 1 Abs. 3 EGBGB).
Zur Form der vorvertraglichen (reduzierten) Informationspflicht findet sich in diesem Ausnahmetatbestand nichts. Es gelten folglich die allgemeinen Regelungen in Art. 246 a § 4 Abs. 2 EGBGB, die Informationen müssen lesbar und auf Papier sein und dürfen nur für den Fall, dass der Verbraucher zustimmt, auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden.
c) Widerrufsrecht
aa) Bestehen eines Widerrufsrechts und Ausnahmen
Vom grundsätzlich bestehenden Widerrufsrecht bei einem im Wege eines Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags sieht § 312 g Abs. 2 BGB eine Reihe von Ausnahmen vor, die auch Dienstleistungsverträge betreffen.
(1) Schwankungen auf dem Finanzmarkt
- 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 8 BGB nimmt solche Dienstleistungen vom Widerrufsrecht aus, deren Preis von Schwankungen auf dem Finanzmarkt abhängen. Die Regelung entspricht § 312 d Abs. 4 S. 1 Nr. 6 BGB a. F. Grundsätzlicher Gedanke der Regelung ist, dass beide Parteien sich bei der Berechnung der Gegenleistung irren können und dieses Risiko nicht einseitig dem Unternehmer auferlegt werden soll.xxi Gemeint sind insbesondere Finanzdienstleistungen.
(2) Besondere Dienstleistungen mit spezifischem Leistungstermin oder Zeitraum
- 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 9 BGB sieht Ausnahmen für bestimmte Leistungen vor, die zu einem spezifischen Termin oder einem bestimmten Zeitraum zu erbringen sind. Dazu gehören Beherbergungsverträge, Beförderung von Waren, Verträge über Mietfahrzeuge, Lieferung von Speisen und Getränken und Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen.xxii Ausdrücklich nach § 312 g Abs. 2 S. 2 BGB davon ausgenommen sind Reiseleistungen im Sinne von § 651 a BGB, sofern diese außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen worden sind; hier steht einem Verbraucher daher grundsätzlich ein Widerrufsrecht zu, sofern nicht bereits die Bereichsausnahme des § 312 Abs. 2 Nr. 4 BGB greift. Das Widerrufsrecht besteht damit insbesondere für die so genannten „Kaffeefahrten“.xxiii Der immer weiter wachsende Markt der Reisebuchungen im Internet ist von den verbraucherschützenden Vorschriften hingegen ausgenommen.xxiv
(3) Dringende Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten
Ausgeschlossen sein soll das Widerrufsrecht, wenn ein Verbraucher einen Unternehmer ausdrücklich auffordert, ihn aufzusuchen, um dringende Reparatur- oder Instandhaltungsarbeiten vorzunehmen, § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 11 BGB. Entscheidend ist, dass die Vertragsverhandlungen auf Initiative des Verbrauchers geführt werden.xxv Zentral für die Frage des Bestehens eines Widerrufsrechts ist weiter, ob es sich um eine „dringende“ Reparatur- oder Instandhaltungsarbeit handelt. Dabei muss sich der Unternehmer bei seiner Analyse zur Dringlichkeit auf die Angaben des Verbrauchers verlassen. Das Risiko der entsprechenden Einschätzung trägt nämlich der Unternehmer. Zwar ist er wegen Art. 246 a § 2 EGBGB vorvertraglich lediglich zu verminderten Informationen verpflichtet, allerdings gehört das zentrale Widerrufsrecht nach Art. 246 a § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 EGBGB zu den Pflichtinformationen. Damit muss der Unternehmer noch vor Vertragsschluss darüber entscheiden, ob er über das Bestehen oder das Nichtbestehen eines Widerrufsrechts belehrt. Damit dürfte dieser Ausnahmetatbestand, der inhaltlich ohnehin nicht ganz nachzuvollziehen ist,xxvi in der Praxis kaum relevant werden.
