Ein Unternehmen, das von einem Fotografen gegründet wurde und Fototapeten vermarktet, war in der Vergangenheit mehrfach im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von Fototapeten im Internet als Hintergrund von Videos oder Fotos wegen Urheberrechtsverletzung vorgegangen. Im Streit stand, ob- und inwieweit die Veröffentlichungen eine rechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung darstellt. Der Bundesgerichtshof hat nun in drei Entscheidungen
- I ZR 139/23
- I ZR 140/23
- I ZR 141/23
klargestellt, dass die Nutzung von Abbildungen von Fototapeten, die urheberrechtlich geschützte Fotografien darstellen, auf Fotos und Videos im Internet keine Urheberrechtsverletzung darstellt.
Entscheidungen der Vorinstanzen
Die Entscheidungen betrafen die Verwendung von Fototapeten in verschiedenen Kontexten, darunter die Veröffentlichung von privaten Facebook-Videos, die Darstellung von Geschäftsräumen auf einer Website und die Werbung für ein Hotel mit Fotos von Räumlichkeiten, in denen die Fototapete sichtbar war. Die Klägerin, ein Unternehmen, das von einem Fotografen gegründet wurde und Fototapeten vermarktet, hatte Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten gefordert. Sie argumentierte, dass die Beklagten durch die Veröffentlichung von Fotos und Videos der Räume mit den Fototapeten ihre Urheberrechte verletzten. In allen Fällen waren die Fototapeten im Hintergrund von Bild- oder Videomaterial zu sehen, das von den Beklagten auf verschiedenen Internetplattformen veröffentlicht wurde.
Die Vorinstanzen (AG Düsseldorf – Urteil vom 13. Dezember 2022 – 13 C 65/22; LG Düsseldorf – Urteil vom 27. September 2023 – 12 S 23/22; AG Düsseldorf – Urteil vom 13. Dezember 2022 – 13 C 62/22, LG Düsseldorf – Urteil vom 27. September 2023 – 12 S 24/22; AG Düsseldorf – Urteil vom 13. Dezember 2022 – 13 C 64/22; LG Düsseldorf – Urteil vom 27. September 2023 – 12 S 25/22)
sahen keine Verletzung der Urheberrechte. Das Landgericht Düsseldorf bestätigte jeweils in der Berufungsinstanz , dass die Verwendung der Fototapeten durch die Käufer im Rahmen der gewöhnlichen Nutzung konkludent ein Nutzungsrecht umfasst. Dieses Nutzungsrecht erlaubt es, Fotos der Räume mit den Tapeten zu erstellen und diese online zu veröffentlichen. Da der Urheber beim Verkauf der Tapete keine Einschränkungen vorgesehen hatte, sei von einer stillschweigenden Einwilligung auszugehen, die übliche Handlungen wie die Veröffentlichung von Fotos in sozialen Medien oder auf Websites umfasst. Es sei zudem branchenüblich, dass der Käufer mit dem Erwerb der Tapete auch die Rechte zur Veröffentlichung solcher Bilder erhält, ohne zusätzliche Lizenzen einholen zu müssen.
Rechtliche Einordnung umstritten / bislang andere Auffassung LG Köln
Die Frage war durchaus umstritten. Insbesondere hatte das Landgericht Köln in verschiedenen Entscheidungen, Urteil vom 18. April 2024 – 14 O 60/23; Urteil vom 18. August 2022 – 14 O 350/21 entgegengesetzt entschieden. So sah es, dass die Vermieterin einer Ferienwohnung gegen das Urheberrecht verstoße , indem sie ein Foto einer Fototapete ohne Erlaubnis im Internet zugänglich machte (Urteil vom 18. April 2024 – 14 O 60/23), obwohl sie die Tapete von der Vorbesitzerin der Wohnung übernommen hatte, räume der Kauf der Tapete nicht das Recht ein, diese öffentlich zugänglich zu machen. In Verfahren LG Köln Az. 14 O 350/21 wurde ein Hotelbetreiber z verurteilt, weil er Fotos von Hotelzimmern mit einer Fototapete auf Internetplattformen verwendete. Das Landgericht Köln sah in beiden Fällen grundsätzlich durch den Erwerb der Tapete keine Nutzungsrechtseinräumung für die digitale öffentliche Zugänglichmachung. Zudem läge kein unwesentliches Beiwerk gem. § 57 UrhG vor.
BGH bestätigt Entscheidungen des LG Düsseldorf
Der Einordnung des LG Köln ist der BGH mit seiner Bestätigung der Entscheidungen des LG Düsseldorf entgegengetreten
Der BGH bestätigt nun diese Entscheidungen und stellt ausweislich seiner Presseerklärung in den jeweiligen Verfahren fest, dass die Veröffentlichung von Fotos und Videos, auf denen die Fototapete zu sehen ist, im Rahmen der üblichen Nutzung der Tapeten liegt. Entscheidend war, dass durch den Erwerb der Fototapeten eine konkludente Einwilligung des Urhebers in die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung vorlag. Die Wirksamkeit einer Einwilligung setzt nicht voraus, dass sie gegenüber demjenigen erklärt wird, der in Urheberrechte eingreift. Ausreichend ist ein Verhalten des Berechtigten, dem aus der Sicht eines objektiven Dritten die Bedeutung zukommt, dass der Berechtigte den Eingriff in seinen Rechtskreis gestattet. Nicht nur die Käufer von ohne Einschränkungen veräußerten Fototapeten, die ihre Räumlichkeiten damit dekorieren, Fotografien und Videoaufnahmen dieser Räume fertigen und diese im Internet einstellen, können sich auf eine konkludente Einwilligung des Urhebers in die dabei erfolgende Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung der für die Fototapete verwendeten Fotografie berufen. Vielmehr können sich auch Dritte auf eine konkludente Einwilligung des Fotografen stützen, wenn ihre Nutzungshandlungen aus objektiver Sicht als üblich anzusehen sind.
Eine solche Einwilligung ergibt sich maßgeblich aus dem Umstand, dass es für den Urheber vorhersehbar ist, dass die Fototapeten im Zuge der Raumgestaltung abgelichtet und diese Aufnahmen im Internet verbreitet würden. Der Urheber hätte vertraglich Einschränkungen für diese Nutzungen vereinbaren müssen, was jedoch nicht geschehen ist. Auch aus dem Rechtsgedanken des § 17 Abs. 2 UrhG ergibt sich, dass der Schutz des Urheberrechts hinter dem Interesse an der Verkehrsfähigkeit der Ware zurücktreten müsse.
Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass nichtzuletzt unter Berücksichtigung der Zweckübertragungslehre ggf. mangels weiterer Vereinbarung Nutzungsrechte auch aus schlüssigem Verhalten eingeräumt werden können. Daher empfiehlt es sich grundsätzlich im einzelnen individuelle Nutzungsrechtsvereinbarungen und Lizenzverträge zu entwerfen.