(4) Wett- und Lotteriedienstleistungen
Nur für Fernabsatzgeschäfte und sofern die Erklärung des Verbrauchers nicht telefonisch abgeschlossen wurde, sind Verträge zur Erbringung von Wett- und Lotteriedienstleistungen nach § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 12 BGB vom Widerrufsrecht ausgenommen. Gemeint sind staatlich genehmigte Wetten und Lotterien i. S. v. § 763 BGB.xxvii Zum Abschluss eines Vertrags muss es durch die Willenserklärung des Verbrauchers allerdings nicht kommen.xxviii Auch die Beauftragung eines anderen, für den Verbraucher an einer Lotterie teilzunehmen (z. B. Spielgemeinschaften), fällt nach Sinn und Zweck unter die Ausnahmeregelung.
bb) Belehrungszeitpunkt und -form
Über das Widerrufsrecht ist zusammen mit den übrigen Pflichtinformationen zu belehren. Es gelten daher die Ausführungen zur vor- und nachvertraglichen Informationspflicht.xxix
cc) Beginn der Widerrufsfrist
Mangels weiterer Konkretisierung im Gesetz (für Waren § 356 Abs. 2 Nr. 1; für Gas-, Wasser- und Stromlieferverträge § 356 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gilt für Dienstleistungsverträge der allgemeine Fristbeginn in § 355 Abs. 2 S. 2 BGB, folglich mit Vertragsschluss. Zusätzliche Voraussetzung bleibt stets, dass der Unternehmer den Verbraucher nach Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EGBGB unterrichtet hat, wobei dies bei Fernabsatzverträgen in einer dem benutzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Art und Weise geschehen muss, bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen auf Papier, soweit der Verbraucher nicht ausdrücklich einem anderen dauerhaften Datenträger zugestimmt hat. Die Beweislast über den Beginn des Widerrufsrechts trägt der Unternehmer, § 312 k Abs. 2 BGB.
dd) Erlöschen des Widerrufsrechts
Das Widerrufsrecht bei Dienstleistungsverträgen erlischt bei ordnungsgemäßer Belehrung 14 Tage ab dem Tag nach Vertragsschluss. Für die Fristberechnung gelten die §§ 187 ff. BGB. Insbesondere wird der Tag des Vertragsschlusses in die Fristberechnung nicht mit einbezogen, § 187 Abs. 1 BGB.
Das Widerrufsrecht kann zudem vorzeitig gemäß § 356 Abs. 4 BGB erlöschen. Voraussetzung ist, dass die vereinbarte Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, der Verbraucher der vollständigen Erbringung ausdrücklich zugestimmt hat und gleichzeitig auch seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert. Das vorzeitige Erlöschen des Widerrufsrechts ist damit anderen Bedingungen unterstellt worden. Bislang genügte nach § 312 d Abs. 3 a. F., dass der Vertrag von beiden Seiten auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers vollständig erfüllt war. Unter der neuen Rechtslage kommt es auf die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtung durch den Verbraucher nicht mehr an.
Die ausdrückliche Zustimmung zur vollständigen Erfüllung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist und die Bestätigung der Kenntnis des Verlustes des Widerrufsrechts bei vollständiger Erfüllung können in einer Erklärung des Verbrauchers zusammengefasst werden. Das aktive Setzen eines Häkchens in einem Kästchen im Rahmen des Bestellprozesses mit einer entsprechend vorformulierten Erklärung genügt.xxx Eine dort vorgenommene Voreinstellung durch den Unternehmer („opt-out“) ist unwirksam (Rechtsgedanke des § 312 a Abs. 3 S. 2 BGB), ebenso standardisierte Einwilligungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungenxxxi (diese Einwilligungserklärung wäre überraschend, § 305 c Abs. 1 BGB).
ee) Folgen des Widerrufs
Die Folgen des Widerrufs richten sich bei Dienstleistungen nach § 357 Abs. 8 BGB. Der Verbraucher schuldet dem Unternehmer für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung Wertersatz. Dies ist allerdings von zahlreichen Voraussetzungen abhängig. Der Verbraucher muss ausdrücklich verlangt haben, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung der Dienstleistung beginnt. Dazu muss er vom Unternehmer wegen Art. 246 a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 EGBGB ausdrücklich aufgefordert worden sein. Dies impliziert, dass das Setzen eines Häkchens im Bestellprozess nicht genügt, um die Wertersatzpflicht zu begründen, da dies begrifflich keine Aufforderung des Unternehmers darstellt, da der Vertrag noch gar nicht geschlossen ist. Gemeint ist offenbar eine ausdrückliche nachvertragliche Aufforderung, da die vertragsgemäße Leistung, zu der aufgefordert werden soll, erst mit Vertragsschluss feststeht. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen – nicht im E-Commerce – ist für die Wertersatzpflicht gemäß § 357 Abs. 8 S. 3 BGB zudem erforderlich, dass der Verbraucher sein Verlangen, mit der Ausführung der Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist zu beginnen, auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat.xxxii
Die Höhe des Wertersatzes berechnet sich anteilig im Verhältnis des Gesamtpreises zum tatsächlich erbrachten Teil der Leistung, § 357 Abs. 8 S. 4 BGB. Schwierigkeiten bereitet die ungenaue Regelung in § 357 Abs. 8 S. 5 BGB, wonach der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistung zu berechnen ist, wenn der vereinbarte Gesamtpreis unverhältnismäßig hoch ist. Hier wird über die Hintertür des Widerrufsrechts eine Angemessenheitskontrolle des Preises einer Dienstleistung ins Gesetz eingeführt, womit in die Vertragsfreiheit der Parteien eingegriffen wird. Dies ist m.E. nicht sachgerecht und mit den besonderen Bedingungen des E-Commerce und der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vxxxiiierträge auch nicht zu rechtfertigen.
ff) Musterwiderrufsbelehrung
Wird die in Anlage 1 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 S. 1 EGBGB Musterwiderrufsbelehrung zutreffend für Dienstleistungen ausgefüllt, ergibt sich eine recht kurze Belehrung über das Widerrufsrecht und dessen Folgen. Die Belehrung über den Fristbeginn „ab dem Tag des Vertragsschlusses“ ist ungenau.xxxiv Der verpflichtend vorgegebene Teil nach „Folgen des Widerrufs“ passt auf Dienstleistungsverträge nur bedingt, da dort Lieferkosten regelmäßig nicht anfallen. Gleichwohl empfiehlt es sich nicht, den Teil der Widerrufsfolgen insgesamt im Rahmen der Belehrung wegzulassen.
II. Fazit
Bei den Dienstleistungsverträgen sind zahlreiche Änderungen vorgenommen worden. Es hat sich ein recht kompliziertes Geflecht aus Regeln und Ausnahmen ergeben. Während bei Verträgen über die Lieferung von Waren eine Vereinheitlichung von Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen erreicht wurde, muss bei Dienstleistungsverträgen sorgfältig zwischen diesen beiden Arten des Vertragsschlusses unterschieden werden, weil das Gesetz zum Teil ganz unterschiedliche Regelungen vorsieht. Die Angemessenheitskontrolle von vereinbarten Preisen bei Dienstleistungsverträgen ist systemfremd. Die Regelungen sind insgesamt nicht immer ganz nachvollziehbar und in der Praxis nur mit erheblichem Aufwand umsetzbar, ohne dass für den Verbraucher ein substanzieller Vorteil erkennbar ist. Für Dienstleister wird dadurch der Verwaltungsaufwand erheblich
i Einen Überblick bieten die Beiträge von Bierekoven/Crone, MMR 2014, 687 ff.; Tonner, VuR 2013, 443 ff.; Oelschlägel, MDR 2013, 1317 ff.; Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107 ff.; Möller, BB 2014, 1411 ff.
ii Zur Kritik Buchmann/Majer/Hertfelder/Vögelein, NJW 2009, 3189 ff..
iii Soweit die Systematik der fernabsatzrechtlichen Vorschriften als sinnvoll bezeichnet werden kann, vgl. Buchmann, K&R 2014, 221 ff.
iv Brönneke/Schmidt, VuR 2014, 3, 4.
v Vgl. ausführlich Buchmann, K&R 2014, 369 ff.
vi Bittner, ZVertriebsR, 2014, 2; ders., in: Bittner/Clausnitzer/Föhlisch, Das neue Verbrauchervertragsrecht, S. 28 f.; Möller, BB 2014, 1411, 1414.
vii BT-Drucks. 17/12637, S. 49 f.; Erwägungsgrund 22 der VRRL 2011/83/EU.
viii BT-Druck. 14/2658, S. 30: „Die Existenz eines organisierten Vertriebssystems verlangt, dass der Unternehmer in personeller und sachlicher Ausstattung innerhalb seines Betriebes die Voraussetzungen organisatorisch geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen.“, vgl. auch OLG Hamm, 14. 3. 2011 – I-31 U 162/10, Rn. 19; BGH, 21. 10. 2004 – III ZR 380/03, K&R 2005, 37 ff. Grüneberg, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 312 c n. F., Rn. 6; Wendehorst, in: MüKo-BGB, 5. Aufl. 2012, § 312 b Rn. 58; Saenger, in: Erman, BGB, 12. Aufl. 2008, § 312 b Rn. 5; Schmidt-Räntsch, in: Bamberger, BGB, 2. Aufl. 2008, § 312 b Rn. 24.
ix Zur Kritik Föhlisch, in: Bittner/Clausnitzer/Föhlisch (Fn. 6), Rn. 39 f. m. w. N.
x OLG Karlsruhe, 27.03.2002 – 6 U 200/01.
xi Vgl. im Einzelnen BT-Drucks. 17/12637, S. 47.
xii Föhlisch, in: Bittner/Clausnitzer/Föhlisch (Fn. 6), Rn. 42.
xiii Vgl. BT-Drucks. 17/12637, S. 47 f.
xiv Föhlisch/Dyakova, MMR 2013, 3, 6.
xv BT-Drucks. 17/12637, S. 47 f.; siehe auch Art. 2 Abs. 4 VRRL 2011/83/EU.
xvi Ausführlich mit weiteren Beispielen Cap, in: Bydlinski/Lurger,■Zitierweise Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, 2012, S. 9.
xvii BT-Drucks. 17/12637, S. 48.
xviii BT-Drucks, 17/12637, S. 75.
xix Ausführlich Buchmann, K&R 2014, 453 ff.
xx Buchmann, K&R 2014, 221 ff.
xxi Grüneberg, in: Palandt (Fn. 8), § 312 d a. F., Rn. 14; § 312 g n. F., Rn. 11.
xxii Vgl. Erwägungsgrund 49 der VRRL 2011/83/EG.
xxiii In der Gesetzesbegründung werden insbesondere die sogenannten „Kaffeefahrten“ erwähnt, BT-Drucks. 17/12637, S. 97; vgl. auch Brönneke/Schmidt, VuR 2014, 3, 6; Bittner, in: Bittner/Clausnitzer/Föhlisch (Fn. 6), Rn. 207.
xxiv Vgl. dazu auch schon oben unter 2.c.bb.
xxv BGH, 15.04.2010 - III ZR 218/09, NJW 2010, 2868; Grüneberg, in: Palandt (Fn. 8), § 312 g n. F., Rn. 14.
xxvi Auch die Gesetzesbegründung schweigt insoweit, BT-Drucks. 17/12637, S. 57.
xxvii Grüneberg, in: Palandt (Fn. 8), § 312 g n. F., Rn. 15.
xxviii A. A. Grüneberg, in: Palandt (Fn. 8), § 312 g n. F., Rn. 15.
xxix Vgl. dazu oben unter 3. A) aa) und bb).
xxx Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 115; Bittner, in: Bittner/Clausnitzer/Föhlisch (Fn. 6), Rn. 231.
xxxi So auch Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 115 mit Verweis auf BGH, 16. 7. 2008 – VIII ZR 348/06, K&R 2008, 678 ff. (zur datenschutzrechtlichen Einwilligung in AGB).
xxxii Anders als hier Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 107, 118.
xxxiii Zum Streitstand Buchmann, K&R 2014, 221, 223 f.
xxxiv Ausführlich Buchmann, K&R 2014, 293 ff.